Austria
This article was added by the user . TheWorldNews is not responsible for the content of the platform.

Griss zur Entscheidung im Fall Tina: "Kindeswohl immer vorrangig"

Der Verwaltungsgerichtshof habe nun festgestellt, dass das Kindeswohl, "das ja immer vorrangig zu berücksichtigen ist", stärker als das Fehlverhalten der Eltern sei, erklärte Griss am Mittwoch im Ö1-"Morgenjournal".

Am Dienstag war bekannt geworden, dass der VwGH die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) im Fall Tina zurückgewiesen hat. Das BFA hatte eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die umstrittene Abschiebung rechtswidrig war, bekämpft. Der VwGH ist nunmehr aber unter anderem der Ansicht gefolgt, dass der Geburt in Österreich und der hervorragenden - auch schulischen - Integration Tinas besonderes Gewicht zukomme und die Abschiebung im Jänner 2021 als unverhältnismäßig zu qualifizieren war. Das Höchstgericht verwies auch auf den Umstand, dass eine Trennung der Familie nicht zulässig gewesen wäre. Es sei somit rechtskonform, dass das Bundesverwaltungsgericht auch die Abschiebung der damals fünfjährigen Schwester und der Mutter für rechtswidrig erklärt habe.

Das Urteil sage ganz klar, dass es eben Fälle geben könne, in denen zwar die Eltern "rechtsmissbräuchlich gehandelt haben", aber "dennoch die Beachtung des Kindeswohls dazu führt, dass die Familie in Österreich bleiben darf", meinte Griss. Es hätte vor der Abschiebung noch einmal geprüft werden müssen, wie sich diese Abschiebung auf die Kinder bzw. auf Tina auswirke, erklärte die ehemalige Höchstrichterin. "Man wird jetzt vor einer Abschiebung noch einmal prüfen müssen, ob nicht eine solche Abschiebung das Kindeswohl verletzt", sieht Griss durchaus eine richtungsweisende Entscheidung. Um sicherzustellen, dass das in der Verfassung verankerte Kindeswohl auch tatsächlich immer vorrangig berücksichtigt wird, "wäre es sinnvoll, wenn im Asylgesetz auch das noch ausdrücklich festgelegt würde", forderte Griss.

Der Anwalt des Mädchens, Wilfried Embacher, erklärte in der ORF-"ZiB2" Dienstagabend, für Tinas Schwester und Mutter bedeute das Urteil, dass sie nun problemlos nach Österreich einreisen dürften und einen Aufenthaltstitel bekommen müssten. Der Anwalt räumte zwar ein, dass das Urteil keine grundsätzliche Vorgabe für die Rechtssprechung macht. Es gebe aber dennoch "eine Linie vor", ist Embacher überzeugt. "Der Durchbruch der Kinderrechte ist jetzt vielleicht nicht so sehr in dieser Einzelfallentscheidung als Musterbeispiel für andere Fälle zu sehen, sondern eher in Nebenaspekten, eben zum Beispiel, dass das Verhalten der Eltern nicht so stark gewichtet werden darf. Das ist sicherlich eine grundlegende Entscheidung, die für die Zukunft auch in anderen Fällen maßgeblich sein wird." Es sei nun ganz klar, dass das, was schon länger im Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern steht, "aber in der Praxis eigentlich bisher zu wenig beachtet wurde", vorrangig zu beachten ist.

BFA: "Keine unmittelbaren Auswirkungen"

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) betonte hingegen in einer schriftlichen Stellungnahme, dass der Beschluss des VwGH "keine unmittelbaren Auswirkungen" habe. Der VwGH habe zur Rückkehrentscheidung "eine rein verfahrensrechtliche, keine inhaltliche Entscheidung getroffen". Im vorliegenden Fall sei das Höchstgericht zum Ergebnis gekommen, "dass das BVwG-Erkenntnis nicht unvertretbar" sei. Der VwGH führe aber auch aus, dass das Bundesverwaltungsgericht "in Anbetracht des fortgesetzten massiven fremdenrechtlichen Fehlverhaltens der Mutter auch zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können", hieß es in der Stellungnahme des BFA.

Die Abschiebung Tinas und ihrer Familie nach Georgien hatte für großes Aufsehen gesorgt und erfolgte unter Protesten - inklusive Sitzblockaden vor dem Familienabschiebezentrum. Im Dezember 2021 war Tina wieder nach Wien zurückgekehrt und hatte später ein Schülervisum erhalten. Seit ihrer Rückkehr nach Wien lebt sie bei einer Gastfamilie.

Im Büro des damaligen Innenministers und nunmehrigen Bundeskanzlers Karl Nehammer (ÖVP) wurde lediglich auf die Stellungnahme des Innenministeriums verwiesen.