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Hilfe bei Obdachlosigkeit: Es war einmal ein Freitag, der 13.

In der Betreuungseinrichtung Gruft gibt es Schlafplätze, warme Mahlzeiten und Hilfsangebote

© Caritas/Gernoth Kerth

Dietmar Miletovic hat wegen Alkoholmissbrauchs seinen Job verloren, landete auf der Straße und rutschte immer weiter ab – bis zu dem Tag, an dem er dank einer Therapeutin trocken wurde.

von Agnes Preusser

Einmal, da hat Dietmar Miletovic einen Trafikanten gebeten, seinen Lottoschein an einem Freitag, dem 13., auszudrucken, genau um 13.13 Uhr und 13 Sekunden. Das sei diesem sogar punktgenau gelungen, aber „gewonnen habe ich trotzdem nichts“, sagt Miletovic. Warum er das verwunderlich findet: Die Zahl 13 – vor allem in einer Kombination mit Freitag – hat für ihn eine besondere Bedeutung. Denn seit so einem Freitag im Jahr 2017 ist Miletovic trocken.

Wenige Monate zuvor war er in der Wiener Obdachloseneinrichtung Gruft der Caritas von Nina-Katharina Pröll angesprochen worden. Die Psychotherapeutin hilft Menschen, die ins Straucheln geraten sind, wieder auf die Beine zu kommen. Die Therapeuten der Gruft gehen dabei auf obdachlose Menschen zu und versuchen, eine Vertrauensbasis zu schaffen, damit diese sich helfen lassen, erklärt Pröll. „Man lernt sich kennen, man spielt Karten oder auch Schach und das geht dann in Therapiestunden über.“

Erst der Absturz ...

Mit Miletovic trifft sie sich seit sechs Jahren fast jeden Mittwoch. „Wenn sie auf Urlaub ist und ich länger nicht mit ihr sprechen kann, merke ich, dass mich das deprimiert“, sagt Miletovic. Mit wem anderen möchte er nicht reden, zu groß ist das Vertrauen zu Pröll. „Wenn ich sie nicht getroffen hätte, wäre ich jetzt wahrscheinlich unter der Erde.“ Das Trinken habe zuvor sein Leben bestimmt. Erst verlor er seinen Job als Bauspengler, dann seine Wohnung, mit seiner Familie hat er keinen Kontakt mehr.

In die Gruft kommen derzeit rund 150 obdachlose Personen täglich zum Essen. In der Notschlafstelle  gibt es  50 Betten,  16 davon sind  für Frauen reserviert. Diese stehen in einem eigenen Bereich. Neben Sozialarbeitern arbeiten dort fünf Psychotherapeuten und ein Psychiater

Seit dem Jahr 2005 gibt es die Kardinal-König-Patenschaft zwischen Raiffeisen und dem KURIER, bei der jährlich für die Gruft Spenden gesammelt werden. 
Spendenkonto: RBI Raiffeisen Bank International; BIC: RLNWATWW; IBAN: 46 3200 0000 0811 9901, Kennwort:  Kardinal-König-Patenschaft

Trocken werden, das wollte er schon länger. Mit der Anleitung von Pröll sei es schließlich gelungen. Auch mit dem Rauchen, früher 60 Zigaretten am Tag, habe er aufgehört. Das neue Ziel ist jetzt abnehmen – nach dem Alkohol und dem Rauchen kam nämlich das Essen. „Wenn ich nur ein Überraschungsei anschaue, bekomme ich Schimpfer von ihr“, sagt Miletovic, der mit Pröll regelmäßig ein Ernährungsprotokoll durchgeht. 20 Kilo ist er im vergangenen Jahr bereits losgeworden.

© Bild: Kurier/Juerg Christandl

Von Montag bis Freitag gibt es in der Gruft Therapiemöglichkeiten. Im Jahr 2021 wurden mit 105 Personen 694 Gespräche geführt. Das Angebot ist durch Spenden finanziert (siehe Infobox).

Er habe mitbekommen, sagt Miletovic, dass Pröll anderen Klienten von ihm und seinen Erfolgen erzählt (selbstverständlich anonymisiert) – und das, sagt er mit einem fast verschämten Lächeln, mache ihn sehr stolz.

Derzeit ist Fortbildung für ihn ein großes Thema. Er lernt etwa Englisch mithilfe eines Computerprogramms. „Am Anfang habe ich in den Computer hineingesprochen und es kam immer einer Fehlermeldung. Mittlerweile versteht er meine Sätze aber schon“.

... dann der Aufstieg

Bei all den Erfolgen versucht Miletovic aber vorsichtig zu bleiben. So ganz traut er sich selber nicht. „Der Alkohol kann einen immer wieder einholen“, sagt er. „Aber mittlerweile glaube ich daran, dass ich ihn vielleicht dauerhaft abgelegt habe.“ Beim Einkaufen schaue er immer ganz genau, ob sich nicht doch irgendwo Alkohol versteckt, wo man nicht damit rechnet – etwa in Süßigkeiten oder Backwaren wie Hefezöpfen. „Das gehört viel besser angeschrieben, meist steht es nur im Kleingedruckten.“

Ein paar Wünsche hat Miletovic für die Zukunft. Nach einer Familie würde er sich sehnen. „Und ich warte immer darauf, dass ich an meiner Therapeutin einen Kritikpunkt finde“, sagt er. „Damit sie auch einmal von mir Schimpfer bekommt und nicht umgekehrt. Aber bis jetzt habe ich nichts gefunden.“

Auf einen Lottogewinn an einem Freitag, dem 13., hofft er auch noch. „Aber eigentlich ist das egal. Dass ich wen zum Reden habe, ist wichtiger als das Geld.“

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