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Nach Waldhäusl-Eklat: „Rassismus hat bei uns keinen Platz“

CEO Markus Breitenecker und Info-Chefin Corinna Milborn

© Kurier/Gerhard Deutsch

ProSiebenSat.1Puls4-CEO Breitenecker und Info-Chefin Milborn über blauen Landesrat bei Puls24, Geld vom Staat, Berlusconi und wahre Konkurrenten

von Christoph Silber, Philipp Wilhelmer

Es ist PR für den Info-Sender Puls24, auf die man dort wohl gern verzichtet hätte. In der Sendung „Pro und Contra“ zum Thema Asyl wurden diese Woche Wiener Mittelschülerinnen mit Migrationshintergrund vom blauen NÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl beleidigt. Sinngemäß meinte er, ohne sie wäre Wien noch Wien. Der

Für Corinna Milborn, Info-Chefin von ProSiebenSat.1.1Puls4, Anlass für einen ungewöhnlichen Schritt. Sie kommentierte, was sie sonst nie tut, den Sager im TV, schriftlich und auch im KURIER-Gespräch. „Rassismus ist keine Meinung, die bei uns Platz hat“, betont sie.

Milborn und CEO Markus Breitenecker erläutern zudem die Neuaufstellung der Information nach der ATV-Puls4-Fusion, sie sprechen über Themenauswahl und Finanzierung und über den Umgang mit dem Dauerthema Berlusconi-Einstieg.

Corinna Milborn, alle Auflagen der Wettbewerbsbehörde, die zuletzt vor allem die ATV-Information betroffen haben, sind gefallen. Sie haben jetzt ein großes Info-Reich, das sich über die ProSiebenSAT.1-Puls4-Gruppe erstreckt, unter sich. Wie stellt sich das im Innenverhältnis dar? Sind Sie jetzt die zentrale Person, die denkt und lenkt? Wie sorgt ihr für Binnenpluralismus?

Corinna Milborn: Vorweg zur Klarstellung: Ich habe gemeinsam mit Markus Breitenecker eine Herausgeberinnen-Position inne und bin weiterhin nicht die zentrale Chefredakteurin. Die Aufstellung der Information wurde nun neu organisiert (siehe Kasten unten): Es gibt mehrere Chefredakteure, die für die einzelnen Sparten News, Magazine, Talk & Doku zuständig sind, eine Programmleitung sowie die jeweiligen Sendungsverantwortlichen. In der Herausgeber-Position schaue ich auf die großen Linien.

Was bringt die Fusion der Info-Teams von ATV und Puls4/Puls24?

Milborn: Tatsächlich haben wir sehr auf dieses Ende der Auflagen gewartet, weil wir nun in einer gemeinsamen und dadurch größeren Redaktion mehr Vielfalt schaffen können. Wir hatten bis jetzt zwei Redaktionen, die zum Beispiel parallel Abendnachrichten produziert haben - die einen für „ATV aktuell“ um 18.20 sowie das andere Team, dessen Arbeit auf Puls4, ProSieben etc. zu sehen war. Jetzt dürfen wir eine gemeinsame Redaktion haben, d. h. auch, wir haben jetzt mehr Ressourcen und können die Info-Sendungen tatsächlich auf die jeweiligen, sehr unterschiedlichen Zielgruppen der einzelnen Sender hin abstimmen.

Info-Chefin Milborn und CEO Breitenecker: „Puls24-Newsroom ist der Info-, News- und Doku-Lieferant der Sender-Gruppe“

© Bild: Kurier/Gerhard Deutsch

Das heißt?

Milborn: Es sind nie dieselben Nachrichtensendungen, die auf den Sendern laufen. ProSieben Austria hat zum Beispiel ein sehr junges Publikum. Das schaut den Sender nicht wegen der Information, sondern wegen der Unterhaltung am Ende eines langen Tages. Dieses Publikum bekommt Nachrichten mit Themen, die eben Jüngere interessieren. PULS 24 richtet sich an News-Interessierte. „ATV aktuell“ hat mehr Chronik-Inhalte, zugeschnitten auf das ATV-Publikum. Bei „Puls4 aktuell“ gibt es wiederum mehr Politik und internationale Politik. Statt also die Ressourcen auf zwei Teams aufteilen zu müssen, die gleichzeitig etwa bei den wichtigen Pressekonferenzen des Tages sind, können wir uns jetzt darauf konzentrieren, mehr zu recherchieren und die Inhalte besser auf die unterschiedlichen Kanäle hin zu adaptieren. Die umfassen bei uns neben den TV-Sendern und puls24.at ja auch noch die Streaming-Plattform Zappn, die App, die Websites und auch Podcasts. Ein weiterer Vorteil: Es ist jetzt viel einfacher möglich, jemanden für tiefergehende Recherchen länger aus dem Tagesbetrieb zu nehmen, um etwa eine Doku zu machen oder jemanden für eine Auslandsreise freizuspielen. Das heißt, das hebt die Qualität der Inhalte, und es gibt auch mehr Vielfalt dadurch.

Ibiza als Quoten-Highlight

Euer Newssender Puls24 hatte die Quoten-Highlights 2022 mit aufwändigen Produktionen etwa mit dem Ibiza-Themenabend. Ist nun daran gedacht, so etwas öfter ins Programm zu rücken?

Milborn: Ja, sicher. Der Ibiza-Abend war aufwändig - mit einem ganzen Team nach Ibiza zu fahren, die Villa zu mieten, das Interview mit Heinz-Christian Stache vor Ort, die Diskussion im Studio etcetera, das ist natürlich ein ganz anderer Aufwand als ein Live-Interview im Studio mit Herrn Strache zum Jahrestag. Ähnliches ist jetzt viel öfter möglich. Wir werden zum Beispiel auf Puls24 einen großen Thementag anlässlich von ein Jahr Krieg Russlands gegen die Ukraine programmieren. Das wird schon lang und intensiv vorbereitet. Das wird ein Abend mit guter, tief recherchierter Info für jene, die sich einen Überblick verschaffen wollen. Wir versuchen damit ebenfalls abzudecken, dass es sehr, sehr viele Menschen gibt, die Bewegtbild auf unterschiedlichen Kanälen als Hauptinformationsquelle nutzen – und das werden immer mehr.

Puls24 ist ein immer noch recht junger Sender und relativ klein, was die Reichweite betrifft. Täuscht der Eindruck, dass er ohne die Förderungen gar nicht betrieben werden könnte?

Markus Breitenecker: Ja, der täuscht.

Neuorganisation
Unter Info-Direktorin Milborn und  Mario Lenz (Geschäftsleiter Produktion & Sport) organisiert Rudi Wiedner den Puls24-Newsroom. DiE Chefredaktion besteht aus Stefan Kaltenbrunner (News Gesamt), Georg Grabner (TV News), Mathias Morscher (Digital News) sowie Iris Gassner (Doku) und Manuel Kelemen (Wetter). Dazu kommen die Redaktionschefs für Talk, Wirtschaft sowie Café Puls

Marktanteile
Die P7S1P4-Gruppe erzielte im Jänner 25,5 %  Marktanteil (12–49 Jahre). Die Österreichsender Puls4, Puls24, ATV und ATV2 hatten 10,9 %. Der Info-Sender Puls24 steuerte allein 0,6 % bei. Höchstwert bei der neuen Hauptabendsendung „Wild umstritten“ bisher: 3,4 % mit Eva Glawischnig, HC  Strache, Rudi Fußi

Warum?

Weil Puls24 nicht isoliert nur der Newsender ist. Aus dem Puls24-Newsroom kommen ja auch die Nachrichten für sämtliche Österreich-Sender der Gruppe und die Nachrichtenfenster auf den deutschen Sendern in Österreich sowie für unser Streaming-Service Zappn und auch noch Text und Video für Puls24.at. Nicht zu vergessen, es wird auch Cafe Puls beliefert. Das ist schon eine ganze Menge und das erklärt letztlich auch die Größe dieser Redaktion mit etwa 175 Personen und ihre Ausstattung. Die PULS 24 Redaktion produziert auch unseren neuen Public Value-Hauptabend am Donnerstag auf Puls4 mit aktuellen, eigenproduzierten Dokus. Und anders als viele Nachrichtensender, die ab 20.15 Uhr Kauf-Dokus spielen, setzen wir bei Puls24 Montag bis Donnerstag, 20.15 Uhr, auf „Wild umstritten“ und mehr Eigenproduktion. Diese Aufstellung macht den Puls24 Newsroom zum Info-, News- und Doku-Lieferanten der Gruppe. So ist Puls24 auch wirtschaftlich gut darstellbar. 

Aber wer sieht’s?

Breitenecker: Puls24 ist der größte echte Newssender in Österreich. In Relation zur Bevölkerung hat CNN in den USA deutlich weniger Zuschauer in der Prime-Time als Puls24 in Österreich.

Ist der Markt nicht, so lassen die Quoten für Newssender in Österreich vermuten, zu klein? Es gibt ja auch noch andere. Lohnt sich der Aufwand?

Milborn: News-Sender haben international eine Benchmark von einem Prozent Marktanteil. Das und mehr erreicht Puls24 inzwischen immer öfter. Es schauen jeden Tag ungefähr 250.000 Menschen zu. Je nach Nachrichtenlagen waren es auch schon 300.000 allein auf Puls24. Dazu kommen auch noch all unsere anderen Angebote. Wir sind also nach dem ORF die zweitwichtigste Nachrichtenquelle des Landes. Aus meiner Sicht lohnt es sich total, all diese Menschen fundiert zu informieren. Ich weiß nicht, ob irgendjemand sonst noch einen solchen Sender in Österreich auf die grüne Wiese stellen würde - da bräuchte es eine ziemliche Anschubfinanzierung. Und noch ein Wort zur Förderung: Es ist gut, dass es sie gibt, sie finanziert bei uns ein Mehr an Qualität und Vielfalt. Eine gut aufgestellte Förderung, die seriös organisiert ist und auch unabhängig kuratiert wird, tut etwas Gutes für dieses Land und für unsere Demokratie. Wir würden aber im Sender nie Entscheidungen treffen, nur um Förderungen zu optimieren.

Und nun zum Sport: ProSiebenSat.1Puls4 hat hier kräftig investiert. Ihr könnt ab der nächsten Saison Spiele der UEFA Europa- bzw. Conference League sowie Highlights der Champions League zeigen. 

Breitenecker: Zur DNA unseres Unternehmens gehören der Public Value- und Informationsbereich, der Entertainment-Bereich mit Shows, Eigenproduktionen, Fiction und eben auch der Sport. Ich bin sehr froh darüber, dass Puls4 nun der einzige Free-TV-Sender in Österreich ist, der UEFA-Klubfußball-Bewerbe in nächsten drei Jahren zeigen wird. Damit ist der Sender auch groß geworden. Auch Puls24 wird weiterhin eine Reihe von Sportarten zeigen können. Das ist und bleibt unsere Strategie.

Milborn: Auf Puls24 liefert die Sportredaktion ohnehin täglich das Neueste vom Sport und Analysen, das startet schon in der Früh in „Cafe Puls“ mit aktuellen Sport-Berichte. Einen großen Stellenwert hat zudem die Wetter- und Klima-Berichterstattung, die Redaktion leitet als studierter Meteorologe Manuel Kelemen.

Aktionismus oder doch nicht

Klima ist zurecht ein großes Thema in der allgemeinen Berichterstattung geworden. Was setzt Ihr hier Schwerpunkte?

Milborn: Das Thema strahlt auf alles aus. Im journalistischen Alltag ist es ja so, dass sich Themen aufdrängen, weil sie aktuell und offenkundig wichtig sind. Und dann gibt es immer wieder Sachen, bei denen man sich fragt, macht man sie oder nicht? Als Richtschnur dafür haben wir für uns die Nachhaltigkeitsziele der UNO genommen. Da haben wir uns ein paar Dinge rausgepickt, weil wir meinen, dass wir da als Redaktion einen Unterschied zu anderen ausmachen: Das sind zum Beispiel Anti-Korruption und Demokratie, Flucht und Migration, natürlich auch ganz stark das Thema Klima und Naturschutz, dazu gehören weiters die Geschlechtergleichstellung und das Thema gutes Wirtschaften. Auf diese Themen achten wir besonders, quer durch den Tag und über alle unsere Sender.

Durch so einen Fokus ist man heute auch sehr leicht und sehr schnell dem Vorwurf des Aktionismus bzw. aktivistischen Journalismus ausgesetzt.

Milborn: Das, was wir tun, ist eigentlich das Gegenteil dessen. Es ist eine Richtschnur dafür, welche Geschichten sind wichtig und welche nicht. Die redaktionelle Linie auf Puls24 ist dann, immer mehrere Meinungen zu jedem Thema anzubieten und anzufragen. Das heißt, wir haben in jeder Sendung, in jedem Beitrag nie nur eine Meinung, sondern wir achten darauf, mehrere Seiten zu beleuchten. Das machen wir, weil wir denken, dass sich unsere Zuschauer eine eigene Meinung bilden können sollen. Unsere Aufgabe dabei ist es, ihnen die Werkzeuge in die Hand zu geben. Deswegen gibt es jetzt zum Beispiel auch die neue Sendung im Puls24-Hauptabend „Wild umstritten“ mit drei Gästen und drei Themen des Tages. Anders als auf den Social-Media-Kanälen bekommt man hier keinen Spin mit, der natürlich eine einzige Sicht auf die Welt vermittelt. Man hat hier die Möglichkeit, die Perspektive zu erweitern und über den Tellerrand zu blicken. Das ist wichtig. Wir haben in den letzten Jahren nicht nur einmal gesehen, wie schädlich die extreme Blasen-Bildung für den Zusammenhalt und den Diskurs in einer Gesellschaft sein kann. Das ist vielleicht sogar eine der wichtigsten Aufgaben solcher Fernsehdiskussionen und Fernsehsender. Das heißt, wir predigen nicht, wir haben keine einzige Sendung, in der gesagt wir, so oder so müsse man die Dinge sehen. Das unterscheidet uns etwa auch von vielen Tageszeitungen, in denen der Leitartikel eine Haltung vorgibt. Wir bieten die wichtigsten Themen und die wesentlichen Sichtweisen darauf.

Eine Mittelschülerin mit migrantischen Hintergrund wurde Ziel von Waldhäusl-Attacke in "Pro & Contra"

© Bild: Puls24

Kommentare sind ja durchaus wichtig für Wertung und Einordnung von Themen. Habt ihr gar keine?

Milborn: Wir haben online viele Kommentare, aber keinen der vorgibt, wie man die Welt sehen muss, so wie es andere tun. Beim Parteimedien gibt es ganz klar nur eine Sichtweise, die den Konsumenten vorgeschrieben wird. Wir halten unsere Zuseher für mündig. Wir haben dabei aber einen grundsätzlicheren Zugang als andere. Beispielsweise geben wir jemanden, der den Klimawandel komplett leugnet, dann nicht die gleiche Plattform. Die Grenzen sind da die Erkenntnisse der anerkannten Wissenschaft. Jemanden, der sagt, man muss die Genfer Flüchtlingskonvention ganz abschaffen und damit meint, dass es für Menschen von außerhalb Europas die Menschenrechte nicht gelten, würden wir nicht gleichwertig in einer Experten-Runde Platz einräumen. Wenn diese Meinung in einer politischen Diskussion vorkommt, dann ist das eben ein Standpunkt in der politischen Diskussion. Das müssen dann die Zuseher für sich bewerten.

Breitenecker: Zusammengefasst lautet unser redaktionelles Motto: „Wir beleuchten beide Seiten.“

So wie das der niederösterreichische Blaue Waldhäusl gemacht hat, als er Schülerinnen mit Migrationshintergrund in „Pro und Contra“ beschimpft hat?  

Milborn: Nein. Rassismus ist keine Meinung, die bei uns Platz hat. Ob die Aussage den Strafbestand der Verhetzung erfüllt, werden Behörden entscheiden - dass sie rassistisch ist, weiß man auch so:  Wer Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft über biologische Abstammung definiert - und das über Generationen - bewegt sich nah am Konzept des Ariernachweises der Nationalsozialisten. Deshalb wurde die Aussage auch sofort zurückgewiesen und mit den Schülerinnen nachbesprochen. Wir kommentieren die Aussagen von Gästen in pro und contra normalerweise nicht, dazu ist das jeweilige Gegenüber da. Aber diesen Fall habe ich im TV und schriftlich kommentiert. 

In Österreich warten wir auf die große Entscheidung der Medien-Politik: Was passiert mit den Rundfunkgebühren? Die Grünen wollen mehr Geld für den ORF, die ÖVP sagt, dem Vernehmen nach, es soll massiv weniger geben - statt etwa 740 Millionen wie im ORF-Finanzplan für 2024 veranschlagt nur mehr 500 Millionen, also sogar weniger als jetzt. Wie sieht das einer der wichtigsten Marktteilnehmer im Land?

Breitenecker: Uns kommt das Geld ja nicht zugute, deshalb nehmen wir jetzt auch nicht dazu Stellung. Wir fokussieren uns derzeit vor allem stark auf uns und auf unsere Userinnen und User und bauen unser Public-Value-Angebot aus. Beispielsweise haben wir jetzt, nach Beendigung der Auflagen der Wettbewerbsbehörde im Zuge des Kaufs von ATV, einen neuen Puls24-Newsroom gestartet. Es gibt neue Sendungen, es gibt einen neuen Puls24-Hauptabend und einiges mehr. Aber ob der ORF aus dem Budget oder durch eine Haushaltsabgabe finanziert werden soll, liegt derzeit gar nicht in unserem Fokus.

Das sind ungewohnte Töne von einem über Jahre sehr prononcierten ORF-Kritiker. Was hat sich geändert?

Breitenecker: Seit etwa 2018, seit Corinna Milborn und ich das Buch „Change The Game“ geschrieben haben, gehen wir anders an diese Dinge heran. Wir haben darin als Grundsatz „Kooperation statt Konkurrenz unter den heimischen Medien“ formuliert. Die Beschäftigung mit der Konkurrenz sehen wir viel mehr unter dem Aspekt, wie wir österreichischen Sender mit Public Value und mit Qualitätsjournalismus den Social Media- und Streaming-Giganten aus China und Amerika gutes heimisches Programm entgegensetzen können.

Milborn: Und die sind ja die tatsächliche Konkurrenz bei unseren Seherinnen und Sehern. Wir treten nicht gegen andere heimische Fernsehsender an, sondern gegen die Info-Blasen auf Facebook, Twitter und gegen die Telegram-Gruppen und jene auf TikTok an.

Unabhängigkeit als höchstes Gut

Medienpolitik ist für Euch jedenfalls insofern wichtig, weil es da auch um Förderungen geht. Die Puls4-ATV-Gruppe hat zuletzt über die Förderung der Privatsender sowie zur digitalen Transformation um die 5 Millionen bekommen. Mit Information, so heißt es aber auch, kann man kein Geld verdienen - stimmt da die Relation von Einsatz von Eurer Seite sowie Förderung einerseits und den ORF-Gebühren andererseits? Und wozu überhaupt das Engagement, wenn es bloß kostet?

Breitenecker: Ich meine, das höchste Gut für ein Medienunternehmen, das redaktionelle Spitzenleistungen erbringen will und erbringt, ist Unabhängigkeit. Unabhängigkeit – und das gehört zu unserer liberalen Grundausrichtung – bedeutet auch Unabhängigkeit vom Staat. Deshalb ist unsere Herangehensweise nicht die, ständig mehr Geld vom Staat zu fordern. Wir wollen am Markt bestehen und nicht dauernd über neue Förderungen, Gebühren, Inserate verhandeln oder sonst wie an öffentliche Gelder kommen. Wir haben mittlerweile eine sehr große, wohl eine der größten privat finanzierten News-Redaktionen in Österreich. Wir wollen das aus dem Markt heraus finanzieren. Natürlich ist eine Privatrundfunk-Förderung wichtig und notwendig und je unabhängiger sie von der Politik und vom Staat organisiert und vergeben wird, desto besser ist das.

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten wie jetzt ist viel die Rede von Synergien. In Eurem deutschen Mutterkonzern, der ProSiebenSat.1-Gruppe, gibt es eine Neuaufstellung der Information - ist ein Austausch von Programmen geplant?

Breitenecker: Das war in Deutschland eine sehr gute Entscheidung, die Nachrichten wieder im eigenen Haus zu produzieren. Das hatte zwischendurch Springer gemacht. Für uns ist es natürlich gut, weil wir Zugriff auf ein großes Korrespondentennetz in Deutschland und auch weltweit bekommen, wobei wir uns da auch auf CNN usw. stützen können. Nachrichten sind zwar vor allem einmal lokal, aber Beiträge oder auch Korrespondentenberichte, die wir nun übernehmen können, werten unsere News natürlich weiter auf.

Sie beide haben publizistisch erarbeitet, was die GAFAs, also Google, Facebook und Co, an Einfluss auf Gesellschaft und Markt haben und den Schaden, der daraus resultiert. Als Medienunternehmen ist man ja quasi Konkurrent und Kunde gleichzeitig. Denn das bietet viele Möglichkeiten zur Bewerbung oder auch zum Teilen eigener Inhalte. Wie geht der Konzern damit um?

Breitenecker:  Also wir konzentrieren uns auf unsere Plattformen und verwenden Social-Media als Kommunikations- und Marketing-Tool. Aber wir wollen, dass unsere Sendungen und unsere Inhalte primär natürlich auf unseren Plattformen angeboten werden.

Das heißt, ihr macht keinen eigenen Content für beispielsweise Tiktok oder spezielle Clips für Facebook oder Instagram?

Milborn: Es wird Information verbreitet, jedoch weder eigener Content für Social Media-Kanäle produziert. Das resultiert auch aus dem Umfeld, dass es dort gibt. Das wollen wir nicht auch noch unterstützen.

Haben sie als Medienmanager nicht Sorge, dass dadurch ein potenzieller, junger Markt verschlossen bleibt? Auch ein ORF, durch Gebühren finanziert, produziert eigene Social-Media-Inhalte. Wie schaut da die Abwägung des Managers aus?

Breitenecker: Wenn man das Gesamtunternehmen betrachtet, dann ist unsere Strategie, dass wir am „Big Screen“ stark sein wollen auf ZAPPN. Da ist das große Thema Streaming. Hier wollen wir auf unserer Plattform unsere Inhalte anbieten und natürlich inkludiert das unsere News. Deshalb stecken wir so viel an Ressourcen in diesen Bereich. Das macht ja auch den großen Unterschied zu Prime, Netflix oder YouTube aus. Dort gibt es weder österreichische News noch österreichisches Entertainment. Wir fokussieren auf Streaming und Online-Video, Social Media nutzen wir lediglich als Kommunikations- und Marketing-Plattform.

Milborn: Ich finde es gut, wenn man auf Social Media erfährt, dass es eine seriöse Nachrichtenquelle wie etwa Puls24 gibt. Das zeigen wir dort mit Ausschnitten und Sendungshinweisen und das ist wichtig. Aber ich würde zum Beispiel keine ganzen Beiträge von uns in einem Stream haben wollen, in dem sie vermischt sind mit Verschwörungstheorien, russischer Propaganda und Parteien-PR. Das würde da quasi gleichwertig neben den anderen stehen, obwohl es das ganz klar nicht ist. Und dafür müsste ich aus der Redaktion auch noch Ressourcen abziehen. Ich will da jetzt nicht über den ORF reden, es sollen das andere halten, wie sie wollen. Ich finde das jedenfalls nicht richtig. Wir bieten auf unseren eigenen Plattformen Geschichten in einem Qualitätsjournalismus-Umfeld, bei dem man sich darauf verlassen kann, dass auch die nächsten Geschichten und die folgenden ebenfalls richtig sind und sie stehen eben nicht gleichwertig neben Verschwörungstheorien. Wichtig finde ich aber, den Leuten in ihren Blasen da und dort einen Weg zu zeigen, wo sie sauber recherchierte News finden können - oder auch gute Unterhaltung. Die gibt es bei uns ja auch.

Berlusconis Avancen

Der Schlüssel für Eure Streaming-Zukunft ist Zappn. Das ist ein völlig anderes Prinzip als Joyn, die Plattform Eures Mutterkonzern. Was soll kommen? Gibt es vielleicht ein Zusammenwachsen? Was ist geplant?

Breitenecker: Wir wollen und werden Zappn weiter ausbauen als österreichische Streaming-Plattform mit vielen österreichischen Inhalten im Livestream und on demand. Da sind ja nicht nur unsere österreichischen und deutschen Sender drauf, sondern auch z. B. ServusTV und manch Überraschendes. Wenn die Parteien eine lustige Medien-Debatte führen, ob eine Parlamentsübertragung auf ORFIII genügt oder auf ORF2 auch sein muss, dann ignorieren sie, dass es nicht nur diese beiden Sender gibt, sondern Parlaments-TV auf Zappn gestreamt wird und auch Puls24 überträgt. Also, wir arbeiten daran, dass Zappn möglichst gut funktioniert und wollen das Angebot dort weiter ausbauen.

Silvio Berlusconis Einstieg bei eurem Mutterkonzern wurde nun erneut vertagt. Auch da spielte ja die österreichische Wettbewerbsbehörde wieder eine Rolle. Wie bewertet Ihr hier das Tauziehen um eine Aufstockung der Anteile über den Umweg Wien?

Breitenecker: Für uns ist vor allem die redaktionelle Unabhängigkeit wichtig. Ich habe in den vergangenen 25 Jahren schon so viele Eigentümerwechsel und Gesellschafter erlebt, begonnen bei Kirch über Saban, KKR, Permira, Streubesitz und und und. Ich kann behaupten, bei uns hat noch nie ein Eigentümer nachgefragt, was wir hier redaktionell genau machen, geschweige denn, dass jemand irgendwie hineinregiert oder interveniert hätte.

Milborn: Ich bin seit über zehn Jahren hier und hatte diesbezüglich noch nie mit Eigentümer-Vertretern zu tun gehabt. Und das wird sich auch nicht ändern.

Und der Besuch des neuen Group-CEOs Bert Habets vorige Woche war ein friedlicher?

Breitenecker: Dieser Besuch war wirklich sehr, sehr ermutigend und erfrischend. Der neue Vorstandsvorsitzende hat sich sehr genau informiert und alles genau angeschaut und es hat gute Inputs gegeben. Also wir wissen, wir werden unterstützt, wo wir es brauchen und wir können redaktionell unabhängig arbeiten, so wie es notwendig ist.

In diesen schwierigen Zeiten wird es aber auch wirtschaftlichen Druck auf Euch als Sender-Vermarkter geben? Ihr müsst ja Geld verdienen.

Breitenecker: Logischerweise muss ein privates Unternehmen effizient arbeiten und erfolgreich agieren. Das gelingt über einen möglichst guten Zuschauer-Erfolg und damit einhergehend gute Werbeeinnahmen, sodass wir diesen doch schon recht großen Aufwand, den wir hier für österreichische Inhalte betreiben, gut finanzieren können. Natürlich ist es das Ziel, wirtschaftlich möglichst erfolgreich zu arbeiten. Und wenn ich recht informiert bin, sind wir vermutlich die Einzigen, die TV-Sender in Österreich profitabel betreiben.

Milborn: Worauf ich sehr stolz bin und worüber ich sehr glücklich bin ist, dass das Ende der Auflagen der Wettbewerbsbehörde nicht dafür genutzt worden ist, Stellen zu streichen. Es werden die schon bisher vorhandenen Ressourcen vielmehr dafür genutzt, mehr Public Value zu produzieren. Das, so viel wage ich zu behaupten, hätten die wenigsten privaten Unternehmen so gemacht. Das ist auch ein Zeichen dafür, wie wichtig es uns ist und wie ernst wir es meinen, die wichtigste Informations- und News-Alternative in Österreich zu sein.

Der wirtschaftliche Ausblick auf das heurige Jahr? Es herrscht Pessimismus überall.

Milborn: Das ganze letzte Jahr war von Pessimismus geprägt in unserer Branche und überhaupt in der Wirtschaft. Trotzdem: Der Konjunktureinbruch, die Rezession, davon ist 2022 nichts wahrgeworden. Das ist ein interessantes Phänomen. Es ist ein Strohhalm, aber meine große Hoffnung ist, dass es so weitergeht. Auch 2023.

Danke für das Gespräch.

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