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OÖN-Kritik zur Klassischen Klangwolke

Die Sicht auf ein Werk ändert sich mit den Jahren. Nicht nur bei den Aufführenden, auch beim Komponisten. Am deutlichsten ist das vielleicht bei der 1. Symphonie Anton Bruckners zu sehen, die am Samstag im Rahmen des Brucknerfests als „Klassische Klangwolke“ von der Prague Philharmonia (früher Prazská komorní filharmonie, Prager Kammerphilharmonie) unter Eugene Tzigane aufgeführt wurde. Denn hier hat Bruckner sein Erstlingswerk, das in dieser Fassung tatsächlich das „kecke Beserl“ ist, nicht zu seinem Besten verändert.

„Wiener Fassung“: Frische fehlt

Gerade diese Retuschen, die an manchen Stellen sinnverändernd in die Faktur eingreifen, hat Eugene Tzigane fast notengetreu umgesetzt und dem Werk damit jene Frische genommen, die es einmal hatte. Ein Beispiel: Bruckner reduziert in der sogenannten „Wiener Fassung“ das Tempo des Seitenthemas im Finale mit dem Zusatz „langsamer“. In der ursprünglichen „Linzer Fassung“ hat diese Melodie das „bewegt, feurig“-Tempo. Tzigane hat „langsamer“ zudem übertrieben interpretiert und ein ursprünglich durch die Trillerfigur keckes Motiv auf beinahe das halbe Tempo heruntergebremst. Es geriet somit zu einem statischen Block.

Klassische Klangwolke
Klassische Klangwolke
Virtuos: Geigen-Solistin Chouchane Siranossian

Bild: Reinhard Winkler

Zusätzlich hat Tzigane das Blech, dabei vor allem die Hörner, zum Parforceritt antreten lassen, was einerseits intonationsmäßig und des kalten, scharfen Klangs wegen nicht immer Freude bereitete und andererseits die oft wichtigeren Passagen der Streicher massiv zudeckte. Es entstand eine Balance, die zwar aus der Partitur ableitbar sein mag, aber nicht der Idee des Werkes entspricht. Somit war diese Erste Bruckners ein eigenartig schroffes Hybridwesen, das sich – und das ist Bruckners eigenem Handanlegen zuzuschreiben – durch die Retusche moderner geben mag, als es der musikalische Gehalt eigentlich ist.

Fein hingegen haben die Gäste aus Prag Gottfried von Einems „Bruckner Dialog“ op. 39, der 1974 bei der Eröffnungsfeier des Brucknerhauses uraufgeführt wurde, intoniert und bestens interpretiert. Das Prager Orchester erwies sich außerdem als idealer Begleiter für Chouchane Siranossian, jener französisch-schweizerischen Geigerin mit armenischen Wurzeln, die als Spezialistin für Alte Musik stets an Neuem interessiert ist. So auch am 1932 entstandenen Violinkonzert von Richard Wetz, das vor allem formal ungewöhnliche Wege geht. Die Grundstimmung des h-Moll-Konzerts ist düster und vom Tempo her ruhig, obwohl es immer wieder markante Ausbrüche gibt. Ein Werk, das sich nicht wirklich im Repertoire halten kann, aber sich durch eine derart intensiv musizierende Solistin zu einem beeindruckenden Kosmos reanimieren lässt. Siranossian überzeugte mit großem, aber schlank gehaltenem Ton und einer intensiven Lesart des anspruchsvollen Violinparts, der interpretatorische Vielseitigkeit verlangt.

Fazit: Eine Klangwolke nur im Saal mit eigenwilligem Programm und nicht minder eigenwilliger Interpretation.

Klassische Klangwolke
Klassische Klangwolke

Bild: Reinhard Winkler