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Wiens Opernzank und seine medialen Blüten [premium]

Was wir zwischen den Zeilen über Führungskultur und die Zukunft unserer Staatsoper erfahren.

Das ist mehr als ein Sturm im Wasserglas: Der Musikdirektor der Wiener Staatsoper, Philippe Jordan, hat ein Zeitungsinterview gegeben, in dem er ganz grundsätzlich über die Exzesse des Regietheaters in den internationalen Opernhäusern spricht und über seinen Entschluss, angesichts des Überhandnehmens der unerträglichen, werkfeindlichen Inszenierung seine Tätigkeit als Operndirigent künftig einzuschränken.

Der Direktor der Staatsoper, Bogdan Roščić, griff seinen Musikchef daraufhin an, als hätte der ihn persönlich kritisiert. In der wichtigsten Nachrichtensendung des ORF, der „ZiB 1“, ließ er wissen, er hätte Jordans Vertrag ohnehin nicht verlängert.

Pikanterie am Rande: Jordan war von Roščić zuvor empfohlen worden, nicht mit dem ORF zu sprechen! Er selbst wolle es ebenso halten. Der ORF aber sendete ein Statement des Direktors auch einen Tag später noch im Ö1-„Mittagsjournal“ und legte noch nach, indem ein Kommentator auf ORF III meinte: Philippe Jordan möge sich besser gleich zurückziehen, denn auch das Staatsopern-Orchester, vulgo: die Philharmoniker, stünden nicht hinter ihm. Da sei es besser, ein Ende mit Schrecken als einen Schrecken ohne Ende zu inszenieren.

„Dirigentchen“

Jordan wurde vom ORF nicht befragt. In der Zwischenzeit hatte der Chefredakteur der halb offiziellen, unter anderem von den Bundestheatern mitfinanzierten Zeitschrift „Die Bühne“, ein Roščić-Kollege aus Ö3-Zeiten, einen Kommentar im Internet veröffentlicht, in dem er Philippe Jordan frontal attackierte und als „Dirigentchen“ bezeichnete.

Dieser Kommentar wurde bald darauf vom Netz genommen, hat aber in der Zwischenzeit ebenso viel Staub aufgewirbelt wie die TV-„Analyse“ mit ihrer unverhohlenen Rücktrittsaufforderung an den Dirigenten, inklusive der Ankündigung, Franz Welser-Möst, Jordans Vorgänger, der einst sein Haus ohne viel Federlesens im Regen stehen ließ, stünde nun als Retter bereit . . .

Jordan betonte inzwischen noch einmal, mit keinem Wort die Staatsoper oder deren Führung kritisiert, sondern allgemein über die Zukunft des Opern-Business philosophiert zu haben. Eine Zukunft, an der mitzuwirken er wenig Lust verspürt. Nach 2025. Die Proben für die kommende „Meistersinger“-Produktion werde er freilich vereinbarungsgemäß aufnehmen.

Was sie für ein „Ende mit Schrecken“ hielten, erläutern indessen die Leserbriefschreiber, die sämtlich Jordan beipflichten und befürchten, Roščić' Attacken würden lediglich signalisieren, in welche Richtung die Staatsoper bis 2030 gesteuert werden soll. Die Frage steht im Raum: Hat Wiens Kulturpolitik den falschen Vertrag verlängert?

E-Mails: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com