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Nachruf auf Yusuf al-Qaradawi: Er war ein Popstar und Terrorpate der Islamisten

Nachruf auf Yusuf al-Qaradawi Er war ein Popstar und Terrorpate der Islamisten

Yusuf al-Qaradawi, einer der prominentesten Gelehrten der islamischen Welt, ist tot. Er nutzte seine Fernsehshow, um für seine Idee eines arabischen Grossreiches zu werben. In Ägypten war er zum Tode verurteilt.

Im Sender al-Jazeera hatte er eine eigene religiöse Sendung und erreichte damit weltweit ein Millionenpublikum: Yusuf al-Qaradawi.

Im Sender al-Jazeera hatte er eine eigene religiöse Sendung und erreichte damit weltweit ein Millionenpublikum: Yusuf al-Qaradawi.

Foto: Keystone

Theologe, Vordenker, Popstar der Gläubigen. Die vielen Bezeichnungen für Yusuf al-Qaradawi in arabischen Medien nach seinem Tod zeigen, wie viele Rollen der TV-Theologe im Laufe seines Lebens innehatte. Alles begann mit dem Widerstand gegen das ägyptische Regime von Gamal Abdel Nasser. Schon als junger Mann war Qaradawi wegen seiner Predigten immer wieder verhaftet worden, 2013 ging er schliesslich ins Exil nach Katar. Ein ägyptisches Gericht verurteilte ihn in Abwesenheit zum Tode. Doch mit den aufkommenden islamistischen Bewegungen und dank des katarischen Nachrichtensenders al-Jazeera folgte ihm jede Woche ein Millionenpublikum.

«Die Scharia und das Leben» hiess seine Sendung, in der es sowohl um Alltagsfragen als auch um grosse Politik ging. «Al-Qaradawi war die Stimme des politischen Islam. Seine Fatwas waren nie rein religiöser Natur, sondern entsprachen den Interessen Katars und dienten der Positionierung der Muslimbrüder», sagt der libysche Journalist Ahmed Aloumami. Kurz vor dem Aufstand gegen Libyens Staatschef Muammar al-Ghadhafi drehten die Behörden kurzerhand das Stromnetz ab, sobald Qaradawi auf Sendung ging.

Der Traum von einer Theokratie

Die Regime Nordafrikas und des Mittleren Ostens sahen in Muslimbrüdern wie Qaradawi die grösste Gefahr für ihre Macht. Ghadhafi, Ben Ali in Tunesien und Bashar al-Assad in Syrien unterdrückten mit aller Gewalt die schleichende Reislamisierung der Bevölkerung, die von al-Jazeera und anderen Satellitensendern aus den Golfstaaten propagiert wurde.

Qaradawi nutzte seine Show, um für seine Idee eines arabischen Grossreiches zu werben, das von Marokko bis in den Irak reichen sollte. Natürlich als Theokratie, ähnlich wie es auch die Ideologen des Islamischen Staates anstrebten. Gegen Homosexualität wetterte er ausgiebig, gegen Genitalverstümmelung hingegen nicht. Sein konservatives Weltbild wurde mit al-Jazeera Mainstream für Millionen und dies beinhaltete Gehorsam von Ehefrauen gegenüber ihren Männern, denen er Fremdgehen explizit erlaubte.

Feindbild Israel

Doch Qaradawis Anhänger verweisen auf seine klare Ablehnung der von al-Qaida und dem Islamischen Staat propagierten Gewalt gegen Zivilisten. Selbstmordattentate gegen Israel legitimierte er hingegen per Fatwa. Zusammen mit 50 Gelehrten aus der Region führte der Ägypter die «Union der muslimischen Rechtsgelehrten» an, die dem Staat Israel die Existenzberechtigung absprach. Qaradawis Befürwortung des Holocausts und Hassreden gegen die Königshäuser der Golfstaaten führten sogar zur politischen Isolierung Katars.

Seit 2017 galt Qaradawi in seiner Heimat, in Bahrain, Saudiarabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten als Terrorpate. «Terror, Besatzung und Widerstand» waren die Fragen, auf die Qaradawi eine Antwort finden wollte. Und er meinte damit die Verbrechen der Kolonialmächte und Israels.

Mit dem Tod von Qaradawi endet eine Ära. «Ex-Regime-Anhänger feiern seinen Tod, Islamisten trauern, und Salafisten haben gemischte Gefühle», beschreibt Ahmed Aloumami die Reaktionen in Libyen auf Yusuf al-Qaradawis Tod. «Die Salafisten beherrschen den religiösen Diskurs und lehnen die von den Muslimbrüdern betriebene Politisierung der Religion ab.»

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