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Alle Staatsgewalt geht vom Bürger aus – das gilt sogar für Berlin

Die knapp zweieinhalb Millionen wahlberechtigten Berliner Bürger dürfen am 12. Februar neu über die Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses und der Bezirksverordnetenversammlungen entscheiden. Der Verfassungsgerichtshof des Landes hatte den Weg zu dieser Wiederholungswahl bereits im November eröffnet, gegen dieses Urteil gerichtete Eilanträge wies das Bundesverfassungsgericht nun zurück.

Das ist eine gute Nachricht. Zur Erinnerung: Bei der Landtagswahl im September 2021, die zeitgleich mit der Bundestagswahl, einem Volksentscheid zu Enteignungen von großen Wohnungsunternehmen und einem die Straßen der Hauptstadt verstopfenden Marathon-Event stattgefunden hatte, gab es zahlreiche und schwerwiegende Pannen. Wahllokale waren nur mühsam zu erreichen, es fehlte an Stimmzetteln, die Wähler mussten in langen Schlangen ausharren, manche konnten ihre Stimme erst weit nach 18 Uhr abgeben, als längst die ersten Ergebnisprognosen bekannt waren.

Angesichts einer fünfstelligen Zahl betroffener Wähler sah der Verfassungsgerichtshof deshalb keine andere Möglichkeit, als die Wahl komplett wiederholen zu lassen. Eine nur punktuelle Wahlwiederholung in einzelnen Wahlkreisen sei nicht geeignet, so argumentierten die Richter zutreffend, „einen verfassungsgemäßen Zustand“ herzustellen.

Einmaliger Vorgang in der deutschen Geschichte

Die Kläger vor dem Bundesverfassungsgericht, darunter acht Mitglieder des unter diesen fragwürdigen Umständen eingesetzten Abgeordnetenhauses, sehen das anders. Sie argumentieren, nur „mandatsrelevante“ Fehler dürften korrigiert werden. Das Berliner Verfassungsgericht weiche von den strengen Wahlrechtsmaßstäben des Bundesverfassungsgerichts ab. Letzteres stimmt, liegt aber daran, dass die Berliner Pannenwahl einen bislang einmaligen Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik darstellt. Und ein neuer Sachverhalt erfordert eben neue Maßstäbe.

Wenn das Vertrauen in den ordnungsgemäßen Ablauf einer Wahl erschüttert ist, helfen kleine Korrekturen nicht mehr. Der von einer schludrigen Verwaltung angerichtete Schlamassel erfordert eine grundlegend neue Willensbildung. Dass die Wiederholungswahl im Februar nun unter dem Vorbehalt der noch ausstehenden Hauptsache-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stattfindet, ist ärgerlich – aber als das kleinere Übel hinzunehmen.

Die Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe sind Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips und deshalb nicht zu kritisieren. Aber die Kläger dürfen schon darauf hingewiesen werden, dass einer Landesregierung und einem Parlament, deren Macht auf einem mangelhaften Wahlakt beruht, die Legitimation des Souveräns fehlt.

Die Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts erging „im Namen des Volkes“. Diese Urteilsformel erinnert daran, dass alle Staatsgewalt vom Bürger ausgeht. Selten war es wichtiger als nach der Berliner Skandalwahl, dass Politiker und Verwaltung sich darauf besinnen.

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