Angela Merkel zeigte sich zuletzt von ihrer ungewohnten Seite. Insbesondere auf Pressekonferenzen gab die Kanzlerin ein Bild ab, das man so nicht von ihr kannte. Muss man sich Sorgen machen?
Berlin - Am 22. November feierte Angela Merkel ein besonderes Jubiläum. An diesem Tag vor 15 Jahren wurde die CDU-Politikerin als Bundeskanzlerin* vereidigt. Es gibt immer mehr Menschen im Land, die keine andere Regierungschefin kennen als die 66-Jährige. Gegen Ende ihrer vierten Amtszeit steht Merkel nun vor besonderen Herausforderungen.
Angela Merkel: Zustimmung für Kanzlerin weiterhin gegeben
Die Corona-Pandemie zeichnet das Jahr 2020 maßgeblich. Die Regierung stand - insbesondere im Frühjahr und jetzt - vor wichtigen Entscheidungen. Die Bevölkerung vertraut bislang auf die Arbeit von Merkel und den Ministerpräsidenten. Im aktuellen ZDF-Politbarometer vom 13. November gehen 85 Prozent der Befragten davon aus, Deutschland komme in den nächsten Monaten eher gut durch die Pandemie. Bei den Zustimmungswerten der wichtigsten Politiker des Landes steht Merkel zudem weiterhin als beste da.
Die Zustimmungswerte der Bundesregierung befinden sich momentan auf einem sehr hohen Niveau. Die Deutschen scheinen mit der Pandemiebewältigung der Großen Koalition zufrieden.
© Screenshot ZDF
Trotz aktuellen Demonstrationen gegen die Regierung um Merkel scheint der Rückhalt in der Bevölkerung insgesamt nach wie vor gegeben. Dennoch wirkt die Bundeskanzlerin in den letzten Wochen etwas verändert. Geht der 66-Jährigen die Kraft aus? Vor einigen Wochen wies sie eine entsprechende Journalistenfrage noch entschieden zurück. Wie würde die Kanzlerin reagieren, wenn man sie heute auf ihren Gemütszustand anspricht?
Angela Merkel: CDU-Politikerin wirkt unerwartet müde: Geht der „Corona-Kanzlerin“ die Luft aus?
Kontinuierlich informiert die Regierungschefin über das aktuelle Pandemiegeschehen* und die daraus resultierenden Maßnahmen. Sei es in ihrem persönlichen Podcast oder auf den mittlerweile unzähligen Pressekonferenzen. Nach ellenlangen - und bei weitem nicht leichten - Verhandlungen mit den Ministerpräsidenten steht Merkel Rede und Antwort und erklärt die neuen Veränderungen. In der Vergangenheit tat sie das stets besonnen, nüchtern und souverän.
Seit dem Herbst und dem erneuten Anstieg der Infektionszahlen wirkt die Kanzlerin allerdings etwas erschöpft. Mittlerweile kann es schon einmal vorkommen, dass sich Merkel verhaspelt* oder ihr - wie zuletzt am Mittwoch - ein Wort nicht einfällt. Was es denn nun für Kindern an Schulen zu beachten gebe? Die Maßnahmen beinhalten, erklärte Merkel auf der Pressekonferenz, das Maskentragen, das Abstandhalten und ... „Eins fehlt mir gerade nach den vielen Stunden“, gibt sie offen zu, um kurz darauf „Hygieneregeln“ zugeflüstert zu bekommen. „Ja richtig, dankeschön.“ Typisch sind solche kleinen Fehler nicht. Sie fallen also auf.
Angela Merkel: Während Verhandlungen „seit mehr als einer Stunde kein Wort mehr von sich gegeben“
Während die Corona-Zahlen stiegen, wurde der politische Ton rauer. Die vorvergangene Bund-Länder-Sitzung endete weitestgehend ergebnislos. Die von Merkel ins Spiel gebrachte Ein-Kontakt-Beschränkung wurde verworfen und habe laut der Kanzlerin auch „zurecht zu Kritik geführt.“ Am Mittwoch nun dauerten die Verhandlungen erneut mehr als sieben Stunden. Immerhin herrscht jetzt Klarheit über die Maßnahmen an Weihnachten und Silvester. Nichtsdestotrotz entwickeln sich die Bund-Länder-Gipfel zu einer politischen Zerreißprobe und zehren an der Kanzlerin.
Am Mittwoch berief Merkel nach einigen Stunden eine 15-minütige Pause ein. Um die Köpfe frei zu kriegen. Sicherlich sinnvoll, gleichzeitig aber auch ein Novum. Insgesamt verlief der Bund-Länder-Gipfel besser als der vergangene. Am Ende des Tages haben die Verhandlungen aber nicht nur angepasste Veränderungen, sondern auch persönliche Spuren bei Angela Merkel hinterlassen. Zwischenzeitlich habe sie „seit mehr als einer Stunde kein Wort mehr von sich gegeben“, berichtete ein Gipfel-Teilnehmer der Bild.
Angela Merkel: „Geduld, Solidarität, Disziplin werden noch einmal auf eine harte Probe gestellt“
Alles in allem sollte man das Verhalten der Kanzlerin nicht überbewerten. Letztlich nagt die seit nunmehr neun Monaten andauernde Pandemie auch an der Regierungschefin. Da geht es ihr nicht anders, wie einigen Teilen der Bevölkerung. Im ZDF-Politbarometer gaben zwölf beziehungsweise 35 Prozent der Befragten an, Corona belaste sie „sehr stark“ respektive „stark“.
Auch wenn die Mehrheit offenbar gut mit der Pandemie klarkommt: Es gibt nach wie vor einige Menschen, denen Corona zu schaffen macht.
© Screenshot ZDF
Insgesamt steht Merkel vor einer kniffligen Situation. Schon jetzt ist sie als „Corona-Kanzlerin“ in die Geschichte eingegangen. Längst ist allerdings klar, dass die CDU-Politikerin bei der nächsten Bundestagswahl nicht mehr kandidieren wird. Ob die Pandemie da schon bekämpft ist, Frau Merkel? „Geduld, Solidarität, Disziplin werden noch einmal auf eine harte Probe gestellt“ - selbiges gilt wohl auch für die Gemütslage der Kanzlerin. (as) *Merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks