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Aus der Schmoll-Ecke: Nach Rock gegen Rechts kommt nun Singen gegen Rechts

Mobbing, Alkohol, Wutausbrüche und Sex am Arbeitsplatz? Die Alternative für Durchgeknallte bei 18 Prozent? Wo gibt's denn so was?! Gar hier in Deutschland, dem vorbildlichsten Land aller Zeiten und Welten? Da hilft nur, öfter die Nationalhymne zu singen.

Gleich zur Beruhigung damit Sie, geschätzte Damen (und Herren), beruhigt weiterlesen können: Die After-Kolumne-fertig-geschrieben-Party, die ich gewöhnlich mit mir selbst feiere, habe ich abgesagt, um sicherzugehen, dass ich (nicht weiter) in Verruf gerate und Frauenministerin Lisa Paus, eine Grün*in durch und durch, mir kein Awareness-Team vorbeischicken muss. Auch wenn die Unschuldsvermutung neuerdings nur noch die Hälfte wert ist, betone ich: Gegen mich erhobene Vorwürfe dieser oder jener Art sind ausnahmslos unwahr. Behaupten Sie trotzdem gerne weiter über mich, was Sie wollen, einen Medienanwalt kann ich mir sowieso nicht leisten, außerdem regen mich nicht mal mehr die Goebbels-Nazi-Stasi-Schnitzler-Vergleiche auf.

Lesungen im Olympiastadion halte ich momentan sowieso nicht ab. Und wenn doch, handelt es sich um eine Privatveranstaltung wiederum nur mit mir selbst und leerer "Nullter Reihe". Die Kolumnenbranche ist wie der gesamte restliche journalistische Betrieb - Julian Reichelt ist bekanntlich aussortiert worden und vögelt schon länger nicht mehr unter der schützenden Obhut von Matze Döpfner - nicht so abgefuckt wie die Musik- und die Filmindustrie mit all den saufenden Regisseuren und rammelnden Sängern. Mutmaßlichen (!!!) Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe gab es nur bei "Bild" unter besagtem Reichelt, sonst waren und sind sämtliche Redaktionen dieser Republik ein Hort der Gleichberechtigung und Harmonie.

Glauben Sie es mir, das ist so sicher, wie es einst die deutschen Atomkraftwerke waren. Die Film- und Musikindustrien sind völlig anders, nämlich voller Exzesse. "Beschimpfungen, Wutausbrüche und Trunkenheit - das alles soll an den Filmsets von Til Schweiger die Regel gewesen sein", schrieb ein relativ bekanntes Magazin mit Sitz in Hamburg, wo - hier lassen wir das mutmaßlich weg! - Beschimpfungen, Wutausbrüche und Trunkenheit noch nie vorkamen, weshalb die Verweildauer der Chefredakteure weltweit einmalig hoch ist. Mobbing, Alkohol und Tobsuchtsanfälle am Arbeitsplatz? Wo gibt es denn so was?! Gar hier in Deutschland, dem vorbildlichsten Land aller Zeiten und Welten? Das ist ja ein (Un-)Ding!

Doppelschichten für Awareness-Teams

Zum Glück sind die Grünen an der Regierung und bringen das wieder in Ordnung. Für alle, die es nicht wissen: Das ist die Partei, die stets vor Pauschalurteilen warnt, zum Beispiel wenn Menschen mit Migrationsvorder- und -hintergrund an Silvester mutmaßlich (!!!) Polizisten genervt haben. Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und die Neubewertung der Geschichte Preußens, stellte jüngst fest: "Die Kultur- und Medienbranche ist aufgrund ihrer Struktur offenkundig anfällig für Machtmissbrauch, für sexualisierte Übergriffe und auch für den Verstoß gegen Arbeitsschutzregeln." Klingt nach einem Pauschalurteil - und ist es auch. Überall nur Reichelts und Schweigers, die mutmaßlich (!!!) dieses und jenes tun oder getan haben - oder vielleicht auch nicht, wer weiß das schon?

Fest steht nur: Deutschland ist außer Rand und Band. Falls man "Band" noch sagen darf, jetzt, wo wir wissen, dass es Bands - fast acht Jahrzehnte nach der Geburt von Uschi Obermaier - mit Musikern gibt, die mutmaßlich (!!!) unanständig sind. Da zeigt die Politik, dass sie schnell reagieren kann. Die oben schon erwähnte Frau Paus, als Bundesministerin für die Randgruppen Familie, Senioren, Frauen und Jugend verantwortlich, schlägt umgehend Awareness-Teams in Konzerten vor. Awareness (Wahrnehmung oder Bewusstsein) kann auch mit Bewusstseinsbildung übersetzt werden.

Wunderbare Idee. Dann könnten nämlich Awareness-Teams, die tagsüber in Wohnungen gehen und nachschauen, wie es um das Klimaschutz-Heiz-Bewusstsein der Leute steht, sich abends noch ein paar Euro hinzuverdienen, um Vorwürfen mutmaßlicher (!!) sexueller Übergriffe in Konzerten nachzugehen. Hoffen wir nur, dass die Awareness-Teams aus Menschen mit tadellosem Führungszeugnis bestehen, damit sie die Situation nicht ausnutzen.

Gesungener Patriotismus

Frau Paus schlägt zudem Schutzbereiche für Frauen in Konzerten vor. Das Konzept könnten wir dann auch wieder auf Gottesdienste ausweiten, wo früher Männer und Frauen getrennt gen Himmel beteten, um eine zu große körperliche Nähe zu vermeiden, damit die Sünde keine Chance hat. Oder auf Parteitagen, wo ja auch gesungen wird, zum Beispiel die Nationalhymne, die die Christdemokraten bekanntlich wieder öfters trillern wollen, damit die Alternative für Durchgeknallte, die "Deutschland. Aber normal" anstrebt, unter 18 Prozent rutscht. Nach Rock gegen Rechts kommt nun Singen gegen Rechts - eine Awareness-Idee des CDU-Awareness-Beauftragten Philipp Amthor - ein, um es musikalisch auszudrücken, Kontrapunkt zum rechten Zeitgeist.

Friedrich Merz, der Erfinder der Awareness, hat gleich mal einen Antrag in den Bundestag eingebracht, in dem festgestellt wird: "Jeder Staat benötigt politische Symbole und Rituale, die den angestammten wie zugewanderten Bürgern Identifikationsmöglichkeiten bieten und ein Zusammengehörigkeitsgefühl stiften." Wobei noch zu klären wäre, ab wann ein "zugewanderter" bei CDU und CSU auch als "angestammter Bürger" durchgeht. Dann wird erwähnt, dass "insbesondere in Ostdeutschland der zum Teil fehlende Bezug zur eigenen Nation, der unmittelbar nach der Wiedervereinigung ein viel stärkeres gesamtdeutsches Zusammengehörigkeitsgefühl hätte begründen können, als eine Schwachstelle der Wiedervereinigung aufgearbeitet wird, aus der sich nunmehr ein besonderer Einsatz für patriotische Fragen in Ostdeutschland ergeben muss".

Erst wird den Ostzonalen ohne Diskussion die Nationalhymne genommen: Ihr singt jetzt gefälligst das, was im Westen getrillert wird, denn das ist besser, so wie alles aus dem Westen. Und nun heißt es: Wir singen jetzt gemeinsam - die Deutschland-Fahne wedelnd - öfters mal die "westdeutsche" Nationalhymne, damit ihr euch als echte Deutsche und nicht als Pack zweiter Klasse fühlen müsst. Das wird den Ostzonalen aber nicht reichen, weil sie natürlich sofort merken, dass sie in dem Antrag, obwohl Biodeutsche, in einen Topf mit Zugewanderten geworfen werden, was sie, da sie überempfindlich bis infantil sind, voll doof finden. Ob sie nun weniger das Kreuz hinter der Alternative für Durchgeknallte machen, ist damit fraglich.

Denn so blöd, wie die Ostzonalen mitunter erscheinen, sind sie nun auch wieder nicht. Jedenfalls nicht blöder als der Rest der Bevölkerung, der zunehmend verblödet. Ich frage mich, wie viele wissen, dass die wunderschöne Melodie unserer Nationalhymne der 2. Satz aus Joseph Haydns "Kaiserquartett" ist, der übrigens "Poco Adagio", also - frei übersetzt - "ein bisschen langsam" gespielt werden muss, was so gar nicht in unsere schnelle Zeit passen will. Dann vielleicht doch lieber Rock gegen irgendetwas.