Die fußballerische Leistung ist stets grandios, die Spanierinnen werden Weltmeisterinnen. Doch hinter den Kulissen tobt der zermürbende Kampf mit dem Verband. Dass die Spielerinnen nun ihr "Basta" durchsetzen, ist auch eine Aufforderung an Teams und Verbände weltweit.
"Se Acabó", ("Basta"), schreien die spanischen Fußball-Weltmeisterinnen im übertragenen Sinne in die Welt. Entsprechende Banner hielten sie vor den Nations-League-Spielen gegen Schweden und die Schweiz gemeinsam mit den gegnerischen Teams in die Kamera, zudem trugen sie den Schriftzug auf Tapes am Handgelenk. "Our fight is the global fight" ("Unser Kampf ist der globale Kampf") stand ebenfalls auf dem Banner.
Es ist ein Zeichen der Macht, des Trotzes, des Sieges - aber auch eines der Mahnung, dass der Kampf gegen verkrustete, männlich geprägte Strukturen weltweit natürlich längst nicht vorbei ist. Und es ist ein Zeichen, dass es um mehr geht als den Sport. Es um mehr geht als "nur" den Fußball, auf den sie sich etwas mehr als vier Wochen nach dem Titelgewinn in Australien wieder konzentrieren können.
Was ihnen dann auch gelang, zur Premiere in der Nations League gewannen sie mit 3:2 gegen die FIFA-Weltranglistenersten aus Schweden. Dann folgte die erste Partie auf spanischem Boden seit Gewinn des WM-Titels. In Córdoba wurde nicht nur die Schweiz mit 5:0 deklassiert, sondern es wurde ein neuer Rekord aufgestellt: 14.100 Fans, noch nie kamen in Spanien so viele Menschen zu einem Länderspiel der Frauen. Das Team wurde gefeiert, durfte noch einmal den Pokal präsentieren. Es war außergewöhnlich.
Und doch ging es wieder um mehr als das Spiel: Denn das "Basta" ist ein lautes. Eines, in dem Freude, Trotz und Erleichterung mitschwingen. Das böse Spiel mit dem Verband RFEF ist noch lange nicht beendet, es zerrte an den Nerven, raubte den Spielerinnen wegen nächtelanger Beratungen untereinander und Verhandlungen mit den RFEF-Oberen buchstäblich den Schlaf. "Ihr konntet nicht nur Fußballspielerinnen sein", stand auf einem der vielen Plakate im Estadio Nuevo Arcángel in Córdoba. "Jetzt seid ihr Legenden."
Rubiales vermiest Spielerinnen den WM-Titel
Die Spielerinnen haben in einem Kampf gegen "jahrzehntelange systematische Diskriminierung", wie Weltfußballerin Alexia Putellas es nannte, einen Sieg errungen. Die WM war nur eine Unterbrechung - mit neuen bitteren Höhepunkten. Die Weltöffentlichkeit bekam bei der Siegerehrung zu sehen, mit welchem Selbstverständnis der inzwischen geschasste Verbandspräsident Luis Rubiales gesegnet ist. Der Kuss, den er Jennifer Hermoso aufgedrückt hatte, unterband die Lobpreisungen für den spanischen Fußball des Erfolgs, verlagerte die Wahrnehmung und Berichterstattung stattdessen auf die Machthaber des Verbands. Den Spielerinnen war es vergönnt, sich im Erfolg sonnen zu können. Den Weltmeisterinnen wurde ihr historischer Erfolg vermiest.
Dabei war es einer, der ihnen umso höher anzurechnen ist, als dass er stattfand, obwohl es intern krachte. Obwohl einige Starspielerinnen wie Mapi Leon und Torhüterin Sandra Panos, beide vom international dominierenden FC Barcelona, der zwei der letzten drei Champions-League-Finals gewonnen hat, die Teilnahme verweigerten. Obwohl 15 Revolutionärinnen seit September 2022 ein professionelleres Umfeld und vor allem die Absetzung von Trainer Jorge Vilda forderten, der die Spielerinnen ihren Aussagen zufolge psychisch fertigmachte. Der sie, so hieß es, mit offenen Türen schlafen ließ, um sie kontrollieren zu können, und ihre Taschen durchsuchte. Der Verband hielt vehement zu Vilda, dessen Familie lange mit Rubiales verbandelt ist. Inzwischen sind sie beide Vergangenheit, das Team aber spielt weiter.
Vor der WM hatte es lediglich kleinere Zugeständnisse an die Spielerinnen gegeben, es wirkt, als habe der Verband sie besänftigen und zugleich positiv über sich berichten wollen. Das Team, das den Titel gewinnen würde, reiste mit einem Ernährungsberater und einem Psychologen nach Australien und Neuseeland. Die Spielerinnen erhielten ein Budget in Höhe von 15.000 Euro, das den Besuch von Familie und Freunden ermöglichte. Es war ein Waffenstillstand, der gerade lange genug hielt, um die Welt zu erobern.
Auch andere Frauen-Teams kämpfen
Der WM-Titel ist ein bemerkenswerter Erfolg der hochgelobten Spielerinnen. Schon im vergangenen Jahr waren sie im Vorfeld der Europameisterschaft als Titelkandidatinnen gehandelt. Der Kreuzbandriss von Putellas nur zwei Tage vor dem Start aber schockierte das Team offenbar nachhaltig, das Aus kam bereits im Viertelfinale gegen die späteren Europameisterinnen aus England. Spanien stellt die U17- sowie U20-Weltmeisterinnen, das A-Team aber hatte keine Erfolge vorzuweisen. Noch bei der vorangegangenen WM 2019 war bereits im Achtelfinale Endstation, für Olympische Spiele konnten sie sich noch nie qualifizieren. Nun ist Spanien das Land, das als erstes alle drei Frauen-WM-Titel gleichzeitig gewonnen hat.
Während ihre männlichen Kollegen auf der Weltkarte des Fußballs überpräsent sind, waren es die Frauen lange Zeit nicht. Erst seit 2021 gibt es im Land eine vollwertige Frauen-Profiliga, die vom FC Barcelona dominiert wird, der die Massen anzieht, mehr als 90.000 Menschen kamen bereits zu Spielen ins legendäre Camp Nou. Und es dürfte auch an den Verbandsstrukturen gelegen haben, die die Frauen offensichtlich weit herabsetzten. "Wir wollen alle dasselbe: dass unser Beruf genauso respektiert wird, wie es bei den Männern seit Jahren der Fall ist", sagte Putellas gegenüber dem spanischen TV-Sender TUDN. Und so begannen sie ihren langen, zermürbenden Kampf.
Ein Kampf, den die US-Amerikanerinnen drei Jahrzehnte lang geführt und zahlreiche Fußball-Aktivistinnen - von Julie Foudy über Abby Wambach, Christen Press bis hin zu Megan Rapinoe und Alex Morgan - gebraucht hatten. Sie hatten ihre Erfolge als Faustpfand, vier WM-Titel, vier Olympische Goldmedaillen, sie hatten auf der Haben-Seite, dass sie deutlich erfolgreicher sind als die Männer. Sie haben ihr "Basta" mit Macht untermauert, sich durchgesetzt, haben die gleiche Bezahlung und gleiche Behandlung erkämpft, sie sind die Vorbilder für andere Nationen.
Die Irinnen haben sich vor der Weltmeisterschaft öffentlich über die schlechte Behandlung durch ihren Verband beschwert. Sie haben eine Vereinbarung über die gleiche Bezahlung erreicht, wie auch die Spielerinnen aus Australien und Norwegen. Die Olympiasiegerinnen aus Kanada drohten vor der WM mit einem Streik, wurden zum Testspiel gezwungen, Nigeria und Südafrika boykottierten Spiele und Trainingseinheiten. In Frankreich erklärten mehrere Stars, sie würden aus dem Nationalteam zurücktreten, wenn Corinne Diacre die Trainerin bleibt - letztlich entließ der Verband sie und engagierte Hervé Renard.
Treffen bis morgens um 5 Uhr
In Spanien aber ließ es der Verband nach dem Sieg bei der Weltmeisterschaft auf den Machtkampf ankommen. Zwischenzeitig hieß es sogar, man sei bereit, sich komplett aus den europäischen Wettbewerben zurückzuziehen - Frauen, Männer, Vereine - sollte jemand wagen, Rubiales aus dem Amt zu entheben. Dessen Mutter trat in einen Hungerstreik, Hermoso wurde der Lüge bezichtigt, ihr wurden Falschaussagen zugunsten Rubiales in einem Verbandsstatement in den Mund gelegt.
81 Spielerinnen, darunter alle Weltmeisterinnen, traten gemeinsam in den Streik. Schließlich wurde Trainer Vilda abgesetzt, aber lediglich durch seine Assistentin Montse Tomé ersetzt, was den Spielerinnen nicht ausreichte. Der Verband berief sie trotzdem ins Trainingslager vor den Nations-League-Partien und drohte mit Geldstrafen und sogar dem Ausschluss von Vereinswettbewerben. Einzig Hermoso fehlte, Tomé erklärten sie beschützen zu wollen, was die Spielerin selbst aufregte und infrage stellte.
Letztlich vermittelte die spanische Regierung ein Treffen der Konfliktparteien. Die Spielerinnen forderten mehrere Entlassungen für einen Neubeginn, sie baten um grundlegende Veränderungen in den Strukturen. Sie hatten es satt, aus Kostengründen mitten in der Nacht zu fliegen oder lange Busfahrten zu wichtigen Spielen auf sich nehmen müssen. Sie forderten die gleichen Verfahren für Personaleinstellungen und Entscheidungsfindungen wie ihre männlichen Kollegen. "Das Vermächtnis, das wir hinterlassen wollen, ist, dass sie (künftige Spielerinnen, Anm.d.Red.) sich über diese Dinge keine Gedanken mehr machen müssen", erklärte Putellas. Beim Treffen in Oliva wurde sieben Stunden lang bis morgens um fünf Uhr um Zugeständnisse gerungen. Der Gipfel wird in die spanische Fußballgeschichte eingehen: "Ich glaube wirklich, dass er als ein Moment des Vorher und Nachher dienen wird", sagte Putellas.
Ermittlungen gegen Rubiales und Vilda dauern an
Die frischgewählte europäische Fußballerin des Jahres, Aitana Bonmati, sagte: "Die notwendigen Veränderungen sind nicht nur auf sportlicher, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene notwendig. Wir wollen eine egalitäre Gesellschaft, in der Männer und Frauen die gleichen Rechte haben. Ich hoffe, dass wir die Situation, die wir in diesem Camp erlebt haben, nie wieder erleben müssen."
Sie berichtete von der Aussichtslosigkeit, davon, weder trainieren noch richtig spielen zu können, obwohl sie zwei wichtige Spiele in der Nations League vor der Brust hatten, die über die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2024 in Paris entscheidet. Sie betonte die Anstrengung: "Das Gefühl, dass man sich immer auf andere Dinge konzentrieren muss und nicht nur Fußballerin sein darf, ist ziemlich stressig. Wir freuen uns darauf, Profifußballerinnen zu sein und nichts anderes."
Die Spiele gegen Schweden und die Schweiz waren ein erster Schritt in Richtung Normalität. Auch das Verhältnis zu Tomé hat sich offenbar eingependelt. Ihre Absetzung erscheint unwahrscheinlicher. Bonmati erklärte: "Alles ist in Ordnung. Wir haben schon gesagt, dass es am Anfang etwas seltsam war, weil die Einberufung passiert ist, aber die Dinge passieren nun einmal, und das war's." Auch WM-Siegtorschützin Olga Carmona erklärte zum Trainerinnenposten: "Ja, wir sind zufrieden." Auch Tomé selbst äußerte sich nach dem Spiel gegen Schweden: "Ich habe immer das Selbstvertrauen der Spielerinnen gespürt, ich sehe sie glücklich."
Ganz ausgestanden ist der Konflikt noch nicht, der Skandal um Rubiales dauert an, auch gegen Vilda wird ermittelt. Zudem soll die Vereinbarung zwischen Spielerinnen und Verband erst am "9. oder 10. Oktober", so berichtet es das gut informierte Portal "Relevo", unterzeichnet werden. Tomé betonte daher: "Es gibt Situationen, die über das Sportliche hinausgehen und die ich nicht in den Griff bekommen kann. Ich möchte, dass alles geklärt wird und ich mich auf meine Arbeit konzentrieren kann."
Das ist ganz im Sinne des Teams, mit dem sie dann erstmals eine wirkliche Einheit bilden könnte. Ende Oktober stehen die nächsten Nations-League-Spiele an, dann geht es zu zwei Auswärtsspielen nach Italien (27.) und in die Schweiz (31.). Die Gegnerinnen dürften gewarnt sein: Wenn das Team jetzt schon so dominiert, wie wird es erst, wenn sich die Spielerinnen tatsächlich nur auf den Fußball konzentrieren können? Dann, wenn der Kampf wirklich gewonnen ist, wenn das "Basta" endgültig ist.