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Bergmann Brauerei: Wie eine kleine Dortmunder Brauerei mit Inflation und Energiekrise umgeht

Glas, Energie und Kohlensäure sind deutlich teurer geworden – das bekommen auch Brauereien zu spüren. Wie sich der Dortmunder Bierbrauer Bergmann dagegen wappnet, erklärt Gründer Thomas Raphael im Interview

Herr Raphael, Sie betreiben auf Phoenix-West in Dortmund die kleine Brauerei Bergmann. Bier steht in diesen Tagen symbolisch für alle möglichen Preissteigerungen – von Kohlensäure bis zum Papier. Wie ist es bei Ihnen?

THOMAS RAPHAEL: Natürlich erleben auch wir eine Kostensteigerung auf breiter Basis. Unsere Personalkosten im Ausschank sind seit dem letzten Jahr um 25 Prozent gestiegen. Dazu haben wir steigende Energiepreise und teurere Vorprodukte. Bislang können wir die Preise weitergeben. Unser Slogan lautet „Harte Arbeit. Ehrlicher Lohn“, und das spiegelt sich dann eben auch in den Preisen nieder, die für uns auskömmlich sein müssen. Das liegt aber auch an der Struktur unseres Projektes.  

Was ist daran so besonders? 

Bergmann ist aus einer verrückten Idee heraus geboren worden, nämlich, dass wir der früheren Bierhauptstadt Dortmund wieder auf die Beine helfen wollen – und zunächst nicht auf einem Businessplan. Der kam erst später. Am Anfang haben wir gesagt: „Wir machen das jetzt mal, und wenn das funktioniert, machen wir es weiter. Und wenn nicht, dann eben nicht.“ Diese Mentalität haben wir bis heute, und daraus hat sich eine gewisse Leichtigkeit und Freude an und auf unsere Marke entwickelt, die auch unsere Kunden spüren. Bislang konnten wir in 15 Jahren Kostensteigerungen weitergeben. Dieses Jahr gab es schon eine Preisrunde zum 1. Mai, und zum Ende des Jahres wird es eine weitere geben. 

Verlieren Sie dadurch nicht auch Kunden? 

Wir können als kleine Brauerei keine Marktforschung betreiben. Natürlich gibt es immer wieder den einen oder anderen negativen Kommentar. Aber was das wirklich ausmacht, kann ich nicht sagen. Es kann sein, dass im kommenden Jahr vom Verbraucher weniger Geld für hochwertiges Bier ausgegeben werden wird, wenn die Energierechnungen kommen. Aber daran können wir dann nichts ändern. Vielleicht werden wir dann einen Vorteil aufgrund der Regionalität haben. Und wir glauben auch, dass die Menschen weiterhin bei einem Bier zusammensitzen werden.

Spüren Sie keinen Druck von der Konkurrenz – beziehungsweise: Haben Sie die überhaupt?  

Ehrlich gesagt, gibt es die nicht wirklich. Unser Markt ist regional, wir produzieren in und für die Region Dortmund. Hier gibt es keine weitere kleine, private Brauerei. Viele kleine Brauereien sind eher regional tätig. Das Verhältnis untereinander ist meist sehr gut. Viele arbeiten zusammen oder überlegen, das zu tun – wir natürlich auch. Ob man die großen Brauereien als Konkurrenz sieht, hängt vom Markt ab. In der Gastronomie mag das stimmen, da könnten wir auch mehr von unserem Bier verkaufen. Daran arbeiten wir intensiv mit neuen Strategien und sehen auch Erfolge. Tatsächlich wurden wir schon mehrfach von den Großen in der Gastronomie rausgekauft, können aber zunehmend Fuß fassen. Der Handel ist weitestgehend unabhängig, da sind eher die Handelsspannen das Problem.

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Sie stellen je nach Saison zwischen zehn bis 15 Biere her. Von Pils bis hin zu Spezialbieren. Welche davon sind besonders aufwändig herzustellen – und sind diese auch entsprechend teurer? 

Eigentlich ist der Aufwand beim Brauen immer vergleichbar. Was einen Unterschied macht, ist die Art der Abfüllung. Und bei Bieren mit höherer Stammwürze und Alkoholgehalten oder kaltgehopften Bieren haben wir einen viel höheren Rohstoffeinsatz – zum Beispiel bei Malz und Hopfen.

Warum? 

Wenn wir in kleine Flaschen abfüllen, müssen wir große Mengen Bier auf ein kleines Volumen aufteilen und aufwändige Technologie einsetzen. Das heißt auch, wir brauchen viele Flaschen und viele Kästen. Das ist relativ aufwändig und kostet viel Material. Flaschen sind gerade knapp und wir verkaufen das Bier in 10er-Kästen. Die kaufen wir für 5 Euro ein, bekommen aber zunächst nur 1,50 Euro Pfand vom Kunden wieder. Man muss sagen, wir haben das meiste Geld in schwarzen Plastikkästen angelegt. Der Vorteil ist aber, dass wir das Bier so flächendeckend in den Handel bekommen haben.  

Und wie sieht es bei Fassbier aus? 

Da ist das einfacher. Da haben wir eine kleine, hochmoderne Abfüllanlage, und die Fässer gehen dann in die Gastronomie. Der betriebswirtschaftlich und qualitativ schönste Weg sind aber Tanks. Da wird das frischt gebraute Bier direkt in 1000-Liter-Tanks gefüllt und geht von dort direkt an die Theke. In diesem Bereich sehen wir auch noch Potenzial in der Gastronomie und wollen entsprechend wachsen. 

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Umgehen sie damit auch das Kohlensäure-Problem am Markt? Manche Brauereien haben schon ihre Produktion eingestellt, weil sie kein Kohlendioxid bekommen… 

Da gibt es einen klassischen Denkfehler: Die Kohlensäure im Bier entsteht schon bei der Gärung. Man führt nur Kohlensäure bei der Abfüllung in Flaschen und/oder Fässer ein, um die Luft zu verdrängen. Das frische Bier sollte nämlich nicht mit Luft in Berührung kommen – das ist die Schwierigkeit bei allen Abfüllungen. Das Problem bezieht sich vor allem auf Limonaden, in die noch Kohlensäure hinein muss, und es gibt da wohl auch ein Nord-Süd-Gefälle. Jedenfalls kam das Thema letzte Woche auf einer Messe in Süddeutschland auf. Ich habe das ehrlich gesagt nicht verstanden, und mich auch nicht groß dafür interessiert: Hier in der Region redet man zwar davon, aber wir haben tatsächlich bislang keine Probleme und kaufen auch weiter zum normalen Preis ein. 

Das dürfte einer der wenigen Bereiche sein, in denen es keine Kostensteigerungen gibt. Wie sieht es denn bei Energiekosten aus: Heizen Sie mit Gas?  

Ja, das tun wir. Wir haben auch überlegt, auf andere Energieformen umzusteigen. Flüssiggas wäre beispielsweise möglich gewesen – nur: da hatten wir keinen Platz mehr für einen Tank. Wir hätten zwar improvisieren können, aber das nützt mir wenig, wenn andere Lieferanten das nicht können und wir keine Vorprodukte bekommen. Insbesondere die Mälzereien sind auf Gas angewiesen und wenn es kein Gas mehr gibt, kriegen wir auch kein Malz. Dann brauchen wir auch kein Flüssiggas. 

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Auch Glasflaschen werden häufig unter Einsatz von Erdgas aus Gas hergestellt. Sie haben schon anklingen lassen, dass der Markt aktuell dünn ist. Wie akut ist das Problem? 

Wir kaufen eigentlich nur gebrauchte Mehrwegflaschen vom Dienstleister. Das Problem sind da nicht so sehr die Kosten. Die sind zwar auch gestiegen, aber das Problem ist einfach die Verfügbarkeit. Da gab es schon immer saisonale Schwankungen, zum Beispiel bei einem warmen Frühjahr. Das war dieses Jahr auch so und von daher bekommen viele Hersteller einfach keine Flaschen. Wir konnten uns zum Glück rechtzeitig eindecken und sind gut durchgekommen. Eins muss man aber sagen: Es ist erstaunlich, wie wenig Wettbewerb auf diesem Markt herrscht. 

Sie erleben aktuell die zweite Krise kurz hintereinander. Was ist herausfordernder: Corona oder steigende Energiepreise? 

Mich stört am meisten, dass wir bei Investitionen zurückhaltender geworden sind. Die zahlreichen Unsicherheiten führen auch bei uns dazu, dass wir Investitionen verschieben. Wir wollten im letzten Jahr zum Beispiel noch eine weitere industrielle Brauanlage im Dortmunder Hafen bauen. Das hat aufgrund von behördlichen Schwierigkeiten nicht geklappt. Mittlerweile bin ich da aber ganz froh drüber, das Vorhaben würde aktuell nicht in die Zeit passen.

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