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Berlins beste MMA-Adresse: Das Spitfire Gym zelebriert den Vibe der Hauptstadt

Berlin war lange Zeit ein dunkler Fleck auf der deutschen MMA-Landkarte, das Spitfire Gym hat das geändert. In vielerlei Hinsicht ist die Kampfsportschule ein Abbild der Hauptstadt - und will künftig zu einem Kampfsport-Mekka Europas werden.

Schlange stehen, um endlich auf die Matte zu können. Im Berliner Spitfire Gym warten in diesem Moment unzählige Sportler darauf, dass die Ringen-Einheit endlich losgeht. Noch läuft ein Kurs für Kids und Jugendliche. Im Trainingsbereich der MMA-Akademie ist es an diesem Tag so voll, dass das Programm kurzerhand umgestellt werden muss. Es geht direkt aus dem Aufwärmen ins Sparring. Anpassen und kreativ sein. "Ein bisschen wie die Berliner Verkehrsbetriebe", vergleicht Bünyamin Topal sein sportliches Zuhause mit den oft gescholtenen Verkehrsbetrieben, kurz BVG, die ja im Grunde eine herausragende Arbeit leisten. "Manchmal ist es eben ein bisschen chaotisch, aber wie mit der BVG kommt man immer ans Ziel und hat alles, was man braucht", führt der 32-Jährige fort. Er ist einer der beiden Manager des Gyms. Das Spitfire allein mit der BVG zu vergleichen, wäre aber nicht ausreichend, um dem "Facettenreichtum des Gyms gerecht zu werden", so Topal.

Chaotisch und voll ist es im Spitfire streng genommen nur für das ungeschulte Auge. Bei einem MMA-Kampf ist das ähnlich - wer sich ein Duell im Käfig zum ersten Mal anschaut, der wird viele wichtige Details übersehen. Daher lohnt sich oft der zweite und tiefere Blick. Im renommiertesten Kampfsport-Gym Berlins verlieren die Verantwortlichen nie den Überblick, selbst wenn Kurse voller sind als üblich. Das mache den Standort sogar attraktiv, erklärt Geschäftsführer Yigit Muk. "Eine volle Hütte ist ein gutes Zeichen", sagt der Träger des Schwarzen Gurtes, der selbst Kurse leitet. "Es zeigt die hohe Qualität bei uns - denn viele wollen Teil eines starken Teams sein." Seit 2019 leitet Muk die Geschicke im Spitfire, seit 2013 gibt es das Gym in einem Hinterhof der Bülowstraße. Die zahlreichen Mitglieder verbessern sich in mehr als 85 Kursen zu MMA, Thaiboxen, Ringen, Kickboxen, Brazilian Jiu-Jitsu (BJJ) und Boxen - für Kinder gibt es eigene Kurse. Frauen haben dazu die Möglichkeit, an den gemischten Kursen teilzunehmen oder exklusive Frauenkurse zu besuchen.

Die Idee zum Namen kam noch vom Vorbesitzer: Spitfire, so hießen die Flugzeuge der britischen Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg, die Angriffe gegen die Nazis flogen. Und weil der Sport Mixed Martial Arts lange Zeit das Stigma trug, von Rechtsextremen unterwandert zu sein, soll der Name zeigen: Wir stehen für Vielfalt und sind gegen Rechts.

MMA wird zum Startschuss für Lebenswandel

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PFL-Kämpfer Farbod Iran Nezhad mit Yigit Muk (r.), der das Spitfire leitet und gleichzeitig Manager mehrerer Fighter ist.

(Foto: Instagram/SpitfireGym)

Verschiedene soziale Hintergründe, verschiedene Kulturen, Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben oder unterschiedlicher sexueller Orientierung - "alles kommt bei uns zusammen und es geht über den Tellerrand hinaus", betont Muk, der dann auch erläutert, dass eben ein solcher kulturübergreifender Moment ihn überhaupt erst zum Kampfsport gebracht habe. Als kräftig gebauter 18-Jähriger sei er damals bei seinem ersten BJJ-Training einem "ganz schmalen Typen" auf der Matte gegenübergestanden. "Den habe ich natürlich total unterschätzt und er hat mich nach allen Regeln der Kunst vorgeführt", so der heute 35-Jährige, der zu dieser Zeit ohne große Perspektive und einem Hauptschulabschluss mit einem Notendurchschnitt von 4,9 dastand.

Der Trainingspartner attestierte Muk nach der Lehrstunde Talent für den Kampfsport. "Wir lagen auf einer Wellenlänge und wussten, wie der andere so tickt", sagt der Neuköllner rückblickend. Als er ihn gefragt habe, was er so mache, habe er geantwortet: "Ich bin Arzt." Muk habe es nicht glauben können. "Du bist kein Arzt. Du bist so wie ich", sagte Muk damals zu seinem Gegenüber. Rückblickend habe Muk darin einen Startschuss für seinen Lebenswandel erkannt. Das habe ihn dann beflügelt, sein Abitur zu machen. Was auch gelang - mit 0,8 legte er das beste Abitur Deutschlands in seinem Jahrgang hin. "Solche Momente sind aufgrund der hohen Diversität bei uns keine Seltenheit", betonte Muk.

Diese sozial-kulturelle Barrierefreiheit, die im Spitfire vermittelt wird, ist spürbar und auch hörbar. Es wird Deutsch, Portugiesisch, Russisch und Englisch gesprochen, verstehen tun sich trotzdem alle. "Jedes Gym hat seinen eigenen Vibe. Hier in Berlin passt das zur Stadt", sagt Federgewicht-Kämpfer Niko Samsonidse. Irgendwie mache zwar jeder sein Ding, "aber funktioniert neben dem anderen, obwohl man vielleicht nicht die gleiche Sprache spricht, Kultur hat oder auch in anderen Bereichen andere Ansichten hat".

"Der Sport und die Leistungsdichte wachsen"

Neben dem zwischenmenschlichen Aspekt hat sich das Spitfire vor allem sportlich in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt. Der 29-jährige Profi-Kämpfer Julian Pennant ist so wie Samsonidse gefühlt von Tag eins an im Gym und blickt zurück: "Früher sind wir hier rein, um uns zwei Stunden lang auszupowern. Heute praktizieren wir tatsächlich den Sport. Wir trainieren viel gezielter und effektiver."

Für Pennant war MMA in den Anfangsjahren eine Möglichkeit, um Dampf abzulassen. "Solche Kids, die dieses Ventil brauchen, die gibt es immer noch. Aber viele kommen mittlerweile, weil sie sich für den Sport begeistern. Vor einigen Jahren, da wollten hier alle in Berlin noch Rapper werden. Jetzt wollen sie MMA-Kämpfer werden." Viele, die heute kommen, seien bereits besser, als er es in diesem Alter gewesen sei. Das zeige, wie sehr der Sport und auch die Leistungsdichte wachse.

Entsprechend intensiv geht es vor allem in den Profi-Einheiten zu. "Das Sparring ist immer hart, aber alle bleiben fair und sportlich", erklärt Muk. Ohne diese hohe Intensität gebe es nicht die gewünschten Fortschritte. Und mittlerweile ist das Spitfire aufgrund seiner Fighter die bekannteste MMA-Adresse in Berlin und einer der wichtigsten Standorte Deutschlands. Das Gym ist so bekannt, dass schon urbane Legenden darum gesponnen wurden. "Als einer unserer Coaches beim Frisör war, habe er die Story erzählt bekommen, dass man im Spitfire erst den Trainer besiegen müsse, um aufgenommen zu werden." Muk muss selbst lachen, wenn er diese Geschichte erzählt, die an alte Kung-Fu-Streifen aus Fernost erinnert. "Das ist natürlich absoluter Quatsch. Bei uns ist grundsätzlich jeder willkommen - egal ob absoluter Anfänger oder Profi-Wettkämpfer."

Sofern man Wettkämpfer werden will, braucht es dennoch ein gewisses Niveau. Zum einen, weil es mittlerweile enorm viele Kämpfer ins Spitfire gezogen hat, zum anderen, weil es auch unter den Wettkämpfern Qualitätsunterschiede gibt. So trainieren in der ersten Stunde im samstäglichen MMA-Sparring vorwiegend die Profis und arrivierten Amateurkämpfer. Die noch unerfahrenen Wettkämpfer sitzen am Rand und schauen zu. "Es fehlt noch im Grappling-, Wrestling- oder Strikingbereich. Schaut zu und lernt. Das ist der Weg, in die A-Gruppe reinzukommen", spricht Muk die jüngeren Athleten an.

Auf dem Weg zum Kampfsport-Mekka

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Detailarbeit bei einer MMA-Grappling-Einheit im Spitfire

(Foto: Michael Bauer)

Was vielleicht harsch rüberkommt, folgt einer zentralen Idee im Spitfire: Alle sollen von den erstklassigen Trainern profitieren, die das Gym rund um den Globus verpflichtet und die dann zeitweise ihr Wissen in Berlin weitergeben. Auf Emerson Falcao, den ehemaligen Striking-Coach der Ex-UFC-Stars Jose Aldo und Rafael dos Anjos, folgte mit Daniel Abdul ein weiterer Brasilianer, der lange Jahre die MMA-Legende Shogun Rua betreute. Geschäftsführer Muk wünscht sich noch mehr Spezialisten. Am besten einen Ringer-Trainer aus Dagestan und einen Spezialisten für Folk-Style, eine Disziplin des Ringens, bei der die Arme nicht hinter dem Rücken des Gegners verschlossen werden dürfen. "So kann man aus den verschiedenen Stilen die Elemente lernen, die dem MMA Sport am dienlichsten sind", erläutert Muk.

Das klingt nach großen und innovativen Ideen, die sich im kleinen Spitfire Gym nur schwer umsetzen lassen. Ein Wechsel der Räumlichkeiten soll aber schon bald alles ändern. Noch in diesem Jahr will die Kampfsportschule umziehen - und mit einer Fläche von 3500 Quadratmetern zu einem der größten Gyms der Welt werden. "Das sind natürlich auch Dinge, die für einen Trainer interessant sein können, wenn er sich sagt: Ich kann hier eine tragende Säule sein. Die Trainer bei uns müssen Interesse daran haben, ein Kampfsport-Mekka mitten im Herzen Europas aufzubauen und mitzugestalten." Der Umzug sei aber ohnehin ein Muss, schließlich sei der Mitgliederzulauf mittlerweile so groß, dass es an manchen Tagen zur Herausforderung werde, die geplanten Abläufe aufrechtzuerhalten.

Profitieren sollen am Ende natürlich alle Mitglieder. Entsprechend groß ist bereits die Vorfreude bei vielen Gymbesuchern. "Wir werden das Rad nicht neu erfinden", betont Muk, der auf eine Handvoll Kampfsportschulen in Deutschland verweist, bei denen man sich etwas abschauen könne. Geplant ist ein Erholungsbereich für Hobbysportler und Profis bestehend aus Eisbad, Sauna und Ruhezone. Neben der großen Trainingsfläche mit rund 1300 Quadratmetern wird ein Wettkampf-Oktagon entstehen, um selbst Amateurkämpfe veranstalten zu können. Da viele der Sportler sehr spirituell sind, wird es auch einen interkulturellen Gebetsraum geben. Der Umzug wird zwar sicher für viele Mitglieder eine Umstellung, aber da wäre man dann auch wieder bei den Berliner Verkehrsbetrieben. Auf die kann man sich verlassen. Genau wie auf das Spitfire Gym.