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Betrug im Gesundheitswesen: Neues System der Polizei ermöglicht anonyme Hinweise

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Manfred Schweidler

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Eine anonyme Hinweisplattform, um Betrügereien im Gesundheitswesen zu melden: Das klingt modern, war aber zu Beginn vor einem Jahr nicht unumstritten. Wir fragten nach der jüngsten Razzia in Kitzingen die zuständigen Staatsanwälte Grit Stottok und Philip Engl von der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG) in Nürnberg, was es damit auf sich hat.

Geht das überhaupt, eine Strafanzeige per E-Mail oder online zu erstatten?

Philipp Engl: Per E-Mail ging das grundsätzlich schon immer. Seit einem Jahr können Hinweise an die ZKG aber auch über unser neues, webbasiertes Hinweisgebersystem unter der URL: https://bkms-system.com/ZKG erfolgen.

Und das funktioniert auch anonym?

Grit Stottok: Der Anzeigeerstatter kann, muss seinen Namen aber nicht nennen. Anders als gegebenenfalls bei einer Anzeige per E-Mail ist es für uns technisch nicht möglich, die Identität der Person zu ermitteln.

Aber besteht da nicht die Gefahr, dass Konkurrenten im Medizinbereich einen einfach anschwärzen, um selbst besser dazustehen?

Stottok: Diese Gefahr besteht, wie bei sämtlichen anonymen Anzeigen. Hier kommt aber der entscheidende Vorteil unseres Systems zum Tragen, denn wir können nachfragen, um zu prüfen, ob der Tipp plausibel ist und einen Anfangsverdacht rechtfertigt. Diese Möglichkeit besteht bei einer anonymen Anzeige sonst nicht.

Wie machen Sie das, wenn Sie Rückfragen an die Tippgeber haben?

Engl: Der Hinweisgeber kann einen virtuellen Postkasten eröffnen. Über diesen können wir an den Hinweisgeber Fragen übermitteln, genauso wie wir darüber Antworten empfangen können. Genauso können Dateien übermittelt werden. Das alles ermöglicht es dann, den Sachverhalt viel besser einzuschätzen.

Falsche Abrechnungen, Korruption, Leistungen, die versprochen, aber nicht erbracht wurden – das ist ja ein Feld, in dem viel Geld verdient wird. Wie hoch ist denn der Schaden, der pro Jahr den Kassen, bzw ihren Beitragszahlern entsteht?

Engl: Hier kann man aktuell nur schätzen. Nach einer Dunkelfeldstudie der Universität Portsmouth liegt der Schaden durch kriminelle Machenschaften im Gesundheitswesen bei etwa 6,19 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben. Das würde in Deutschland einen jährlichen Schaden von etwa 26 Milliarden Euro bedeuten.

Viele Angehörige sind heute schon froh, wenn sie für einen Pflegebedürftigen überhaupt einen Platz finden. Wie groß ist denn die Bereitschaft, Missstände anzuprangern?

Stottok: Die Not ist tatsächlich groß. Aus der Angst heraus, diesen Pflegedienst zu verlieren, werden Dinge hingenommen, die sonst nicht toleriert würden. Auch in solchen Fällen kann unser Hinweisgebersystem helfen, da solche Missstände dann gemeldet werden, ohne dass unmittelbar Konsequenzen drohen müssen.

In welchen Bereichen können Hinweisgeber Ihnen bei der ZKG Tipps abgeben?

Engl: Grundsätzlich ist die ZKG für sämtliche Fälle von Betrug durch Heilberufler und Korruption im Gesundheitswesen in ganz Bayern zuständig. Nicht zuständig sind wir z.B. für Behandlungsfehler und Pflegemängel. Für Letzteres hat das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege die Anlaufstelle Pflege-SOS Bayern geschaffen.