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Bis heute auf der Flucht: Jan Marsalek machte Wirecard-Skandal filmreif

Zweieinhalb Jahre nach der Pleite des Finanzkonzerns Wirecard beginnt der Mammut-Strafprozess gegen dessen ehemaligen Chef Markus Braun. Vom ehemaligen Finanzvorstand Jan Marsalek hingegen fehlt jede Spur. Möglicherweise ist er in Russland.

Er ist das Phantom im Wirecard-Komplex: Während ab Donnerstag kommender Woche in München der frühere Chef Markus Braun und zwei weitere ehemalige Manager in dem Milliardenskandal vor Gericht stehen, hält sich Jan Marsalek vor den Ermittlern versteckt. Derzeit vermuten diese ihn in Moskau.

Der 42-Jährige ist der Player, der den Wirecard-Skandal filmreif machte. Elegante Kleidung, rasierter Kopf, 1,80 Meter groß: Fotos von Jan Marsalek aus der Zeit als angeblich tadelloser Geschäftsmann gibt es einige. Der am 15. März 1980 in Wien geborene Marsalek hatte die Schule abgebrochen und eine Computerfirma gegründet, bevor er im Jahr 2000 bei Wirecard anheuerte. Das Unternehmen befand sich damals in seinen Anfängen, verdiente erstes Geld mit Bezahlsystemen für Pornoseiten im Internet und Online-Glücksspiele.

Marsalek stieg innerhalb weniger Jahre zu einer der wichtigsten Führungspersonen auf, gefördert von Konzernchef Braun. Seine ehemaligen Mitarbeiter beschreiben ihn als gutaussehenden, "brillanten", "gutmütigen" und "liebenswerten" Mann, dem "die Welt zu Füßen lag" und der "in Flugzeugen lebte".

Eine etwas glatte Fassade, den echten Marsalek scheint kaum jemand zu kennen. Seine persönliche Assistentin Sabine Heinzinger sagte im Bundestags-Untersuchungsausschuss zum Wirecard-Skandal, "ich weiß nichts über ihn". Marsalek habe Beruf und Privates immer getrennt.

Villa gegenüber von russischem Konsulat

Allerdings zeigte er ein paar im Nachhinein auffällige Besonderheiten. Marsalek mied auf Geschäftsreisen die USA, da er, ohne Gründe anzugeben, dort Strafverfahren fürchtete. Für Kommunikation nutzte er bevorzugt den verschlüsselten Dienst Telegram, statt mit der Datenspuren hinterlassenden Kreditkarte zahlte er lieber mit Bargeld.

Marsalek pflegte Kontakte, indem er Gäste zu sich nach Hause einlud. Seine Villa sei wunderbar renoviert gewesen, sie sei von höchster Qualität, sagte einer seiner früheren Gäste. Gelegen ist die Villa gegenüber dem russischen Konsulat in München - ob Marsalek dort schon Kontakte aufbaute zu dem Land, das ihn heute versteckt halten soll?

Es würde zu dem sehr speziellen Stil passen, mit dem sich Marsalek in der Welt der Wirtschaft und Politik bewegte. Dieses Bewegen hatte nur wenig mit dem Wirecard-Kerngeschäft des nüchternen Bezahldienstleisters zu tun: hier ein Mittagessen mit Frankreichs damaligem Präsidenten Nicolas Sarkzoy, dort Unterstützung für den ukrainischen Oligarchen Dmytro Firtasch, dazu eine Freundschaft mit dem US-Pornobaron Hamid Akhavan. Marsalek nannte ihn "Darling".

Marsalek soll heute in Moskau leben

Wie aus einem österreichischen Ermittlungsdokument hervorgeht, bezahlte Marsalek ab 2015 Detektive für geheime Informationen über eine Reihe von Persönlichkeiten. Etwas prahlerisch zeigte er einmal bei einem Treffen mit Geschäftsleuten ein Geheimdokument mit der Formel des Nervengifts Nowitschok. An anderer Stelle prahlte er mit Kontakten zur paramilitärischen Gruppe Wagner, zu der er nach Syrien gereist sein will. Marsalek scheint auf jeden Fall über Kontakte zu verfügen, die einem Kriminellen dienlich sind.

Als er bei Wirecard als Betrüger aufflog und entlassen wurde, verließ er einen Tag später, am 18. Juni 2020, Deutschland. Der Mann, der über acht Pässe verfügte, täuschte eine Ausreise auf die Philippinen vor. Wie sich herausstellte, charterte Marsalek aber tatsächlich einen Privatjet und flog von Österreich nach Weißrussland und von dort weiter nach Russland. Geschützt vom russischen Geheimdienst, soll er heute in Moskau leben. Vor ein paar Monaten forderten die Münchner Staatsanwälte Russland auf, den mutmaßlichen Milliardenbetrüger auszuliefern - ohne Erfolg.

Der Wirecard-Prozess beginnt nun ohne Marsalek. Ob dieser je nach Deutschland zurückkehren wird, scheint völlig offen. Falls ja, würden ihm viele Jahre Gefängnis drohen.