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Clemens Tönnies und Putin: Wie der Fleischverarbeiter seine Interessen vertrat

Der Betrieb des Unternehmers Clemens Tönnies ist der größte Fleischverarbeiter in Deutschland. Lange Zeit vertrat Tönnies aber auch die Interessen Wladimir Putins.

Fast zwei Jahrzehnte lang war der deutsche Fleischmagnat Clemens Tönnies ein Freund Russlands. Das Logo des staatlichen russischen Gasunternehmens Gazprom prangte auf den Trikots des Fußballvereins Schalke 04, bei dem Tönnies lange Aufsichtsratschef war.

Auch als andere davor warnten, dass Russland zu einer globalen Bedrohung werde, stellte er sich öffentlich hinter den Kreml. Die Beziehungen des Fleischunternehmers zu Russland zahlten sich für alle Seiten aus. Russland konnte gezielt Lobbyarbeit betreiben, die Tönnies-Firmen erhielten über 100 Millionen Euro an Zuschüssen vom russischen Staat.

Interviews der Nachrichtenagentur Reuters mit mehr als 40 Personen, die Einblick in die Aktivitäten von Tönnies und Gazprom haben, sowie die Durchsicht Hunderter Seiten an Dokumenten geben Aufschluss darüber, wie Russland diese Verbindung zu seinem Vorteil nutzte und auf welche Weise Tönnies davon profitierte.

Eine wichtige Rolle für die russische Einflusskampagne spielte Schalke 04, dessen Aufsichtsratsvorsitz Tönnies 2001 übernahm. Der Verein war verschuldet und brauchte einen großzügigen Sponsor.

Schröder brachte Russland auf Schalke

Das Vorbild für den Energiekonzern war der Kauf des englischen Clubs Chelsea durch den russischen Oligarchen Roman Abramowitsch im Jahr 2003, wie ein ehemaliger Gazprom-Manager sagte. Tönnies erklärte, er habe im Zuge seiner Mitgliedschaft im Ostausschuss der deutschen Wirtschaft, einer Lobbygruppe, erfahren, dass Gazprom auf der Suche nach einem Fußballverein war.

Altkanzler Gerhard Schröder – seit 2005 Vorsitzender des Aktionärsausschusses des von Gazprom geführten Pipeline-Konsortiums Nord Stream – brachte die Parteien schließlich zusammen, wie mehrere Personen mit Verbindungen zu Gazprom und Schalke sagten. Das Ergebnis war ein Deal, der den Insidern zufolge ein Volumen von rund 20 Millionen Euro pro Jahr hatte – einer der größeren Sponsorenverträge im deutschen Fußball.

Tönnies überreichte Putin zur Vertragsunterzeichnung in Dresden ein Schalke-Trikot mit dem Logo des neuen Sponsors auf der Vorderseite. Schröder nahm auf Anfrage von Reuters keine Stellung zu seiner möglichen Vermittlerrolle.

Schalkes VIP-Loge als Lobbytreffpunkt

Fortan war der VIP-Bereich bei Schalke-Spielen ein Ort, wo Gazprom-Funktionäre auf deutsche Politiker treffen konnten. Im Jahr 2011 sahen etwa der damalige Bundespräsident Christian Wulff und der spätere Außenminister und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das DFB-Pokalfinale Schalke gegen Duisburg in Berlin im VIP-Bereich des Stadions. Hierzu hatten auch Tönnies und Gazprom-Mitarbeiter Zugang. Vertreter von Steinmeier und Wulff erklärten, sie seien auf Einladung des Deutschen Fußball-Bundes gekommen.

Mitarbeiter der deutschen Tochter Gazprom Germania trugen die Namen deutscher Politiker und Geschäftsleute zusammen, um sie in die VIP-Loge von Schalke einzuladen, wie fünf mit dem Vorgehen vertraute Personen sagten.

Auch Sigmar Gabriel traf Russland-Lobbyisten

Im Jahr 2018 war der ehemalige Wirtschafts- und Außenminister Sigmar Gabriel in der Gazprom-Loge auf Schalke zu Gast und schaute sich das Derby gegen den Erzrivalen Borussia Dortmund an. Gabriel war nach seiner aktiven Zeit in der Politik kurzzeitig als Berater beim Fleischkonzern Tönnies tätig.

Ebenfalls an diesem Tag in der Loge waren Altkanzler Schröder und Matthias Warnig, ein ehemaliger Stasi-Beamter, der Putin seit Jahrzehnten nahesteht und wegen seiner Tätigkeit als Chef des Nord-Stream-Konsortiums mit US-Sanktionen belegt ist. Gabriel, Schröder und Warnig reagierten nicht auf eine Anfrage zur Stellungnahme.

"Ich habe Putin versprochen, mich in Russland zu engagieren"

Im Jahr 2008, zwei Jahre nachdem Gazprom mit dem Sponsoring von Schalke begonnen hatte, kündigte Tönnies an, eigene Schweinezuchtanlagen in Russland aufzubauen. Er entschied sich für Belgorod nahe der ukrainischen Grenze, das zu den fruchtbarsten Regionen des Landes gehört.

"Ich habe Putin versprochen, mich auch in Russland zu engagieren", sagte Tönnies in einem Interview mit dem Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben im Jahr 2013. Die Stadt Belgorod stellte 88 städtische Grundstücke im Wert von mindestens 1,3 Millionen Dollar als Sicherheiten zur Verfügung, um Kredite zu garantieren. Dies geht aus einem Beschluss des Stadtrats von Belgorod hervor.