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Das neue Italien wird zum Risiko für den Euro

Das Urteil der Finanzmärkte über die Italien-Wahl ist eindeutig: Daumen runter. Die Renditen für italienische Staatsanleihen mit 10-jähriger Laufzeit kletterten am Montagmorgen auf 4,46 Prozent, den höchsten Stand seit September 2013, also seit der Zeit der Eurokrise. Und sie nahmen den Euro in Geiselhaft. Dieser erreichte ein neues 20-Jahres-Tief bei 0,9565 Dollar.

Der Wahlsieg des seit dem Zweiten Weltkrieg historisch einmaligen Rechtsbündnisses unter Führung der europakritischen „Brüder Italiens“ mit ihrer Chefin Georgia Meloni verunsichert die Investoren. Sie fürchten eine Ausgabenlawine durch die neue Regierung, Streit mit der EU und ein Verlassen des unter Mario Draghi eingeschlagenen Reformkurses. Zum Schwur dürfte es allerdings erst im Frühjahr kommen, und vor allem hat Europa ein entscheidendes Druckmittel.

Quelle: Infografik WELT

„Der Rechtsruck in Italien bringt zusätzlich zu all den negativen Nachrichten noch politische Unsicherheit in die Eurozone“, sagt Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst beim Broker CMC Markets. Jörg Zeuner, Chefvolkswirt von Union Investment, stimmt ihm zu. „Perspektivisch nehmen die Unsicherheiten um die drittgrößte Volkswirtschaft im Euroraum zu“, sagt er. „Italien wird wieder zum politischen Wackelkandidaten.“

Dabei hatte sich das Rechtsbündnis im Wahlkampf erstaunlich moderat gezeigt. Von einem Verlassen der EU war keine Rede mehr. Die „Brüder Italiens“ halten allerdings generell nicht viel von Kooperation und Zusammenarbeit, setzen eher auf nationale Alleingänge.

„Die größte Sorge der Anleger in Bezug auf Meloni ist, ob die neue rechtsextreme italienische Regierung von den Reformen abweichen wird, die Draghi eingeleitet hat“, sagt Ipek Ozkardeskaya, Marktanalystin beim Broker Swissquote. Draghi habe es geschafft, die EU auf Italiens Seite zu ziehen, und dies brachte dem Land nicht zuletzt die enormen Summen aus dem Wiederaufbaufonds. „Draghi wusste gut, wie man mit den anderen Europäern tanzt“, sagt Ozkardeskaya. „Das gilt nicht für Meloni“.

Die von Mario Draghi begonnen Strukturreformen will sie jedenfalls nicht weiterführen. An den Märkten habe man zudem Zweifel, ob unter ihr die Gelder aus dem Wachstumsfonds in die richtigen Kanäle gelenkt werden, sagt Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank.

Meloni will expansive Fiskalpolitik

„Steht die Koalition, wird der Markt mit Argusaugen darauf schauen, welche Haltung die neue Regierung gegenüber der EU einnimmt“, sagt daher auch Daniel Lenz, Analyst bei der DZ Bank. „Aufkommender Streit, auch wenn es sich nicht um fiskalische Themen im engeren Sinne handelt, würde sicherlich zu einer Zunahme der Risikoaversion führen.“ Sprich: Die Renditen der italienischen Staatsanleihen würden sich weiter vom Niveau der anderen Euroländer entfernen, und der Euro würde weiter nachgeben.

Doch nicht nur der mögliche Streit mit der EU beunruhigt die Anleger. „Das Rechtsbündnis forciert eine lockere Fiskalpolitik“, sagt Gitzel. „Es soll zu Steuersenkungen kommen. Geplant ist eine Reform der Einkommensbesteuerung, die auf eine Flat Tax umgestellt werden soll, was einem einheitlichen Steuersatz für alle entspricht.“ Dadurch dürfte das Haushaltsdefizit deutlich steigen.

Allerdings setzt Matteo Ramenghi, Chefanlagestratege bei UBS WM in Italien, Hoffnung auf die Tatsache, dass sich das Kräfteverhältnis innerhalb des Rechtsbündnisses zugunsten der „Brüder Italiens“ verschoben hat, während gleichzeitig die Lega verlor. Das könne sich auf die zukünftige Wirtschaftspolitik auswirken. „Anders als die Lega haben sich die Brüder Italiens im Wahlkampf sogar immer wieder gegen eine expansive Fiskalpolitik ausgesprochen“, sagt er.

Daher wird in den nächsten Wochen zunächst einmal entscheidend sein, wer sich bei der Regierungsbildung durchsetzt und wer welche Ministerämter besetzen wird, insbesondere das Finanzministerium. Dies wird einige Wochen in Anspruch nehmen. „Vor Ende Oktober wird die Meloni-Administration die Regierungsgeschäfte in Rom kaum übernehmen können“, sagt Jörg Zeuner.

Vor der Weihnachtspause bleibe daher wenig Zeit für drastische Kurswechsel. Zudem werde das Bündnis die Überweisung der dritten Tranche aus dem Corona-Wiederaufbaufonds über 19 Milliarden Euro nicht gefährden wollen, die Ende des Jahres ansteht.

Doch ab Frühjahr 2023 erwartet Zeuner wachsende Unsicherheit. „Dann stehen verschiedene Termine an, die zum Lackmustest für die neue italienische Wirtschafts- und Europapolitik werden dürften.“

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Insbesondere bei der Bewertung des italienischen Budgets durch die EU könne es zum Streit kommen, denn eine ausgabenfreudige neue Regierung in Rom würde dann auf den ab 2024 wieder geltenden Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU treffen – ein Regelwerk, das zurzeit noch ausgesetzt ist, von dem Meloni aber noch nie viel hielt.

Quelle: Infografik WELT

Die Renditeentwicklung italienischer Staatsanleihen werde dabei zum Gradmesser für die Unsicherheit, die sich am Markt ausbreitet, warnt Jochen Stanzl. Deren Anstieg bringt Rom zwar nicht direkt in Probleme, denn die Schulden des Landes sind so langfristig strukturiert, dass pro Jahr nur rund ein Achtel neu finanziert werden muss, der Renditeanstieg wirkt sich also nur sehr langsam aus. Zudem sorgt die hohe Inflation dafür, dass das relative Schuldenniveau von alleine sinkt.

Allerdings gilt all dies nicht mehr, wenn die Zinsen für Italien auf das Niveau steigen, das sie schon während der Euro-Krise erreicht hatten, also auf sieben Prozent oder noch höher. Die Frage wird dann sein, ob die Europäische Zentralbank interveniert.

Jochen Stanzl hält es für möglich, dass Investoren genau das austesten wollen. Ob die EZB eingreift, dürfte allerdings stark vom Verhalten der Regierung in Rom abhängen. Die Notenbank hat damit also das entscheidende Druckmittel in der Hand, um Italiens Regierung auf den Pfad der finanzpolitischen Tugend zurückzuzwingen – genau dies geschah auch während der Eurokrise bereits. Die Frage ist, ob die EZB dieses Druckmittel auch diesmal einsetzen wird.

„Die nächsten Monate werden Klarheit bringen“, sagt Jochen Gitzel. Doch die Zeit, bis diese Klarheit erreicht ist, dürfte von neuem Streit und neuen Spannungen geprägt sein. „Bis dahin bleibt die Luft für den Euro dünn.“

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