Germany
This article was added by the user . TheWorldNews is not responsible for the content of the platform.

Der DFB-Krimi im Schnellcheck: Und nun, Spanien, bitte helfen Sie Deutschland!

Dafür hat Bundestrainer Hansi Flick ihn nach Katar mitgenommen. Der Bremer Niclas Füllkrug bewahrt die DFB-Elf gegen Angstgegner Spanien vor einem weiteren Rückschlag. Bei der Weltmeisterschaft in Katar. Jetzt muss allerdings ein Sieg gegen Costa Rica her, denn noch immer ist der Vorrunden-K.o. ein realistisches Szenario.

Was ist im Al-Bayt-Stadion passiert?

Nun, ein Fußballspiel wurde ausgetragen. Eines, das für die deutsche Nationalmannschaft am Sonntagmittag, 13 Uhr hiesiger Zeit, den existenziellen Charakter verloren hatte. Weil sich Costa Rica in einem kuriosen Duell gegen Japan durchgesetzt hatte (1:0), war das Horror-Szenario gegen Spanien vom Tisch: der schnellste WM-Knockout seit 1938. Auch vom Tisch: die politische Dimension. Keine "One Love"-Binde, keine neuen Proteste. Der heftige Streit um die Meinungsfreiheit wird nun auf die Verbandsebene gehoben, dorthin, wo er vielen Experten zufolge hingehört - Ausgang zwischen DFB und FIFA ungewiss. Doch ganz ohne Aufreger blieb dieses Duell nicht. Bevor es auf dem Feld richtig zur Sache ging, zeigten ein paar Männer in ihren Dischdaschas ein Foto und Zeichnungen von Mesut Özil, ahmten die "Mund zu"-Geste des DFB-Teams aus dem Japan-Spiel nach. Wer die Männer waren? Unklar. Was sie sagen: Ihr kämpft um "One Love", habt aber bei Özils Foto-Affäre selbst mit Liebe gespart.

Ein Nachspiel wahrscheinlich. Nun aber zum Sport: In Deutschland waren bereits knallharte Abrechnungen mit der Nationalmannschaft vorformuliert worden. Was läuft nicht alles falsch! Kein Top-Stürmer! Keine furiosen Außenverteidiger! Und ein Hansi Flick, der sich weigert, den Rat von 40, 50, 60 Millionen Bundestrainern daheim anzunehmen: nämlich Joshua Kimmich zu versetzen. Und so blieb der Sechser gegen Spanien ein Sechser, dazu die beiden unzufriedenen İlkay Gündoğan (motzte über seine Teamkollegen) und Leon Goretzka (war mit seiner Rolle als Reservist nicht glücklich). Thomas Müller stürmte, Thilo Kehrer verteidigte. Im 18. Spiel unter Flicks Regie gab es nun schon die 15. Abwehrformation. Ein klares Indiz dafür, dass Deutschland hatte für die wichtigste Aufstellung seines Trainerlebens umgebaut, nicht so massiv, wie viele erwartet hatten! Und hat es funktioniert? Im Ergebnis, der immer noch knallhärtesten Währung im Fußballgeschäft: jein! 1:1 (0:0) ging es aus.

Wie hat sich das deutsche Team geschlagen?

Ach ja, danke der Nachfrage, eigentlich wohl gut. Die ersten zehn Minuten sah das zwar anders aus, die "Furia Roja" rannte im wilden Rausch auf alles zu, was ein deutsches Trikot anhatte. Der Plan dahinter war so einfach wie nachvollziehbar: aus der deutschen Verunsicherung nach der Start-Blamage direkt Kapital schlagen. Nach sieben Minuten zitterte die Latte, Dani Olmo hatte geschossen, Manuel Neuer den Arm pfeilschnell nach oben gerissen. Puh, was für ein Auftakt. Und die Spanier ließen nicht locker, wunderschön anzuschauen war das, was sie mit dem Ball veranstalten. Aber Deutschland wehrte sich, stiftete Chaos. Aus dem kontrollierten Spiel wurde ein bisweilen vogelwilder Schlagabtausch mit guter Körperlichkeit der Deutschen. Fachleute wissen: So feinfüßig die Hochbegabten sind, so sehr sie verabscheuen sie das knallharte Duell. Und so kamen sie gut ins Spiel und zu Chancen. Ein Kopfballtor von Antonio Rüdiger wurde aberkannt, wegen Abseits (40.). Ein anderes Mal scheiterte Kimmich mit einem harten Schuss aus 13 Metern an Spaniens Torhüter Unai Simon (56.), der seine Vorderleute mit teils absurden Zuspielen in Bedrängnis brachte. Die vielleicht beste Gelegenheit aber ließ Supertalent Jamal Musiala (73.), er schoss aufs Tor, statt den eingewechselten Niclas Füllkrug im Zentrum zu bedienen. Der Schuss wurde pariert.

Zu diesem Zeitpunkt stand es bereits 1:0 für die Spanier. Mittenrein in die beste deutsche Phase setzte Alvaro Morata den entscheidenden Hieb. Jordi Alba hatte auf der linken Seite zu viel Platz, weil Kehrer nicht eng genug an ihm dran war und nur den Fuß reinstellte, statt den Zweikampf zu suchen. Die Ikone des FC Barcelona brachte den Ball präzise auf den ersten Pfosten, dort war Morata deutlich schneller als der bis dato sehr aufmerksame Niklas Süle. Aus fünf Metern halblinker Position hielt er aus dem Lauf heraus mit rechts drauf und wuchtete die Kugel unhaltbar für Kapitän Manuel Neuer im kurzen Eck unter die Latte. Ein Stürmer, der Stürmerdinge tat. Und eine Anregung für den Bundestrainer. Der brachte Füllkrug - und die Wende. An nahezu jeder starken Aktion war er nach seiner Einwechslung in der 70. Minute für den wieder schwachen Thomas Müller beteiligt. Seine Wucht setzte den Spaniern zu. Seine Wucht war nicht zu verteidigen. In der 83. Minute schweißte er den Ball mit aller Überzeugung der beste deutsche Stürmer zu sein in die lange Ecke. Drittes Spiel, zweites Tor. Verdienter Lohn!

Verdienter Lohn für ein leidenschaftliches Spiel. Für eine gelungene Wiedergutmachung. Für 95 Minuten volle Konzentration. Wie Goretzka in der Nachspielzeit, obwohl Gelb vorbelastet, einen Konter per Heldengrätsche unterband, das war überragend. Ebenso die Mentalität des Teams. Immer gierig, immer griffig. Und dass es nicht zu einem 2018er-Deja-vu kam, dass der ebenfalls eingewechselte, sehr agile und gefährliche Leroy Sané in der 95. Minute einen Konter nicht veredelte (Abspiel in die Mitte kam zu spät), muss ja keine schlechte Nachricht sein. Damals in Russland gewann Deutschland das zweite Gruppenspiel spät - und flog raus.

Teams & Tore

Tore:
Spanien: Unai Simon/Athletic Bilbao (25 Jahre/29 Länderspiele/0 Tore) - Carvajal/Real Madrid (30/32/0), Rodrigo/Manchester City (26/36/1), Laporte/Manchester City (28/18/1), Jordi Alba/FC Barcelona (33/89/9) ab 82. Balde/FC Barcelona (19/2/0) - Sergio Busquets/FC Barcelona (34/141/2) - Gavi/FC Barcelona (18/15/3) ab 66. Williams/Athletic Bilbao (20/5/1), Pedri/FC Barcelona (19/16/0) - Ferran Torres/FC Barcelona (22/33/15) ab 54. Morata/Atlético Madrid (30/59/28), M. Asensio/Real Madrid (26/33/2) ab 66. Koke/Atlético Madrid (30/70/0), Dani Olmo/RB Leipzig (24/27/5). - Trainer: Enrique
Deutschland: Neuer/Bayern München (36 Jahre/116 Länderspiele/0 Tore) - Kehrer/West Ham United (26/24/0) ab 70. Klostermann/RB Leipzig (26/20/0), Süle/Borussia Dortmund (27/44/1), Rüdiger/Real Madrid (29/56/2), Raum/RB Leipzig (24/14/0) ab 87. Schlotterbeck/Borussia Dortmund (22/8/0) - Kimmich/Bayern München (27/73/5), Goretzka/Bayern München (27/47/14) - Gnabry/Bayern München (27/38/20) ab 85. Hofmann/Borussia Mönchengladbach (30/19/4), Gündogan/Manchester City (32/65/17) ab 70. Sane/Bayern München (26/49/11), Musiala/Bayern München (19/19/1) - Müller/Bayern München (33/120/44) ab 70. Füllkrug/Werder Bremen (29/3/1). - Trainer: Flick
Schiedsrichter: Danny Makkelie (Niederlande)
Zuschauer: 68.895 (ausverkauft in Al-Khor)

Gibt es noch eine gute Nachricht?

Aber ja, Deutschland kann immer noch Weltmeister werden (kein Scherz!). Noch immer ist das Achtelfinale in Reichweite, Showdown ist am Donnerstag, 20 Uhr (im ntv.de-Liveticker). Dann geht es gegen Costa Rica, das von Spanien vermöbelt worden war und Japan mit der quasi einzigen Chance erlegte. Die Lage ist aber, um es vorsichtig auszudrücken, kompliziert. Wir dröseln auf:

  • Deutschland würde am letzten Spieltag mit einem Sieg gegen Costa Rica Platz zwei erreichen, wenn Spanien gleichzeitig Japan schlägt.
  • Spielen die Iberer gegen die Asiaten unentschieden, müsste Deutschland am Ende eine bessere Tordifferenz aufweisen als das dann punktgleiche Japan.
  • Gleiches gilt für das deutsche Team bei der Tordifferenz im Vergleich zu Spanien, sollte Japan den WM-Mitfavoriten schlagen.

Wie war es im Stadion?

Unsere ntv.de-Beobachter Stephan Uersfeld und David Bedürtig, bekannt für ihr furioses WM-Tagebuch, funkten folgende Grüße in die Heimat: Die Ränge des Beduinenzelts in Al-Khor füllten sich spät und dann nur spärlich. Immerhin hatten die Veranstalter diesmal den WM-Pokal für die Show vor dem Spiel mitgebracht. Ergriffene Stille beim "Feuerwerk" und dann wieder: "Stehen Sie auf, wenn Sie können". Die Nationalhymnen, bitte. Bei 24 Grad und 69 Prozent Luftfeuchtigkeit war das Al-Bayt diesmal überraschenderweise nicht überall runtergekühlt. Es war eines der wärmsten Spiele der WM. Der Stimmung war das nicht zuträglich. Zwischendurch waren sogar die Signale von Radio Müller bis hoch auf die Tribünen zu vernehmen. Weil alles auch irgendwie sinnlos erschien, versuchten sich die deutschen Fans an der Welle. Sie waren kaum erfolgreicher als im Spiel gegen Japan.