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Der erstaunliche Pfingst-Preissturz am Strommarkt

In Deutschland sind die Preise für Elektrizität am Pfingstmontag auf den tiefsten Stand seit mehr als fünf Jahren gefallen. Nach Angaben der Strombörse in Paris rutschte der Preis deutlich in den negativen Bereich. Eine Megawattstunde Elektrizität zur Auslieferung am Montag zwischen 14 und 15 Uhr notierte bei Minus 109,45 Euro. Deutsche Stromproduzenten mussten allein in dieser Stunde rund fünf Millionen Euro dazuzahlen, um die Elektrizität am Markt unterzubringen.

Dass Strom zu einer bestimmten Zeit keinen Wert mehr hat und praktisch nur noch gegen Gebühr am Markt „entsorgt“ werden kann, tritt häufiger auf. Am Pfingstwochenende war dafür das hohe Aufkommen an Solarstrom mitverantwortlich, das feiertagsbedingt auf eine sehr niedrige Nachfrage traf.

Der südwestdeutsche Netzbetreiber TransnetBW meldete für Sonntag sogar die solare Vollversorgung: Am Mittag zwischen 14 und 16 Uhr konnte die gesamte Stromnachfrage Baden-Württembergs komplett aus Sonnenenergie gedeckt werden.

Zu negativen Preisen kommt es unter anderem, wenn die wetterabhängige Stromproduktion so kurzfristig für Überschüsse sorgt, dass es sich für konventionelle Kohle- oder Gaskraftwerke nicht rechnet, die Produktion komplett herunterzufahren. Einige Kraftwerke müssen zudem trotz Überangebot am Markt bleiben, weil ihre Abwärme für Industrieprozesse oder Fernwärmenetze benötigt wird.

Die Kraftwerksbetreiber bleiben dann am Netz und akzeptieren für diese Zeit, ihren Strom nur gegen Zuzahlung abgeben zu können. Auch die Betreiber von Wind- und Solarparks hatten Einnahme-Ausfälle zu verzeichnen. Nach einer Sonderregel erhalten sie keine Einspeisevergütung für ihren Strom, wenn der Preis an der Strombörse für mehr als sechs Stunden negativ bleibt. Das war am Wochenende der Fall.

Energie-Experten sehen in dem Phänomen negativer Preise kein Marktversagen. Durch sie entstehe erst ein Geschäftsmodell für Stromspeicher und andere Flexibilitäts-Optionen, erklärte eine Sprecherin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW): Negative Strompreise seien „durchaus sinnvoll, da Verbraucher die untertägigen Preisdifferenzen nutzen können und somit Flexibilitäts-Optionen wirtschaftlich sein können, wie zum Beispiel der Betrieb von Batteriespeichern und Elektrolyseuren zur Wasserstoffproduktion“.

Quelle: Infografik WELT

„Negative Strompreise geben ein wichtiges Signal: Sie lehren die Stromproduzenten, was die Kosten von Inflexibilität sind“, sagte Christoph Maurer, Energieexperte beim Beratungshaus Consentec. Ein relativ neues Phänomen sei, dass die Strompreise am Wochenende nicht nur in Deutschland, sondern fast flächendeckend in Europa negativ wurden. Im Ausland sei die Flexibilität der Stromproduzenten offenbar noch geringer ausgeprägt, so Maurer. Er verwies etwa auf die Niederlande, wo zu Pfingsten noch deutlich tiefere Minuspreise verzeichnet wurden: „Womöglich werden wir negative Strompreise zunehmend importieren.“

Auch Casimir Lorenz von Aurora Energy Resereach sieht in den negativen Preisen ein Signal dafür, dass „unser Stromsystem noch nicht flexibel genug ist“. Allerdings reagiere der Markt bereits: „Wir sehen sehr großes Interesse von Investoren an Stromspeichern.“

Nach Angaben der Strombörse EPEX Spot in Paris wurden in diesem Jahr noch keine Rekordwerte gemessen. Seit Jahresbeginn habe es in Deutschland im Day-Ahead-Markt in 54 Stunden Negativpreise gegeben, im Jahr 2021 waren es 139 Stunden im Gesamtjahr und 2020 sogar 298 Stunden. Auch tiefere Notierungen gab es schon, etwa 2012 mit einem Börsenpreis von Minus 221 Euro pro Megawattstunde.

Hohe Entschädigungen für Wind- und Solarparks

Bei zu großem Stromangebot können die Netzbetreiber auch Wind- und Solarparks abregeln. Die Betreiber werden für dieses sogenannte Einspeisemanagement („EinsMan“) entschädigt. In den vergangenen Jahren betrug die Höhe der Entschädigungszahlungen für abgeregelten Ökostrom jeweils rund 800 Millionen Euro.

Temporäre „Spitzen“ der Ökostrom-Produktion werden mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien zunehmen. Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) meldete am Montag die Inbetriebnahme der dreimillionsten Photovoltaik-Anlage in Deutschland. Allein auf Eigenheimen wurden im ersten Quartal dieses Jahres mehr als doppelt so viele Solarstromanlagen in Betrieb genommen wie im Vorjahreszeitraum (plus 129 Prozent).

Damit ist hier eine Leistung von 70 Gigawatt Solarkraft installiert. „Die jährliche Solarstromernte des hierzulande installierten PV-Kraftwerksbestands reicht aus, um mehr als zehn Prozent des heimischen Strombedarfs klimafreundlich zu decken“, teilt der BSW mit. Nach Beschlüssen der Ampelkoalition soll ihr Anteil in den kommenden zehn Jahren auf rund 30 Prozent ausgebaut werden.

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