Germany
This article was added by the user . TheWorldNews is not responsible for the content of the platform.

DIW-Experte: „Indexmieten zu regulieren ist keine gute Idee“

Immer mehr Mietverträge sind an die Inflation gekoppelt. Die Grünen wollen Indexmieten nun regulieren. DIW-Immobilienexperte Konstantin Kholodilin hält davon nichts: Mieter und Politik hätten bessere Möglichkeiten, um Druck aus dem Markt zu nehmen

Capital: Herr Kholodilin, die Grünen wollen Indexmieten regulieren. Ist das sinnvoll?
KONSTANTIN KHOLODILIN: Indexmieten geben Vermietern die Möglichkeit, ihre Mieten vor Wertverlust zu schützen. Wir haben in Deutschland schon ausreichend Instrumente für die Preiskontrolle, zum Beispiel die Mietpreisbremse oder Kappungsgrenze, die in vielen Regionen wirken. Wenn man jetzt noch weiter reguliert, wird das dem Wohnungsmarkt aus meiner Sicht nichts Gutes tun. Eine solche Regulierung fiele unter die Kategorie der Mietpreiskontrolle. Aus der empirischen Literatur weiß man, dass solche Instrumente zwar ziemlich effektiv Mietpreise bremsen, aber auf der anderen Seite auch eine Reihe unerwünschter Effekte haben: Die Qualität der Wohnungen geht zurück und die Neubauaktivität leidet, die in den vergangenen zwei Jahren sowieso nicht glänzend war. Der Mietmarkt wird weniger dynamisch, weil Menschen versuchen werden, höhere Mieten durch einen Umzug zu vermeiden. Langfristig kann eine überstarke Regulierung in einigen Jahrzehnten sogar dazu führen, dass Wohnungen vom Mietmarkt verschwinden, wenn Eigentümer die Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umwandeln.

Konstantin A. Kholodilin ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Makroökonomie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Er forscht zu Immobilienmärkten, Big Data und führt Wirtschaftsprognosen durch.

Ich hätte jetzt genau das Gegenteil von Ihnen erwartet, nämlich dass Sie sagen, die Regulierung ist eine gute Idee.
Nein, ist sie eigentlich nicht. Seit einigen Monaten werte ich Effekte verschiedener Wohnungsmarktpolitiken aus. Dazu zählen nicht nur Instrumente der Mietpreiskontrolle, sondern auch Wohngeld, soziale Wohnungspolitik, Landnutzungsregulierungen, Baustandards und die steuerliche Behandlung der Eigentümer. Dazu habe ich mir über 300 verschiedene Studien angeschaut. Die Effekte dieser Maßnahmen sind zwar unterschiedlich, aber oft verfehlen sie ihr Ziel. Die Mietpreiskreiskontrolle ist ein Paradebeispiel. Oft erreicht man nicht, was man erreichen wollte.

Warum?
Wenn man sich in die Preissetzung einmischt und versucht, Markt zu spielen, dann führt das sehr oft zu negativen Konsequenzen. Zumindest besagt das die Mehrheit der ausgewerteten Studien. Die Mehrheit der wissenschaftlichen Arbeiten zur Mietpreisbremse zeigt, dass die durch die Mietpreisbremse kontrollierten Mieten zurückgehen, aber die unkontrollierten Mieten, bei denen die Preisbremse nicht greift, stärker steigen.

Sind Indexmieten ein neues Phänomen oder woher kommt der plötzliche Aufschrei?
Nein, Indexmieten sind kein neues Phänomen, sie wurden schon 1993 eingeführt, aber bisher betrug ihr Anteil nur knapp 14 Prozent aller neu abgeschlossenen Mietverträge. Das zeigt eine Umfrage vom Eigentümerverein Haus & Grund, die 2022 durchgeführt wurde. Eine Klausel zur Indexmiete im Mietvertrag war bisher nicht besonders populär, weil auch die Inflation sehr niedrig war.

Ein Verkaufsschild hängt vor einem Haus in Berlin

Die Immobilienpreise sinken und gleichzeitig auch die Nachfrage von Käufern, die sich eine Finanzierung wegen der teuren Bauzinsen nicht mehr leisten können. Jetzt ist die Gelegenheit, um einen guten Preis zu verhandeln

Werden inzwischen mehr Mietverträge mit Index-Klauseln abgeschlossen?
Genaue und repräsentative Zahlen haben wir nicht. Der Deutsche Mieterbund schätzt, dass inzwischen jeder dritte neu abgeschlossene Mietvertrag in Deutschland eine Indexmiete enthält. In Berlin sollen bis zu 70 Prozent der Mietverträge an die Inflation gekoppelt sein, in Hamburg sind laut den Daten 50 Prozent aller Neuverträge indexiert. Man muss das allerdings relativieren, weil Indexmieten bei kommunalen Wohnungsunternehmen und Genossenschaften nicht erlaubt sind. Und die machen einen ziemlich großen Anteil am Markt aus. Wenn ich Vermieter wäre, dann würde ich wahrscheinlich bei heutigen Vermietungen genau diesen Weg wählen und deshalb kann man schon vermuten, dass das ein Trend ist.

Wenn die Inflation sinkt, sinkt dann automatisch auch die indexierte Miete?
Rein theoretisch sollte das so sein. Wenn ich eine indexierte Miete in meinem Vertrag habe, dann muss der Vermieter sie in beide Richtungen anpassen. Die Steigerungsrate wird nach unten revidiert, wenn sich die Inflation abflacht. Nur gab es in den letzten 70 Jahren kaum eine Periode, in der die Verbraucherpreise gesunken sind.

Jahrelang war die Inflation sehr niedrig, Mieter mit Indexmieten mussten wenig befürchten. Ist es fair, wenn Vermieter jetzt die Mieten an die hohen Verbraucherpreise anpassen?
Aus Sicht der Vermieter schon. Wenn sie die Mieten nicht erhöhen und alle anderen Kosten steigen, dann müssten sie letztendlich dafür bezahlen. Ob das gerecht ist oder nicht, das ist eine schwierige Frage. Eine Vermieterin kann ihre Mieter als Menschen lieben, aber wenn sie eine 10 Prozent höhere Rechnung erhält, muss sie etwas unternehmen. Sie kann die Kosten nicht aus reiner Menschenliebe begleichen. Bäcker heben ja auch die Brötchenpreise an, wenn seine Energiepreise steigen.

Drei zusammengerollte 20-Euro-Scheine

Seit Januar müssen sich Vermieter an den CO₂-Kosten für Heizung und Warmwasser beteiligen. Aber wie ermittle ich die?

Kann man als Mieterin über die Indexmiete mit dem Vermieter verhandeln?
Das hängt davon ab, wie gut die Beziehungen zwischen Mieter und Vermieter sind. In der Regel, so zeigt es die Forschung, sprechen kleinere private Vermieter häufiger persönlich mit ihren Mietern. Da gibt es die Möglichkeiten zur Verhandlung. Bei größeren Wohnungsunternehmen eher selten. Die meisten Vermieter werden ihre Möglichkeit ausschöpfen, wobei sicherlich nicht alle auf eine Erhöhung der Indexmiete in vollem Umfang bestehen.

Kann der Vermieter mit einer Indexmiete eine unbegrenzte Mieterhöhung durchsetzen? Die Kappungsgrenze besagt, dass innerhalb von drei Jahren nur 15 Prozent in angespannten Wohnungsmärkten und bis 20 Prozent in anderen Gebieten erhöht werden darf.
Bei Indexmieten gelten diese Kappungsgrenzen nicht. Vermieter können über diese Grenze hinaus die Miete erhöhen. Laut indexierten Verträgen darf man einmal im Jahr eine Mieterhöhung durchführen. Wenn wir mit einer Inflationsrate für 2022 von 10 Prozent rechnen, in diesem Jahr von 5 Prozent und 2024 von 3 Prozent Inflation ausgehen, dann steigt die Miete innerhalb dieser drei Jahren um mehr als 18 Prozent.

Welche Regulierung braucht der Mietmarkt, damit sich Durchschnittsverdienende künftig Wohnen wieder besser leisten können?
Es ist schwer, ein Allheilmittel vorzuschlagen. Alle Instrumente haben auch negative Effekte. Die beste Lösung wäre eine Mischung aus einem erweiterten Wohngeldanspruch und mehr sozialem Wohnungsbau, ohne Eingriff in die Preissetzung.

#Themen