Germany
This article was added by the user . TheWorldNews is not responsible for the content of the platform.

Drei Studien in einem Punkt eins: Rätsel um seltsame Hepatitis-Fälle bei Kindern gelöst?

Drei Studien in einem Punkt eins Rätsel um seltsame Hepatitis-Fälle bei Kindern gelöst?

Über Monate tauchen im Frühjahr 2022 mysteriöse Hepatitis-Fälle bei Kindern weltweit auf. Doch Hepatitisviren werden bei ihnen nicht festgestellt. Nun präsentieren gleich drei Studien dieselbe Erklärung für die Fälle: ein bislang unbeachtetes Virus. Aber auch der Corona-Lockdown könnte eine Rolle spielen.

IIm Frühjahr 2022 treten weltweit Fälle mit teils schwerer Hepatitis bei Kindern auf, einer Leberentzündung. Etwa 1000 Kinder erkranken laut Weltgesundheitsbehörde WHO bis Juli. Rund 50 der zum Teil sehr jungen Patienten benötigten eine Lebertransplantation, mindestens 22 starben. Doch bei den vorher gesunden Kindern konnte keine Hepatitisviren nachgewiesen werden - Mediziner standen vor einem Rätsel.

Doch Forschern finden eine mögliche Erklärung: Hinter den Fällen könnte das bislang unbeachtete Virus AAV2 und andere Faktoren stecken. Das legen unabhängig voneinander drei Studien (hier, hier und hier) im Fachblatt "Nature“ nahe. Die Forschungsgruppen unter Leitung der Universität von Glasgow, des University College London und der University of California fanden in Blut- und Lebergewebeproben entsprechender Kinder teils hohe Konzentrationen des Virus. Bereits im vergangenen Juli waren erste Ergebnisse der Untersuchungen bekannt geworden.

Adenovirus braucht "Helferviren"

Bisher dachte man, dass AAV2 keine Krankheiten verursachen kann. AAV2 kann auch keine Zellen alleine infizieren - es braucht andere Viren, um sich zu vermehren. Tatsächlich fanden die Forscher neben AAV2 Spuren eines Adenovirus und eines Herpesvirus, die als "Helferviren" wirken könnten. Die Wissenschaftler vermuten, dass diese die Vermehrung von AAV2 ermöglichen und zur Schwere der Leberschäden beitragen könnten.

Die Forscher aus Kalifornien beobachteten bei allen erkrankten Kindern sogenannte Co-Infektionen, hier dem Epstein-Barr-Virus oder einem Herpesvirus. "Wir waren überrascht von der Tatsache, dass die Infektionen, die wir bei diesen Kindern feststellten, nicht durch ein ungewöhnliches, neu auftretendes Virus verursacht wurden, sondern durch häufige virale Kinderkrankheitserreger", merkt Charles Chiu, Hauptautor der US-Studie, in einer Mitteilung an.

Globaler Charakter der Studie "wertvoll"

"Alle drei Studien machen die gleiche Beobachtung von AAV2 bei Kindern mit ungeklärter akuter Hepatitis", fasst Frank Tacke von der Berliner Charité in einem begleitenden Kommentar zusammen. Die Tatsache, dass die Untersuchungen auf zwei Kontinenten durchgeführt worden seien, mache sie angesichts des globalen Charakters des Ausbruchs noch wertvoller. Allerdings sind alle Untersuchungen rückblickend durchgeführt worden und haben nur relativ wenige Fälle sowie eine noch kleinere Zahl verfügbarer Leberproben umfasst. Um mögliche Faktoren oder Co-Faktoren für die Krankheitsentwicklung aufzudecken, sind auch mehr Informationen über die erkrankten Kinder nötig, betont Tacke.

Die Autoren der Studien betonen selbst, dass ihre Arbeiten AAV2 zwar mit dem jüngsten Anstieg der ungeklärten Hepatitis-Fälle in Verbindung bringen würden. Es bleibe aber unklar, welche Rolle das Virus bei der Entstehung der Leberentzündung spiele. Hier wären gezielte und kontrollierte Folgeuntersuchungen nötig, so Tacke. Er schreibt: "Direkte Beweise dafür, wie AAV2 Hepatitis verursachen könnte, gibt es nur begrenzt."

Ursache in den Genen der Betroffenen?

Und die Forscher finden auch noch einen anderen möglichen Faktor bei den Hepatitis-Erkrankungen: Genetische Analysen der Forschungsgruppe aus Glasgow legen nahe, dass eine abnormale Immunreaktion aufgrund entsprechender Erbanlagen ursächlich für die Hepatitis sein könnte - und nicht etwa eine direkte leberschädigende Wirkung von AAV2.

Die Wissenschaftler stellten fest, dass 93 Prozent der erkrankten Kinder Träger einer Genvariante waren, die eine Anfälligkeit für Autoimmunkrankheiten mit Beteiligung von Immunzellen, den sogenannten T-Zellen, aufweist. Auch die Forscher aus London fanden bei einem Vergleich der Leberproben von Erkrankten und gesunden Kontrollpersonen Hinweise auf einen immunvermittelten Prozess.

"Einer Flut von Viren ausgesetzt"

In seinem Kommentar schließt Frank Tacke indes nicht aus, dass auch das Coronavirus eine Bedeutung haben könnte: Eine direkte Beteiligung von Sars-CoV-2 könne nicht ausgeschlossen werden, ebenso sei eine indirekte Wirkung denkbar. So sei die Hepatitis-Welle im Frühjahr 2022 mit der Lockerung der Covid-19-Maßnahmen auf der ganzen Welt aufgekommen. "Der Zeitpunkt des Ausbruchs könnte damit erklärt werden, dass die Kinder nach den Schließungen plötzlich einer Flut von Viren ausgesetzt waren oder ein schlecht ausgebildetes Immunsystem hatten, was zu einer erhöhten Anfälligkeit für ansonsten harmlose Viren führte."

Eine Vermutung, die auch Charles Chiu, Hauptautor der US-Studie äußert: "Es könnte eine unbeabsichtigte Folge dessen sein, was wir in den letzten zwei bis drei Jahren der Pandemie erlebt haben." Mittlerweile habe die Häufung akuter schwerer Hepatitis bei Kindern nachgelassen. Der beste Weg, sie weiterhin davor zu schützen, sei häufiges Händewaschen und sie zu Hause zu behalten, wenn sie krank sind.