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"Eigenes Zuhause der gefährlichste Ort": Schweinfurter Frauenplenum kritisiert Umgang mit Gewalt an Frauen

Sabine Dreibholz und die Vertreterinnen des Frauenplenums haben "die Nase voll". Schon wieder müsse man "an diesem publikumsfernen Platz" die Fahne hissen und "Reden schwingen, die außer uns niemand hört und sieht". Damit meint sie den Martin-Luther-Platz, vor dem Friedrich-Rückert-Bau gegenüber der St. Johanniskirche, auf dem sich um sie herum etwa 45 Zuhörerinnen und Zuhörer versammelt haben.

Dreibholz, Leiterin des Schweinfurter Frauenhauses, sagt: "Die Spitze der Stadt Schweinfurt scheint dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und dem Thema Gewaltschutz nur eine geringe Bedeutung einzuräumen."

Zum 20. Mal beteiligte sich das Frauenplenum der Stadt Schweinfurt am 25. November an der bundesweiten Fahnenaktion von Terre des Femmes, der gemeinnützigen Menschenrechtsorganisation für Frauen. "Eigentlich sind Jubiläen dazu da, sie zu feiern", sagt Heide Wunder, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Schweinfurt. Doch an diesem Tag gebe es nichts zu feiern.

Eigenes Zuhause ist der gefährlichste Ort

Der 25. November dient dem Gedenken an die vielen Mädchen und Frauen, deren Leben durch Gewalterfahrungen gezeichnet sind. Dem solidarischen Aufstand und der Gegenwehr. "Ich denke, wir müssen da derzeit nur einen Blick in den Iran werfen", sagt Wunder.

Das diesjährige Motto: "Trautes Heim, Leid allein". Wunder sagt: "Das eigene Zuhause ist für viele Frauen immer noch der gefährlichste Ort." Das zeigen auch die Statistiken: Für das Jahr 2021 registrierten die Behörden insgesamt 143.604 Opfer von Gewalt, die von Partnern oder Ex-Partnern ausging, wie aus einer Statistik des Bundeskriminalamtes hervorgeht. Jeden Tag gibt es in Deutschland einen polizeilich registrierten Tötungsversuch an einer Frau. Und fast jeden dritten Tag stirbt eine Frau durch ihren derzeitigen oder vorherigen Partner. Im Jahr 2021 waren es 113.  

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"Es trifft 80 Prozent der Frauen, egal aus welcher sozialen Schicht oder Altersgruppe sie kommen", berichtet die Gleichstellungsbeauftragte. "Das bedeutet, dass jede und jeder von uns Betroffene im Freundes- oder Familienkreis hat."

Der Ehemann oder Ex-Partner als statistisch gefährlichster Mensch

Der statistisch gefährlichste Mensch für Frauen sei der eigene Ehemann oder Ex-Partner, die statistisch gefährlichste Zeit die der unmittelbaren Trennung, berichtet Dreibholz."Lange wurde von Beziehungsdramen oder Familientragödien gesprochen", sagt die Leiterin des Frauenhauses. "Doch es sind Morde an Frauen, weil sie Frauen sind. Es sind Femizide."

Der Staat müsse handeln und diese Taten auch als Morde ahnden und dafür das Strafgesetz verschärfen. "Femizide sind ein strukturelles Problem unserer Gesellschaft und haben ihre Wurzeln im Patriarchiat und nicht in bestimmten Kulturen oder Traditionen", findet Dreibholz.

Dreibholz wirft einen Blick auf die Situation in Spanien, das mittlerweile als europäisches Vorbild gilt. Schon 2004 verabschiedete das spanische Parlament ein "Gesetz gegen geschlechtsspezifische Gewalt". Ein Sondergesetz mit umfangreichen Schutzmaßnahmen für die Betroffenen, Sondereinheiten bei der Polizei und mehr als 30 Sondergerichten für Fälle von Gewalt gegen Frauen.

In Spanien ist das Thema "Staatsaufgabe mit hoher Priorität"

Seit 2017 ist das Thema sogar "Staatsaufgabe mit hoher Priorität" und seit Januar 2022 werden alle Formen von Femiziden erfasst, im sozialen Umfeld oder in Verbindung mit Prostitution und Ausbeutung. Und die Zahlen sinken. Dreibholz sagt: "Das Beispiel Spanien zeigt: Eine moderne Gesetzgebung ist die Basis im Kampf für Frauenrechte."

In Deutschland trauen sich noch immer viele Frauen nicht zur Polizei. Und: "Aufgrund von finanzieller und emotionaler Abhängigkeit können sich viele betroffene Frauen nicht aus ihren gewaltvollen Beziehungen befreien", sagt Gleichstellungsbeauftragte Wunder. So blieben viele Fälle von häuslicher Gewalt unentdeckt.

Schweinfurts Dritte Bürgermeisterin Ayfer Rethschulte dankt allen, die sich beruflich als auch ehrenamtlich in dem Bereich einsetzen und richtet einen Appell an die Anwesenden: "Helfen Sie anderen Frauen, nicht nur an einem Tag im Jahr, sondern das ganze Jahr über." Schon im Vorfeld der Veranstaltung hatte Heide Wunder Apotheken, Kindergärten und Familienstützpunkte mit Taschentüchern, auf denen wichtige Telefonnummern und Adressen für Hilfsangebote stehen, versorgt.