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Ein abgesagter Staatsstreich – die vorläufige Bilanz der Razzia

Die Sicherheitsbehörden aus Bund und Ländern sind am Mittwochmorgen gegen eine Gruppe aus dem Spektrum der Reichsbürger vorgegangen. Der Generalbundesanwalt wirft ihnen die Bildung einer terroristischen Vereinigung vor. Sie sollen spätestens Ende November 2021 das Ziel eines gewaltsamen Umsturzes der staatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland verfolgt haben.

Bei der Razzia wurden 22 mutmaßliche Mitglieder und drei Unterstützer der Gruppe festgenommen. Bis Mittwochabend ergingen laut einem Sprecher des Generalbundesanwaltes 19 Haftbefehle. Die weiteren Beschuldigten sollen im weiteren Verlauf des Tages oder am Donnerstag einem Ermittlungsrichter vorgeführt werden.

BKA-Präsident Holger Münch nannte am Mittwochabend im ZDF-„heute journal“ die Zahl von mittlerweile 54 Beschuldigten. Bei rund 50 durchsuchten Objekten seien auch Waffen festgestellt worden.

Bei der Razzia durchsuchten rund 3000 Polizisten etwa 150 Objekte in elf Bundesländern. Die Festnahmen erfolgten in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Niedersachsen, Sachsen, Thüringen, sowie im österreichischen Kitzbühel und in der italienischen Stadt Perugia. Zum Einsatz kamen auch Spezialeinheiten der Bundespolizei und der Polizeibehörden der Länder. Nach Informationen von WELT wurden bislang eine scharfe Schusswaffe, Schreckschusswaffen, Prepper-Vorräte und Tausende Euro Bargeld gefunden. Ein Sprecher des Generalbundesanwaltes konnte zu beschlagnahmten Gegenständen am Mittwochnachmittag keine Auskünfte erteilen. Die Auswertung dauere an.

Als mutmaßliche Rädelsführer der Reichsbürger-Gruppe wurden ein Abkömmling eines alten Adelsgeschlechts, Prinz Heinrich XIII. Reuß, sowie ein Stabsfeldwebel der Bundeswehr-Spezialeinheit „Kommando Spezialkräfte“ festgenommen. Abgeführt wurde auch die einstige Berliner AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann. Ihr Amt als Richterin am Berliner Landgericht darf sie nach einer am Mittwoch ergangenen Entscheidung des Gerichts nicht mehr ausüben.

Laut Generalbundesanwalt hatten Mitglieder der Gruppe geplant, in Berlin mit Waffengewalt in Gebäude des Bundestages einzudringen. Der „militärische“ Arm der Vereinigung sollte den demokratischen Rechtsstaat den Ermittlungen zufolge auch auf Ebene der Gemeinden, Kreise und Kommunen beseitigen. Der Gruppe sei bewusst gewesen, dass es „dabei auch zu Toten“ kommen könne. Bundesinnenministerin Nancy Faeser sprach von einem „Blick in den Abgrund terroristischer Bedrohungen“.

Der Terrorismusexperte Peter Neumann sieht in der sogenannten Reichsbürgerszene eine ernste Bedrohung für die Sicherheit in Deutschland. „Der Rechtsextremismus stellt meiner Einschätzung nach die größte terroristische Bedrohung in Deutschland dar und innerhalb dieser Szene sind die Reichsbürger aktuell die aggressivsten“, sagte Neumann dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Von ihnen geht die größte Gefahr terroristischer Gewalt aus. Sie sind fähig und willig, schwere Terroranschläge gegen den Staat zu verüben“, warnte Neumann.

Die Entschlossenheit der Reichsbürgerbewegung zu solchen Taten sei durch die Corona-Pandemie so stark gewachsen wie bei keiner anderen Gruppe. „Sie formulieren am deutlichsten Widerstandsnarrative und behaupten, Recht und Legitimation zu besitzen, um gegen den Staat bewaffneten Widerstand zu leisten“, sagte der Experte. Leider besäßen viele von ihnen Waffen oder seien an ihnen trainiert.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, pocht nach den Razzien am Mittwoch auf eine konsequente Entfernung von Reichsbürgern aus dem öffentlichen Dienst. „Ausgebildete und bewaffnete Mitarbeiter aus Sicherheitsbehörden, die sich rechtsextremen Netzwerken anschließen, stellen eine besondere Gefährdung für unsere Demokratie dar und müssen konsequent aus dem Öffentlichen Dienst entfernt werden“, sagte Mihalic dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

In der Aufarbeitung müsse sich nun auch mit der Frage auseinandergesetzt werden, wie bekannte Rechtsextreme und Reichsbürger konsequent aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden können. „Hier bestehen bislang zu wenig Handlungsmöglichkeiten.“