Jedes Jahr, von Mitte September bis Anfang Oktober, verändert sich München. Dann steigt dort das Oktoberfest, das größte Volksfest der Welt. Manch einer spart das ganze Jahr darauf.
Es dauert nicht mehr lange, dann beginnt in München die fünfte Jahreszeit: Das Oktoberfest. Am 14. September geht es los. Mehr als sechs Millionen Besucher werden erwartet, locker 7,5 Millionen Liter Bier fließen in deren Mägen. Hähnchen, Schweinshaxen, Brezeln, kandierte Äpfel und jede Menge Fahr- und Laufgeschäfte bietet das Fest, das Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck einmal den "größten Drogenumschlagplatz der Welt" nannte. "Oans, zwoa, G'suffa", das ist auch dieses Jahr das geheime Motto des Festes, das die Münchner die "Wiesn" nennen, nach der Theresienwiese, auf der es steigt.
Alles beginnt im Jahr 1810. Da heiraten der bayerische Kronprinz Ludwig und Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen. Fünf Tage dauert die Hochzeit. Am letzten Tag, dem 12. Oktober, findet auf einer Wiese vor den Toren Münchens ein Pferderennen statt. Kinder sind da, sagen Gedichte auf, Blumen schmücken den Festplatz, der zu Ehren der sächsischen Prinzessin den Namen Theresienwiese bekommt.
Das Pferderennen ist ein Riesenhit. Darum wird es ein Jahr später wieder ausgetragen, diesmal mit einer landwirtschaftlichen Ausstellung. Die wird jedes Jahr größer. Bierzelte kommen hinzu, Bäcker, Schlachter, Bauern und Handwerker zeigen, was sie können. 1818 dreht sich das erste Karussell, auch zwei Schaukeln werden aufgebaut. In fast jedem Jahr wird seitdem die "Wiesn" gefeiert - außer im Ersten und Zweiten Weltkrieg und während der Corona-Pandemie. Nur das Pferderennen gibt es nicht mehr. Das wird 1938 abgeschafft - aus organisatorischen Gründen.
Zeitgeist und Hightech
Mittlerweile hat man das Oktoberfest in den September vorverlegt: Da ist das Wetter schöner. Es beginnt am dritten Samstag des Monats und endet gewöhnlich am ersten Oktobersonntag. Dieses Jahr dauert es jedoch zwei Tage länger.


Das Oktoberfest wird weltweit vermarktet, mit Sonderflügen und einem einheitlichen Konzept.
(Foto: picture alliance/dpa)
Was die Fahrgeschäfte angeht, ist die "Wiesn" mittlerweile ein Hightech-Event geworden, und was Speisen und Getränke angeht, wird heute Nachhaltigkeit großgeschrieben. Es gibt vegetarische und vegane Speisen, und in vielen Festzelten werden Bioprodukte gereicht. Im Paulaner-Zelt werben die Betreiber damit, dass ausschließlich Biohähnchen auf den Grill kommen - für zwanzig Euro das Stück.
Das mit den Preisen ist überhaupt so ein Ding auf dem Oktoberfest. Viele Münchner sparen ein ganzes Jahr, um auf der "Wiesn" zu schlemmen, zu trinken und zu feiern - an jedem Festtag, versteht sich. Jeden Tag öffnet die "Wiesn" um 10 Uhr am Morgen, und um halb zwölf in der Nacht ist Schluss. Doch dann geht es in den umliegenden Wirtschaften weiter. Trotzdem: Besonders die Bierpreise werden jedes Jahr in München diskutiert. Bis zu 14,90 Euro: Soviel darf eine Maß Bier in diesem Jahr kosten. Der Mindestpreis liegt bei gut zwölf Euro. Aber "Wiesn"-Chef und Referent für Arbeit und Wirtschaft in München, Clemens Baumgärtner, sagt im Gespräch mit ntv.de: "Gehen Sie mal in die Restaurants in der City. Da sind Preise von zwölf Euro für den Liter Bier keine Seltenheit. Und auf dem Oktoberfest kommt noch die Feier hinzu."
München und die Wiesn


Der offizielle Krug der Wiesn-Wirte, auch als Souvenir für 35 Euro erhältlich.
(Foto: picture alliance/dpa)
Mit den gut zwei Wochen Oktoberfest ist es in München jedoch nicht getan. Eigentlich beginnt alles schon im Juni. Dann stellen die Wiesn-Wirte ihren Maßkrug vor, der jedes Jahr neu entworfen wird. Ein kapitaler Hirsch mit riesigem Geweih ziert ihn dieses Jahr, entworfen vom Grafiker Rudi Skukalek. Die 15 Enden des Geweihs stehen für die 15 großen Bierzelte - der Hirsch für das traditionelle 200-Liter-Fass des Oktoberfestes.
"Mit dem Aufbau fangen wir in der Regel am Ende der ersten Juliwoche an", sagt Wiesn-Chef Baumgärtner. "Der dauert dann etwa bis vier oder fünf Tage vor der Wiesn. Es gibt immer noch ein paar Nachrücker, die bauen noch bis einen Tag vorm Wiesn-Beginn." In dieser Zeit ist die Theresienwiese teilweise gesperrt, aber nur dort, wo auch gebaut wird. "Unsere Gäste dürfen natürlich auch während der Bauphase die Theresienwiese betreten. Wir haben um die Baustelle herum immer Rad- und Fußwegdurchführungen. Eine Unbetretbarkeit der Theresienwiese haben Sie im Prinzip nie. Die Frage ist nur, wie viel Fläche zur Verfügung steht", sagt Neubauer. Mit dem Abbau geht es dann sehr schnell: Gut anderthalb Monate nach Oktoberfestende sieht man nichts mehr davon.


Ab Juli läuft der Aufbau auf der Theresienwiese.
(Foto: AP)
Für viele Besucher ist das Angebot auf dem Fest schier unübersichtlich. Doch einen Anlaufpunkt gibt es, den man auf keinen Fall versäumen sollte: Die Oide, also die alte Wiesn. Hier kann man in den Bierzelten echtes bayerisches Brauchtum erleben, der Schweinsbraten schmeckt wie vor 150 Jahren, und sogar ein über hundert Jahre altes Kettenkarussell ist da - Eine Fahrt kostet 1,50 Euro. "Damit würde ich anfangen", empfiehlt Baumgärtner. Die oide Wiesn ist im Süden der Theresienwiese. Von da aus empfiehlt Baumgärtner den Gang aufs Fest, um richtig zu feiern - in einem der Festzelte. Und zwischendurch sollte man auch das eine oder andere Fahr- oder Laufgeschäft ausprobieren - wie Mr. Gravity. Das sieht ähnlich aus wie eine fliegende Bratpfanne, in der man aber nach Kräften durchgerüttelt wird.
Dafür, dass den Gästen nichts passiert, sorgen Sicherheitspersonal und sechzig Kameras, die das Oktoberfestgelände im Blick haben. "Wir können in unseren Lagezentren mit den Kameras schwenken, zoomen, bewegen. Wir können alles machen, damit die Gäste sich sicher fühlen können. Der Platz ist deutlich überwachter als jede öffentliche Fläche in Deutschland. Sicherer als auf der Wiesen können Sie gar nicht feiern", sagt Baumgärtner. Das hat durchaus pragmatische Gründe. Wer sich wohlfühlt, schaut nicht unbedingt auf den Cent. Insgesamt geben die Besucher jedes Jahr bis zu 1,5 Milliarden Euro aus - fürs Fest, Taxis, Gaststättenbesuche, Hotels und den Einzelhandel rundherum.
Exportschlager Wiesn
Das hat man auch in anderen Städten im In- und Ausland erkannt. Das Münchner Oktoberfest ist zu einem der wichtigsten Exportschlager Deutschlands geworden. Mittlerweile gibt es das bayerische Fest im australischen Brisbane, der namibischen Hauptstadt Windhoek oder in Münchens Partnerstadt Cincinnati.
Besonders hoch geht es seit 1984 in Blumenau her, einer Stadt in Brasilien. Nach dem Karneval in Rio hat sich das Blumenauer Oktoberfest als das zweitgrößte Volksfest des Landes etabliert. Und auch dort kommt die bayerische Lebensart an: Immerhin verzeichnet das zweiwöchige Fest jedes Jahr bis zu 600.000 Besucher.