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Einzeldosis hält sechs Wochen: Magic Mushrooms: Linderung bei schweren Depressionen?

Einzeldosis hält sechs Wochen Magic Mushrooms: Linderung bei schweren Depressionen?

Die Wirkstoffe von Zauberpilzen könnten mehr sein als Drogen zur Bewusstseinserweiterung. Forschende kommen zu dem Schluss, dass Magic Mushrooms manchen Betroffenen mit schweren Depressionen helfen könnten. Doch bis zur Zulassung sind noch viele Fragen offen.

Magic Mushrooms, Zauberpilze, Shrooms, oder Psilos: Als Rauschmittel haben psilocybinhaltige Pilze viele Namen. Zunehmend geraten die psychoaktiven Pilze allerdings auch in den Fokus der Forschung - Patienten und Patientinnen mit schwersten Depressionen könnten von den halluzinogenen Substanzen profitieren, wie die Ergebnisse einer US-amerikanische Studie zeigen.

In der im Fachblatt "JAMA" veröffentlichten Arbeit berichtet eine US-Forschungsgruppe, dass bereits eine Einmaldosis Psilocybin ausreichte, um depressive Symptome bis zu sechs Wochen lang zu lindern. Die Substanz kommt in einigen Pilzarten vor und dabei insbesondere in solchen aus der Gattung der Kahlköpfe, die auch in Deutschland zu finden sind. Ihr Verzehr - ob getrocknet, frisch oder als Pulver in Kapselform oder in Tee aufgelöst - löst einen Rauschzustand aus, der mit Halluzinationen verbunden sein kann.

Von starken Emotionen bis Horror-Trip

Im Körper wird Psilocybin, das strukturell mit dem Neurotransmitter Serotonin verwandt ist, zu Psilocin umgewandelt, das wiederum auf das zentrale Nervensystem und hier vor allem auf die Serotoninrezeptoren wirkt. Konsumenten erzählen davon, dass sich die Wahrnehmung von Raum und Zeit verändert, Emotionen verstärkt und Sinneseindrücke verschmolzen werden. Daneben gibt es aber auch viele Berichte von Horrortrips, die in Paranoia und anhaltenden Angstzuständen endeten.

So gerieten die neben anderen halluzinogenen Wirkstoffen nicht zuletzt im Rahmen der Hippie-Bewegung populär gewordenen Pilze spätestens ab den 1980er Jahren mehr und mehr in Verruf, wurden vielerorts verboten und als Drogen eingestuft. Auch in Deutschland fallen Psilocybin und Pilze, welche die Substanz enthalten, unter das Betäubungsmittelgesetz, welches Besitz und Handel verbietet.

Weniger Depressionssymptome

Seit einigen Jahren erleben die Zauberpilze nun allerdings vor allem in der Forschung einen regelrechten Hype und das insbesondere, wenn es um die Therapie von schweren Depressionen geht, wie auch die aktuelle "JAMA"-Studie zeigt. Deren Autoren teilten gut 100 Patienten und Patientinnen in zwei Gruppen ein, von denen die erste eine einmalige Gabe von 25 Milligramm Psilocybin erhielt, die zweite ein Placebo und beide begleitend psychologische Betreuung.

"Die Psilocybin-Behandlung war mit einer klinisch signifikanten und anhaltenden Verringerung der depressiven Symptome und der funktionellen Beeinträchtigung verbunden, ohne dass es zu schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen kam", berichten die Autoren nach Ablauf des Untersuchungszeitraums von sechs Wochen. Zu den vereinzelten Nebenwirkungen gehörten Migräne und Kopfschmerzen sowie in einem Fall eine Panikattacke mit Paranoia. Für die Wissenschaftler ist ihre Studie insgesamt ein weiterer Hinweis darauf, dass Psilocybin - wenn es mit psychologischer Unterstützung verabreicht werde - ein vielversprechendes neues Mittel zur Behandlung schwerer Depressionen sein könnte.

Betroffene mit behandlungsresistenten Depressionen

Tatsächlich ist die Studie bei Weitem nicht die erste, die zu diesem Ergebnis kommt. Schon im vergangenen Jahr hatte eine im renommierten "New England Journal of Medicine" veröffentlichte Arbeit berichtet, dass Psilocybin zumindest kurzfristig die Symptome schwerster Depressionen lindern könnte. Wie bei der JAMA-Arbeit handelte es sich auch hier um eine Phase-II-Studie, also eine erste Erprobung an Menschen.

Über 200 Probanden mit behandlungsresistenten Depressionen wurden in drei Gruppen eingeteilt, welche unterschiedliche Einmal-Dosen des synthetisch hergestellten Pilzwirkstoffs bekamen. In der Gruppe mit der höchsten Dosierung - 25 Milligramm - profitierten am meisten Menschen von der Behandlung und das bei einigen von ihnen auch drei Monate nach der Wirkstoffgabe.

Weitere klinische Studien sind gerechtfertigt

"Die Ergebnisse der Studie sind nicht unerwartet", kommentierte Gerhard Gründer vom Zentralinstitut für seelische Gesundheit Mannheim damals. Sie seien zwar bei Weitem nicht so positiv, wie die ersten kleinen offenen Pilotstudien vermuten ließen. "Aber sie zeigen ganz klar, dass Psilocybin bei therapieresistenter Depression wirksamer ist als ein Placebo. Die Weiterführung der klinischen Prüfung ist definitiv gerechtfertigt", so Gründer.

Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie leitet aktuell selbst unter dem Namen "EPIsoDE" eine Psilocybin-Studie in Phase II, an der 144 depressive Menschen teilnehmen, denen herkömmliche Therapien nicht helfen konnten. Mit Blick auf die internationale Arbeit stellte er fest: "Die Ergebnisse decken sich auch mit unseren Erfahrungen in unserer EPIsoDE-Studie: Es gibt Patienten, die durch die Behandlung von ihrer Depression befreit werden, aber viele Patienten profitieren auch gar nicht. Zudem gibt es einen großen Graubereich zwischen diesen Polen."

Depressionen sind nur eine der Erkrankungen, die in Zukunft mit den Zauberpilzen behandelt werden könnten: Erst kürzlich versprach eine in "Nature Medicine" veröffentlichte Studie Potenzial für die Behandlung von Magersucht. Zudem verringerte die Gabe von Psilocybin chinesischen Forschern zufolge bei Mäusen Angst - dies mache es zu einem möglichen Wirkstoff für die Therapie von posttraumatischen Belastungsstörungen, schrieben die Wissenschaftler im "Chinese Medical Journal".

Weiterhin berichtet eine wachsende Zahl an Studien über die mögliche Linderung von Zwangsstörungen, Suchterkrankungen und anderen psychiatrischen Erkrankungen - eine Entwicklung, die auch vom Schweizer Psychiater und Psychotherapeuten Gregor Hasler von der Universität Freiburg bestätigt wird: "Das Interesse in der psychiatrischen Forschung ist bei Psilocybin enorm groß und es gibt immer mehr klinische und präklinische Forschungsgruppen, die sich mit Psychedelika befassen." Das zeige auch die Anzahl an Publikationen, den Abstract-Einreichungen bei Psychiatrie-Kongressen und den wissenschaftlichen Symposien und Vorträgen zum Thema.

Wie entstehen die Effekte?

Warum die Substanz diese positiven Effekte entfaltet, ist noch nicht hinreichend verstanden. Erste Hinweise auf den Wirkmechanismus lieferte eine im vergangenen Jahr im Fachblatt "Nature Medicine" veröffentlichte Arbeit eines britisch-amerikanischen Forschungsteams. Dieses analysierte in zwei Studien Magnetresonanzbilder der Gehirne von Menschen mit schwerer Depression. Dabei stellten die Wissenschaftler fest, dass die positive Wirkung von Psilocybin mit einer Zunahme der funktionellen Verbindungen zwischen den Netzwerken des Hirns korreliert.

"Dieses Paper zeigt nun, dass die Behandlung mit Psilocybin Veränderungen in der Informationsverarbeitung im Gehirn - gemessen als funktionale Konnektivität - herbeiführt, die mit einer Reduktion der Symptome einhergehen", erläuterte Katrin Preller von der Universität Zürich die Beobachtungen in einem unabhängigen Kommentar. Bisher habe es keine ausführlichen Studien zu diesem Thema gegeben, weshalb diese Ergebnisse von besonderem Interesse seien.

Effekte nicht vorhersagbar

Dennoch blieben noch viele wichtige Fragen offen. So ließen sich die Veränderungen, die in dem Paper gezeigt wurden, nicht vor der Behandlung vorhersagen. "Es wäre jedoch wichtig, einen Biomarker zu entwickeln, der schon vor der Behandlung darauf schließen lässt, ob ein Patient von der Therapie profitieren kann oder nicht", sagte Preller, die weiter betonte: "Damit Psychedelika in der Therapie von Depressionen zugelassen werden können, fehlen daher noch größere Phase-III-Studien, die die Wirksamkeit überprüfen."

Solche Phase-III-Studien stellen die letzte Phase im Entwicklungsprozess eines Medikaments dar, bevor es nach gründlicher Prüfung aller Studienergebnisse durch die zuständigen Behörden zugelassen werden kann. In diesen Studien werden die Arzneimittel an einer größeren Patientengruppe erprobt, um zu sehen, ob sich die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit auch bei vielen unterschiedlichen Menschen bestätigen lässt. Und diese stehen für die Pilz-Substanz derzeit noch aus.

Kritik an Therapie-Zulassung in Australien

Trotzdem hat Australien kürzlich als erstes Land der Welt Psilocybin zur Therapie von Depressionen zugelassen - und gleichzeitig auch das synthetische Amphetaminderivat MDMA, das auch Bestandteil der Droge Ecstasy ist, zur Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen. "Der Entscheidungsträger erkannte an, dass ein Bedarf an neuen Therapien für behandlungsresistente Erkrankungen wie behandlungsresistente Depression (TRD) und posttraumatische Belastungsstörung (PTSD) besteht", begründete die Australische Arzneimittelbehörde TGA die mit strengen Vorschriften verbundene Entscheidung. Die Psychotherapie mit Psilocybin und MDMA habe sich bei der Behandlung dieser Erkrankungen als potenziell nützlich erwiesen.

Ein Schritt, der auf Kritik stieß: So merkte eine Expertengruppe in einem offenen Brief an, der im Fachblatt "Australian & New Zealand Journal of Psychiatry" veröffentlicht wurde, dass die Forschung zwar vielversprechend sei, allerdings noch viele Fragen offenblieben.

Die vier Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schreiben darin, dass sie die einzige registrierte aktive Forschungsstudie im Land zum Einsatz von Psilocybin bei Depressionen verantworteten und dennoch nicht von der TGA hinzugezogen wurden: "Warum wurden die lokalen Experten nicht konsultiert? Wir wissen es nicht." Sie kritisieren, die Arzneimittelbehörde habe dem Druck der Öffentlichkeit und von Lobbygruppen nachgegeben ohne ausreichenden Beweise, die eine breite Anwendung rechtfertigen würden.

Ungeklärt sei beispielsweise, welche die besten Modelle der psychotherapeutischen Betreuung seien, die parallel zur Verabreichung von Psychedelika angeboten werden können; wie das langfristige Sicherheitsprofil aussehe, insbesondere mit Blick auf psychologische Genesung und Rückfälle; und wie Patienten, die davon profitieren werden, von denen unterschieden werden könnten, für die es tatsächlich schädlich sein könnte, so die Gruppe in dem Brief. "Solange diese Fragen nicht durch empirische Forschung geklärt sind, ist die Entscheidung, den öffentlichen Zugang außerhalb von klinischen Studien zu erweitern, fragwürdig, wenn nicht sogar bedenklich."