Germany
This article was added by the user . TheWorldNews is not responsible for the content of the platform.

Eon-Chef Birnbaum warnt: Deutschland müsse »noch viel mehr« Gas sparen

Privater Haushalte haben während der Krise etwa zehn Prozent weniger Gas verbraucht

Privater Haushalte haben während der Krise etwa zehn Prozent weniger Gas verbraucht

Foto: Ina Fassbender / AFP

Dieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.

Er verkauft Strom und Gas an gut 14 Millionen Kunden in der Bundesrepublik – nun warnt Deutschlands größter Energieversorger E.on, dass man sich in der Energiepreiskrise nicht in falscher Sicherheit wiegen dürfe. »Wir müssen in Deutschland und in ganz Europa noch viel mehr einsparen«, sagte E.on-Chef Leonhard Birnbaum bei einer Veranstaltung in Essen.

Zwar sei es unwahrscheinlich, dass die Bundesrepublik noch in diesem Winter ein Versorgungsproblem mit Erdgas bekomme. Doch sei der Gasbedarf vor allem dank des vergleichsweise warmen Winterwetters gering, die Speicher entsprechend gut gefüllt. »Für den Winter 23/24 können wir keine Entwarnung geben«, mahnte Birnbaum.

Deutschlands Gasspeicher waren zuletzt noch zu knapp 80 Prozent gefüllt, wie die Bundesnetzagentur mitteilt, das ist zum jetzigen Zeitpunkt komfortabler als im Schnitt der vergangenen Jahre. Allerdings sollen sich die Speicher in den warmen Monaten dieses Jahres wieder für den nächsten Winter füllen – diesmal, ohne dass die Bundesrepublik Gaslieferungen aus Russland erwarten könnte.

Die Industrie in Deutschland habe in den vergangenen Monaten etwa 20 Prozent Gas eingespart, sagte Birnbaum – dies allerdings auch, indem Betriebe ihre Produktion heruntergefahren hätten. »Das geht nicht lange gut«, so der E.on-Chef, »sondern gefährdet auf Dauer Arbeitsplätze und Wohlstand.« Private Haushalte hingegen hätten bislang nur etwa zehn Prozent Gas eingespart. »Das ist zu wenig«, mahnte Birnbaum. »Wir können nicht darauf bauen, dass uns wieder ein warmer Winter helfen wird.«

»Das günstige Gas ist demnächst verkauft«

Immerhin ist Gas auf dem Großhandelsmarkt, wo Versorger wie E.on die Mengen für ihre Kundschaft über Zeit einkaufen, nicht mehr ganz so teuer wie in den Spitzen des vergangenen Jahres. Laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) beträgt der Preis dort seit einigen Wochen etwa 70 Euro je Megawattstunde – in etwa so viel wie kurz vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine.

Grund zur Entwarnung sei das aber noch nicht, so E.on-Chef Birnbaum: »Noch immer sind die Preise auf einem Niveau, das wir noch vor einigen Jahren für undenkbar gehalten haben.« Zudem schwankten die Beschaffungskosten stark. »Niemand weiß, wie sich die Preise in den kommenden Wochen und Monaten entwickeln.«

Hinzu kommt, dass die meisten Stadtwerke und Energieversorger das Gas für ihre Kundschaft gestaffelt über Monate bis Jahre im Voraus einkaufen. Das führt dazu, dass mehrere Anbieter ihre Tarife für Privathaushalte zuletzt angehoben haben. »Das günstige Gas, das Energieversorger noch vor dem Krieg für ihre Kunden beschafft haben, ist demnächst verkauft«, erklärte Birnbaum.

Verbraucherzentralen und die Bundesnetzagentur setzen nun darauf, dass im Wettbewerb wieder mehr günstigere Gas- und Stromtarife auf den Markt kommen. Allerdings beklagte Netzagentur-Chef Klaus Müller kürzlich, dass die Auswahl in Vergleichsportalen nicht mehr so groß sei wie in den vergangenen Jahren. Viele Stadtwerke hätten sich aus der bundesweiten Versorgung zurückgezogen, so Müller.

Bei Deutschlands größtem Energieversorger E.on sei die Zahl der Kundenanfragen seit Beginn der Energiekrise um etwa ein Drittel gestiegen, so Konzernchef Birnbaum. »Auch ich persönlich erhalte viel mehr besorgte E-Mails von Kunden.« Mit den staatlichen Preisbremsen, die den Strom- und Gaspreis in diesem Jahr zumindest für 80 Prozent des Verbrauchs eines jeden Haushalts deckeln sollen, sei der Beratungsbedarf weiter gestiegen. Allein E.on hat in den vergangenen Wochen und Monaten nach eigenen Angaben etwa 500 zusätzliche Beschäftigte im Kundenservice eingestellt.

Birnbaum prognostiziert, dass Gas in Deutschland absehbar teuer bleiben dürfte – mit Konsequenzen auch für energieintensive Industrien. »Da wir unsere Versorgung nun von Pipeline-Gas auf Flüssiggas per Schiff, also LNG, umstellen, kommen unsere Energiepreise nicht mehr auf ein Vorkriegsniveau zurück«, sagte der Manager. So verliere der Standort Deutschland gegenüber den USA und Asien an Boden. »Der Wohlstand Europas und gerade auch Deutschlands steht derzeit auf dem Spiel.«