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Europas teure E-Mobile: China füllt die Elektroauto-Lücke

Preisgünstige Elektroautos sind von deutschen und europäischen Herstellern kaum zu bekommen. Die chinesischen Autobauer stehen bereit, in diese Marktlücke zu springen. Und sie "bauen längst nicht mehr nur westliche Autos nach, sondern sind teilweise führend bei Innovationen", sagt ein Experte.

Das E-Auto-Angebot wächst. Und bleibt doch beschränkt. Bei fast der Hälfte der in Deutschland angebotenen Batterie-PKW handelt es sich um SUV-Modelle. Klein- und Kompaktwagen sind vor allem bei den deutschen Marken stark unterrepräsentiert. Eine Lücke, die nun die chinesischen Hersteller zu füllen beginnen.

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Die SUV-Modelle aus VWs ID-Familie zählen zu den beliebtesten E-Autos deutscher Herkunft.

(Foto: VW)

Von 73 unterschiedlichen E-Autos auf dem deutschen Markt sind 28 SUV, wie das Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach ermittelt hat. Die elektrischen Crossover sind durchaus attraktive Hightech-Autos: groß, leistungs- und reichweitenstark - aber eben auch teuer. Im Schnitt zahlen deutsche Kunden nach CAM-Berechnungen aktuell knapp 50.000 Euro für einen Stromer. Plus Sonderausstattung. Premiummarken wie Audi, BMW oder Mercedes aber auch Volumenmarken wie Ford, Skoda oder Toyota liegen zum Teil deutlich darüber.

Nachfrage nach günstigen Stromern kaum gedeckt

Das Ungleichgewicht auf dem E-Automarkt ist kein rein deutsches Phänomen. Auch wenn man die Perspektive auf Europa erweitert, herrscht ein Überangebot an teuren Modellen. Die Nachfrage nach günstigen Stromern wird hingegen kaum gedeckt, wie sich aus Daten der Unternehmensberatung Jato ergibt. Demnach fallen 48 Prozent aller angebotenen E-Auto-Modelle in die Preisklasse oberhalb von 50.000 Euro. Der Anteil diese Fahrzeuge an den Verkäufen beträgt allerdings lediglich 18 Prozent. Am unteren Ende des Marktes sieht es genau andersherum aus: Während Modelle bis 20.000 Euro Kaufpreis lediglich ein Prozent des Angebots ausmachen, liegt ihr Marktanteil bei 10 Prozent.

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Der Opel Corsa-e zählt zu den wenigen E-Autos, die günstig und auch jenseits der Stadt alltagstauglich sind.

(Foto: Opel)

Wer in Deutschland einen elektrischen Kleinwagen will, hat vergleichsweise wenig Auswahl. Jenseits von Opel Corsa-e und seinen Konzerngeschwistern, Fiat 500e, Renault Zoe und Twingo sowie dessen Smart-Ableger gibt es mit Honda e und Mini Cooper SE nur noch zwei relativ teure Lifestyle-Modelle. In der klassischen Kompaktklasse sieht es mit ID.3, Renault Mégane E-Tech und Citroën e-C4 nicht besser aus.

Kein Wunder also, dass ein Newcomer aus China zuletzt für Furore im Volks-Stromer-Segment gesorgt hat: der MG4 Electric, eine seriös gemachte Steilhecklimousine mit fünf Türen, ordentlich viel Platz, 450 Kilometern Reichweite und einem verlockenden Startpreis von 32.000 Euro. Ein Auto, wie es auch jedem europäischen Hersteller gut zu Gesicht stünde - das aber nun aus China kommt. Und es wird nicht das letzte sein, wenn man den ehrgeizigen Ankündigungen der vielen Hersteller aus Fernost glauben will.

Von den schnellen Chinesen überrascht

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Der aktuell günstigste E-PKW des Volumenherstellers Ford kostet mehr als 60.000 Euro.

(Foto: Ford)

Wie konnte es zu der Lücke auf dem europäischen Markt kommen, die jetzt von chinesischen Modellen gefüllt werden könnte? "Die europäischen Autohersteller wurden von der schnellen Entwicklung bei den chinesischen Wettbewerbern ein Stück weit überrascht", glaubt Professor Stefan Bratzel, Leiter des CAM. "Die Europäer setzen beim E-Auto bislang auf eine Top-Down-Strategie. Neue Technik kommt zunächst in höheren Segmenten mit höheren Margen. Und soll dann langsam in die unteren Klassen durchsickern."

Die Zeit dafür könnte künftig fehlen, wenn die Chinesen digitale Technik und Antriebs-Innovationen schon in ihre in hohen Stückzahlen gebauten Basismodelle integrieren. Ein weiterer Vorteil der asiatischen Konkurrenz: der gute Zugriff auf Rohstoffe für Batterien und Motoren, der Planung und Produktion deutlich vereinfacht und letztlich auch konkurrenzfähiger Kosten ermöglicht.

Nicht mehr nur Nachbau

Doch nicht nur über den Preis machen die Konzerne aus dem Reich der Mitte den etablierten Marken im Westen Konkurrenz. "Die chinesischen Hersteller bauen längst nicht mehr nur westliche Autos nach, sondern sie sind teilweise führend bei Innovationen. So ist etwa BYD weltweit vorne mit dabei in der Zellherstellung", erläutert Bratzel.

Die zum Teil erst wenige Jahre alten Unternehmen schleppten nicht den Ballast aus Verbrennungsmotortagen mit sicher herum, so der Experte. "Sie müssen sich auch nicht parallel um die Weiterentwicklung beider Antriebs-Welten kümmern." Entsprechend schnell und agil verhalten sie sich. Einer Studie der Unternehmensberatung PwC zufolge wird Europa schon 2025 mehr Autos einführen als exportieren. Bis zu 470.000 davon könnten von chinesischen Marken stammen.

Selbst die stolzen deutschen Premiumhersteller können sich nicht mehr allzu sicher sein. Rund 25 Prozent ihrer Zielgruppe ziehen den Kauf eines Fahrzeugs aus dem Reich der Mitte in Betracht, wie eine Umfrage der Unternehmensberatung Berylls unter Kunden von Audi, BMW und Mercedes ergeben hat. Die Experten bezeichnen das als bemerkenswert, da die meisten chinesischen Hersteller noch nicht mit ihren Marketing-Aktivitäten begonnen haben.

Chinesische Marken noch wenig bekannt

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Polestar zählt zu den etablierteren China-Marken in Deutschland.

(Foto: Polestar)

Den meisten Marken fehlt es daher hierzulande noch an Bekanntheit. Zu den wenigen Ausnahmen zählt der Volvo-Ableger Polestar. Eines der wichtigsten Argumente für den Kauf eines chinesischen PKW ist der Umfrage zufolge ein angenommenes niedrigeres Preisniveau. Das könnte den Experten zufolge allerdings auch zu einem Problem für die chinesischen Hersteller werden, denen es schwerfallen dürfte, ähnliche Margen einzustreichen wie die deutsche Premium-Konkurrenz.

Es gibt aber auch weitere Gründe für Skepsis gegenüber einer chinesischen Komplettübernahme des europäischen Markts. So sind sich die Modelle der chinesischen Marken in den Augen der Berylls-Experten zu ähnlich, eine Markendifferenzierung fehlt bislang.

Auch beim Händler- und Werkstattnetz haben die Europäer zunächst noch Vorteile. Auf die ehrgeizigen Absatz- und Wachstumsziele der Newcomer aus Fernost blicken die Experten daher mit Skepsis. Nicht zuletzt, weil den China-Herstellern nicht unendlich viel Zeit bleibt. Denn die Europäer sehen die Lücke in ihrem Modellangebot und versuchen, sie zu füllen. Der VW-Konzern etwa will Mitte des Jahrzehnts eine Familie kleiner E-Autos mit Preisen ab 25.000 Euro auf den Markt bringen. Und auch der Stellantis-Konzern plant, wenig später mit einer neuen Familie elektrischer Kleinwagen.

Das Rennen um den europäischen E-Automarkt geht also weiter. "Wir stehen vor einer Art Neuordnung der Branche", glaubt auch CAM-Leiter Bratzel. Wie genau der Kampf um Anteile ausgeht, ist allerdings noch offen.