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Fachkräfte-Talk bei Illner: CDU-Politiker fordert Einführung einer Aktivrente

Die Wirtschaft wird in den nächsten Jahren immer weniger Fachkräfte beschäftigen können. Ein Weg aus der zu erwartenden Krise könnten neue Wege der Beschäftigung älterer Menschen sein. CDU-Politiker Carsten Linnemann schlägt deswegen in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner" eine neue Form der Rente vor.

Die deutsche Wirtschaft hat ein Problem, das in den letzten Jahren buchstäblich verpennt worden ist: Die geburtenstarken Jahrgänge, die sogenannten "Baby-Boomer", werden bald in Rente gehen und dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen. Das wird zu einem Mangel an Arbeitnehmern führen, der schon jetzt spürbar ist. Die durchschnittliche Wartezeit auf einen Handwerker beträgt aktuell locker ein Vierteljahr, sagt Handwerkspräsident Jörg Dittrich am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner". Dort diskutieren die Gäste über Wege aus der Krise.

Schon lange warnen Fachleute vor dem zu erwartenden Fachkräftemangel. Doch dieser Begriff ist zu kurz gegriffen. Arbeitskräfte fehlen schon jetzt an allen Ecken und Enden. Das bekommt jeder von uns mit, wenn zum Beispiel die Kneipe nebenan zwei Stunden früher schließt, weil niemand da ist, der hinter der Theke steht; wenn der Lieblingsmetzger sein Geschäft nicht mehr betreiben kann, weil Nachwuchskräfte fehlen; oder wenn der Zahnarzt nur noch Vormittagstermine vergibt, weil ihm am Nachmittag die Sprechstundenhilfe fehlt.

"Größte Herausforderung für die Wirtschaft"

"Ich muss sagen: Das wird die größte Herausforderung der nächsten Dekade für die deutsche Wirtschaft", prognostiziert Arbeitsagenturchefin Andrea Nahles, deren genaue Berufsbezeichnung jetzt "Vorstandsvorsitzende" ist. "Um das Problem zu lösen, müssen alle mit anpacken", fordert sie. Nahles denkt an Frauen, die vermehrt in Vollzeit arbeiten sollen, an Jugendliche ohne Schulabschluss oder Ausbildung, an Zuwanderer – und nicht zuletzt an ältere Arbeitnehmer.

"Es besteht die Gefahr einer Wachstumsbremse", fürchtet Elisabeth Niejahr, die Geschäftsführerin der gemeinnützigen Hertie-Stiftung. Und Handwerkspräsident Jörg Dittrich fügt hinzu: "Die Wartezeiten werden sich vergrößern, wenn wir das Problem nicht in den Griff bekommen". Außerdem werden seiner Ansicht nach die Preise für Handwerksarbeiten deutlich steigen. Energie und Material werden teurer, viele Betriebe haben mit sinkenden Aufträgen zu kämpfen und müssen ihre Preise erhöhen, um die Beschäftigten weiter bezahlen zu können.

Die Lösungsmöglichkeiten sind so vielfältig wie die Probleme und die betroffenen Berufe. Gerade junge Arbeitnehmer oder Menschen mit Familie legen Wert auf flexible Arbeitszeiten. Die Attraktivität der Arbeit müsse steigen, fordern einige Gäste. Doch für Andrea Nahles fängt das Problem schon viel früher an. Sie muss unter anderem Langzeitarbeitslose vermitteln. Hier seien die meisten älter als 55 Jahre oder hätten eine Ausbildung auf Helferniveau. Da brauche es mehr Qualifizierung.

Und: Viele Menschen seien wegen langer Arbeitslosigkeit "aus dem Rhythmus" gekommen. "Dann müssen wir die Leute an die Hand nehmen und ein Coaching machen und dafür sorgen, dass die am Morgen auch da sind." Das sei die Aufgabe der Bundesagentur für Arbeit, so Nahles. "Das werden wir angehen. Dafür haben wir einen Instrumentenkasten, der durch das Bürgergeld noch mal erweitert worden ist." Gleichzeitig kündigt die Agenturchefin eine Qualifizierungsoffensive an.

"Betriebe haben sich für ältere Menschen geöffnet"

Eine weitere Möglichkeit, den Fach- und Arbeitskräftemangel abzufedern, könnte die Beschäftigung älterer Menschen sein. Hier hat es laut Elisabeth Niejahr ein Umdenken in der Wirtschaft gegeben. "Die Unternehmen haben sich in den letzten Jahren für ältere Leute geöffnet", sagt sie. Andrea Nahles kann das bestätigen, fordert aber besondere Arbeitszeitmodelle für diese Menschen.

Viele Menschen wollten und könnten länger arbeiten, weiß auch Grünen-Co-Chefin Ricarda Lang. Das müsse in Zukunft so unbürokratisch wie möglich geregelt werden können. Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters ist jedoch nach Ansicht der Grünen-Politikerin falsch. Dadurch würden Menschen benachteiligt werden, die körperlich zu längerer Arbeit nicht mehr in der Lage seien.

Linnemann fordert "neue Rente"

Und hier hat CDU-Politiker Carsten Linnemann eine Lösung. Er nennt das "Aktivrente": "Ich möchte für alle, die das gesetzliche Rentenalter erreichen und dann länger arbeiten, das steuerfrei machen." Die Beschäftigten und ihre Arbeitgeber müssten lediglich Sozialversicherungsabgaben zahlen. Linnemann: "Wir leben in außergewöhnlichen Zeiten, da brauchen wir außergewöhnliche Instrumente."

Dittrich kann der Idee viel Positives abgewinnen: "Viele werden froh sein, sich zu ihrer Rente noch was hinzuverdienen zu können." Seiner Ansicht nach bietet diese Idee einen weiteren Vorteil: Die soziale Bindung an die Kollegen.

Andrea Nahles reagiert zwar etwas unterkühlt, scheint die Idee aber auch nicht ganz schlecht zu finden. Immerhin möchte sie über "Arbeitszeit und Belastung" nachdenken und diskutieren, "damit es am Ende auch funktioniert."