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Frank-Walter Steinmeier unterzeichnet umstrittene Wahlrechtsreform – Union kündigt baldige Klage an

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

Foto: Patrick Pleul / dpa

Die Parteien rangen monatelang darum, nun steht die umstrittene Wahlrechtsreform zur Verkleinerung des Bundestags vor dem Inkrafttreten. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat das Gesetz dazu unterzeichnet, wie das Bundespräsidialamt mitteilte. Dieses muss nun nur noch im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden.

Union will beim Bundesverfassungsgericht klagen

Steinmeiers Unterzeichnung beendet den politischen Streit um die Reform jedoch nicht. Die Union hat bereits angekündigt, vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das neue Wahlgesetz klagen zu wollen: »Ich bedaure, dass der Bundespräsident seine Möglichkeiten nicht genutzt hat, auf ein faires und verfassungskonformes Wahlrecht hinzuwirken. Wir werden umgehend Klage gegen dieses Respektlos-Gesetz und diese Wahlrechtsmanipulation der Ampel beim Verfassungsgericht einreichen«, sagte der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt. »Wir werden alle Hebel nutzen, damit diese Manipulation des Wahlrechts gestoppt wird«, fügte er hinzu. Auch die Linke fühlt sich durch die Reform benachteiligt und hält diese für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.

Das Gesetz war im März mit den Stimmen der Ampelfraktionen SPD, Grüne, FDP und einiger AfD-Abgeordneter vom Bundestag beschlossen worden. Im Mai passierte es den Bundesrat. Anschließend wurde es im Bundespräsidialamt der üblichen juristischen Prüfung unterzogen.

Grüne und SPD zufrieden

Grünenpolitiker Till Steffen, der die Reform mit ausgearbeitet hat, drückte nach Steinmeiers Unterzeichnung seine Zufriedenheit aus: »Ich hatte keine Zweifel, dass die Prüfung des Bundespräsidenten positiv ausfällt. Wir haben das Gesetz sorgfältig ausgearbeitet. Die Wahlreform ist verfassungsgemäß. Nun tritt sie endlich in Kraft«, sagte er.

Aus der SPD kam Kritik an der Union: »Mit der Verkleinerung des Deutschen Bundestags entsprechen wir dem deutlichen Wunsch der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land«, teilte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Dirk Wiese mit. »Die heutige Unterschrift des Bundespräsidenten unter die Reform des Wahlrechts beendet die Blockade der Union mit zahlreichen Querschüssen durch die CSU, die über Jahre nur ihren eigenen Vorteil im Blick hatte. Eine gerechte Lösung für alle war so nicht zu erreichen. Damit ist jetzt endgültig Schluss«, fügte er hinzu.

Mit derzeit 736 Abgeordneten ist der Bundestag das größte frei gewählte Parlament der Welt. Das neue Wahlrecht deckelt die Zahl der Sitze nun auf 630. Gewählt wird weiter mit Erst- und Zweitstimme. Es gibt aber keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr. Für die Stärke einer Partei im Parlament ist allein ihr Zweitstimmenergebnis entscheidend. Überhangmandate entstanden bisher, wenn eine Partei über Direktmandate mehr Sitze im Bundestag gewann, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustanden. Diese durfte sie behalten. Die anderen Parteien erhielten dafür Ausgleichsmandate. Dieses System führte zu einer immer größeren Aufblähung des Bundestags.

CSU und Linke sehen Missachtung des Wählerwillens

Auch die Grundmandatsklausel fällt jetzt weg. Nach ihr zogen Parteien bisher auch dann in der Stärke ihres Zweitstimmenergebnisses in den Bundestag ein, wenn sie unter der Fünf-Prozent-Hürde lagen, aber mindestens drei Direktmandate gewannen. Jede Partei, die in den Bundestag will, muss künftig bundesweit mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen bekommen. Nur Parteien nationaler Minderheiten bleiben davon befreit.

Künftig wird jede Partei nur noch so viele Mandate erhalten, wie ihr nach ihrem Zweitstimmenergebnis zustehen – auch dann, wenn sie mehr Direktmandate holt. Damit gehen die Wahlkreisgewinner mit dem schlechtesten Erststimmenergebnis leer aus.

Hätte die CSU bei der Bundestagswahl 2021 nicht bundesweit 5,2 Prozent geholt, sondern nur 4,9 wie die Linke, wäre nach dem neuen Wahlrecht keiner ihrer 45 erfolgreichen Direktkandidaten in den Bundestag gekommen. Die Linke, die von der Grundmandatsklausel profitierte, wäre ebenfalls draußen. Beide Parteien sehen in der Reform eine grobe Missachtung des Wählerwillens.

Die Linke hatte an Steinmeier appelliert, das Gesetz nicht auszufertigen, allerdings ohne Erfolg. Der Bundespräsident kann die Unterzeichnung verweigern, wenn er der Auffassung ist, dass ein Gesetz inhaltlich nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Dies geschah in der Geschichte der Bundesrepublik bislang nur acht Mal.