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Friedrich Merz provoziert mit falschen Asyl-Aussagen – Faktencheck

Friedrich Merz hat mit seinen Aussagen zu Asylbewerbern große Empörung ausgelöst. Das Problem: Sie stimmen nicht. Ein Überblick.

Asylbewerber sitzen beim Arzt, bekommen alle Zähne neu gemacht, während die Deutschen keine Termine erhalten? Das sagte CDU-Chef Friedrich Merz am Mittwoch in einer Talkshow beim TV-Sender Welt – und wurde dafür breit kritisiert. Von "erbärmlichen Populismus" sprach etwa Innenministerin Nancy Faeser (SPD).

Genau sagte Merz: Die Bevölkerung mache es "wahnsinnig" zu sehen, "dass 300.000 Asylbewerber abgelehnt sind, nicht ausreisen, die vollen Leistungen bekommen, die volle Heilfürsorge bekommen", und fügte hinzu: "Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen. Und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine." Mehr dazu und zu den Reaktionen lesen Sie hier.

t-online hat diese Aussagen überprüft, mit dem Ergebnis: Viel dran ist daran nicht. Ein Überblick:

Bekommen Asylbewerber eher Arzttermine als Deutsche?

Nein. Tatsächlich sind Asylbewerber in den ersten 18 Monaten ihres Aufenthalts schlechter gestellt. Im Asylbewerberleistungsgesetz regelt Paragraf 4 die Leistungen bei Krankheit. Darin heißt es, dass Leistungen nur gewährt werden, wenn der Asylsuchende akut krank ist oder Schmerzen hat. Mit einem Zusatz: "Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur, soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist."

In dieser Zeit sind erst die Bundesländer, später die Gemeinden für die gesundheitliche Versorgung zuständig. Um einen Arzt besuchen zu dürfen, brauchen die Asylbewerber einen Behandlungsschein, den die Behörden ausstellen.

Nach dieser sogenannten Wartezeit von 18 Monaten werden Asylbewerber von den gesetzlichen Krankenkassen betreut, sie erhalten dann nahezu die gleichen Leistungen wie gesetzliche Krankenversicherte. Sie sind dann auch zu Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze verpflichtet, die in der Regel bei zwei Prozent der jährlichen Bruttoeinnahmen liegen.

Dazu, dass die Asylbewerber bei der Terminvergabe bevorzugt behandelt werden, gibt es keine Hinweise.

Sind 300.000 Asylbewerber abgelehnt?

Jein. Zunächst ist die Zahl nicht ganz korrekt: Zum Stand 30. Juni 2023 galten 279.098 Menschen als ausreisepflichtig. Das bedeutet in den meisten Fällen, dass ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Allerdings bedeutet "ausreisepflichtig" nicht, dass eine Abschiebung aktuell ansteht. Denn: Ein großer Teil, 80 Prozent, haben eine Duldung, also eine temporäre Aussetzung der Abschiebung.

Dieser Status kann aus Vielzahl von Gründen verteilt werden. In vielen Fällen fehlen etwa die Reisedokumente. Das liegt in den meisten Fällen nicht an den Asylbewerbern selbst, sondern an den Heimatbehörden, die eine Ausstellung verweigern. Ohne diese Papiere aber kann nicht abgeschoben werden.

Dann gibt es familiäre Gründe, etwa, wenn der Ehepartner oder ein minderjähriges Kind eine Duldung besitzt. Auch eine schwere Krankheit kann eine Abschiebung verhindern. Wer eine Ausbildung macht oder arbeitet, kann ebenfalls vor Abschiebung geschützt sein. In anderen Fällen lassen es die Zustände im Heimatland eine Abschiebung aus humanitären Gründen nicht zu, wie etwa in Russland oder Afghanistan.

Was Merz auch verschweigt: Die Zahl der ausreisepflichtigen Personen ist 2023 erstmals seit zehn Jahren gesunken. Das hat auf der einen Seite damit zu tun, dass die Zahl der Abschiebungen deutlich – um 27 Prozent im Vergleich zu 2022 – gestiegen ist. Im ersten Halbjahr wurden nach Angaben der Bundesregierung mehr als 7.000 Menschen zurückgeführt. Zudem steigt die Zahl derer, die Deutschland freiwillig verlassen – und dafür finanzielle Unterstützung bekommen.

Allerdings haben die sinkenden Zahlen nicht nur mit Abschiebungen und freiwilligen Ausreisen zu tun. Die Ampel hat mit dem Chancenaufenthaltsrecht auch vielen Langzeit-Geduldeten eine neue Tür geöffnet. Sie können unter bestimmten Voraussetzungen – sie dürfen etwa nicht wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt worden sein – eineinhalb Jahre eine Art Aufenthaltserlaubnis auf Probe erlangen. Dies kann dazu führen, dass die Person später dauerhaft in Deutschland bleiben kann. Auch das senkt die Zahlen der Ausreisepflichtigen.