
Russischer Außenminister Lawrow beim G20-Gipfel in Neu-Delhi
Foto: IMAGO / IMAGO/SNADie Ukraine hat dem russischen Außenminister Sergej Lawrow beim G20-Gipfel der führenden und aufstrebenden Wirtschaftsmächte Kriegspropaganda vorgeworfen. Nachdem Kremlchef Wladimir Putin nicht zum Treffen ins indische Neu Delhi gereist sei, rechtfertige und fördere Lawrow dort die Invasion, beklagte Mychajlo Podoljak, Berater im ukrainischen Präsidentenbüro, im Fernsehsender Freedom.
»Er ist ein Promoter des Kriegs in der Ukraine«, so Podoljak. Es brauche mehr internationale Haftbefehle wegen Kriegsverbrechen wie gegen Putin, um solche Auftritte von »Subjekten wie Lawrow« zu verhindern.
Der russische Angriffskrieg wird in der Gipfelerklärung nicht mehr – wie noch im Vorjahr – ausdrücklich verurteilt. Stattdessen wird nur noch auf entsprechende Resolutionen der Vereinten Nationen verwiesen und allgemein auf die territoriale Integrität von Staaten, also die Unverletzlichkeit von Grenzen.
Diplomaten werteten die sehr allgemein gehaltenen Kompromissformulierungen – alle müssen sich an die Prinzipien der Uno-Charter halten, niemand darf mit Gewalt das Territorium eines souveränen Staates angreifen – als kleinsten gemeinsamen Nenner; damit wurde aber ein Scheitern des Gipfels verhindert .
Die Ukraine kritisierte die Abschlusserklärung scharf. »Die G20 hat nichts, worauf sie stolz sein kann«, twitterte der Sprecher des Außenministeriums in Kiew, Oleh Nikolenko, am Samstag. In Rot lieferte er gleich eine Überarbeitung der Erklärung mit, wie sie aus Sicht der Ukraine eigentlich hätte lauten müssen:
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So sollte laut Nikolenko nicht von einem »Krieg in der Ukraine« die Rede sein, sondern klar von »Russlands Aggressionskrieg gegen die Ukraine«. Zudem hätten die G20-Staaten den Krieg einhellig verurteilen (»unequivolcally condemn«) und Moskau aufrufen müssen, die Invasion umgehend zu beenden (»immediately end it«).
Bundeskanzler Olaf Scholz hat am ersten Tag des G20-Gipfels bis zum frühen Abend kein Wort mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow gewechselt und ihm auch nicht die Hand gegeben. Eine entsprechende Frage beantwortete der SPD-Politiker am Samstag bei einer Pressekonferenz in Neu-Delhi mit »nein«. Zum Beitrag Lawrows in der ersten Arbeitssitzung des Gipfels sagte der Kanzler nur: »Das waren die üblichen Erzählungen. Ich glaube, niemand im Raum hat’s geglaubt.«
Ukraine wurde von den indischen G20-Gastgebern nicht eingeladen
Die Ukraine war von Indien nicht eingeladen worden. Im vergangenen Jahr hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj noch per Video von Kiew aus die Tagesordnung auf der Ferieninsel geprägt.
In Neu-Delhi zeigte sich die russische Seite zufrieden mit der Erklärung des Gipfels. Unterhändlerin Swetlana Lukasch sprach von einem »ausgewogenen« Ergebnis.
Die führenden Industrie- und Schwellenländer setzen am Sonntag die Beratungen fort. Die Staats- und Regierungschefs besuchten zunächst die Gedenkstätte für den indischen Freiheitskämpfer Mahatma Gandhi. Zum Abschluss steht dann die dritte Arbeitssitzung an, die unter dem Motto »One Future« (deutsch: Eine Zukunft) steht. Dabei geht es um Reformen von Entwicklungsbanken und internationalen Finanzorganisationen.
Größere gemeinsame Beschlüsse wird es aller Voraussicht nach nicht mehr geben. Die G20-Runde hatte sich bereits am Samstag auf eine Abschlusserklärung verständigt.