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„Hart aber fair“ - Linken-Chefin will Streiks wie in Frankreich

Leere Bahnhöfe, Flugzeuge am Boden, Busse im Depot. Das Chaos bleibt aus, die Lösung aber auch. In „Hart aber fair“ stellt Talkmaster Louis Klamroth die Gretchenfrage: „Der große Streiktag: Gerecht oder Gefahr für die Wirtschaft?“

▶︎ Gitta Connemann (58, CDU). Die Chefin der Mittelstandsunion (MIT) rügt: „Dem ganzen Land einfach mal den Stecker zu ziehen ist eine Gefahr für die Wirtschaft!“

▶︎ Janine Wissler (41, Linke). Die Parteichefin droht: „Streiks müssen auch wehtun, damit sich was bei den Löhnen bewegt.“ Hm, wehtun: Wem denn?

▶︎ Marie-Christine Ostermann (45). Die Chefin der Familienunternehmer kritisiert: „Mit der Brechstange höhere Löhne durchsetzen wollen schadet dem Land mehr, als dass es Arbeitnehmern nutzt.“

▶︎ Julia Riemer (45). Die Trambahnfahrerin und Betriebsrätin bleibt in der Spur: „Es braucht diesen Kampf für deutlich mehr Geld!“

▶︎ Anja Kohl (52). Die ARD-Wirtschaftsjournalistin fordert: „Die Menschen brauchen spürbare Entlastung, denn die Inflation bedroht Einkommen und Wohlstand.“

▶︎ Fabian Schmitz. Der „Lieferando“-Rider ist Referent bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Seine Ansage im Einzelinterview: „Wenn auf unsere Forderung nicht eingegangen wird, werden wir auf die Straßen gehen müssen!“

▶︎ Frank Bräutigam (47). Der ARD-Rechtsexperte stellt im Interview klar: „Das Recht auf Arbeitskampf ist im Grundgesetz garantiert. Und ‚Kampf‘ – in dem Begriff ist eingepreist, dass das auch mal wehtun kann!“

Am Tresen eine exklusive Damenrunde. Kommt nach der feministischen Außenpolitik jetzt eine feministische Talkkultur? Das Zoff-o-Meter ist gespannt!

Am Dienstag waren bei „Hart aber fair“ die CDU-Politikern Gitta Connemann, Unternehmerin Marie-Christine Ostermann, ARD-Journalistin Anja Kohl, Linken-Chefin Janine Wissler und die Trambahnfahrerin Julia Riemer zu Gast

Unternehmerin Ostermann beliefert Großküchen in Krankenhäusern und Altenheimen, hat sich deshalb auf den Streik besonders umfassend vorbereitet. „Vollkommen unverhältnismäßig!“, schimpft sie. „Die Verhandlungen haben gerade erst angefangen, da wird schon diese Mega-Keule rausgeholt!“

▶︎ Ihre Klage: „Gerade unser Unternehmen war in der Pandemie so belastet! Monatelang Stillstand, heute wieder! Wir brauchen endlich Bewegung! Wir wollen in die Zukunft, wir wollen erwirtschaften, wieder Geld verdienen dürfen!“ Dafür gibt’s den ersten Beifall.

Linke-Wissler möchte den Zorn der Millionen Streikopfer auf die Unternehmen lenken: „Ich verstehe Menschen, die sich ärgern, weil kein Bus gefahren ist. Aber die sollten sich nicht über die Gewerkschaften ärgern, sondern über die Arbeitgeberseite, dass die kein vernünftiges Angebot machen!“ Auch dafür Applaus.

„Ein Warnstreik soll die Waffen zeigen, aber nicht einsetzen“, erklärt CDU-Politikerin Connemann. „Hier wurde die Waffe eingesetzt, die auch andere Arbeitnehmer trifft: Die müssen sich auf Lohnausfall einstellen, oder einen Tag Urlaub nehmen. Das führt zu einer Spaltung im Land!“

▶︎ Ihre Sorge: „Die Schockinflation frisst Rücklagen und Kaufkraft. Viele Familien können es nicht mehr tragen. Überzogene Lohnerhöhungen treiben die Lohn-Preis-Spirale nach oben. Es geht nicht um das Ob des Streiks, sondern um das Wie. Er ist unverhältnismäßig, denn er richtet sich nicht gegen die Arbeitgeber, sondern gegen unbeteiligte Dritte!“

Gitta Connemann

Trambahnfahrerin Riemer, Mutter von vier Kindern, hat sich mit schwarzem Bandana zur Streik-Amazone gestylt: „Ich glaube, dass das heute eine Werbung für den ÖPNV und die Bahn war“, freut sie sich. „Es hat gezeigt, wie wichtig der ÖPNV ist!“

Die Arbeitszeiten seien besonders für Familien ein Problem, schildert sie, aber: „Die meisten Kollegen machen es wirklich mit Herzblut. Es ist ein wahnsinnig schöner Beruf, ich mache es wahnsinnig gerne.“ Das Anfangsgehalt von 2600 Euro reiche zwar für München nicht aus, aber „wir haben Werkswohnungen, das ist wirklich top.“

Julia Riemer

Für ARD-Journalistin Kohl war der „Großstreik“ ein Signal: „Hallo, wir Beschäftigten sind da! Hallo, wir haben eine neue Macht! Es gibt Personalmangel, Fachkräftemangel …“ Ihre Frage: „Ist das eine Blaupause für die nächsten Jahre, wenn wir mit einer Dekade der Inflation rechnen? Es ist vielleicht ein Start dafür.“

Die „exorbitanten Forderungen“ für den Öffentlichen Dienst würden zu höheren Gebühren „für alle Bürger“ führen, sagt Unternehmerin Ostermann voraus, denn: „Wir alle müssen das bezahlen, und wir haben ja genauso die Problematik, dass die Kosten, Mieten, Energiepreise steigen!“ In ihrer Branche gehe es schon um 13 Prozent Lohnplus. Ächz!

Anja Kohl

Klamroth-Assistentin Brigtte Büscher ist extra früh los, um von der Streikfront zu berichten, aber: „Ich musste einmal quer durchs Ruhrgebiet, und ich kann schon mal so viel verraten: Ich bin eine Stunde zu früh aufgestanden.“ Schadenfreude im Saal!

Ein ARD-Einspieler zeigt: „Die Menschen haben sich vorbereitet. Das große Chaos ist ausgeblieben.“ Klamroth nach milden Zuschauer-Statements: „So richtig sauer scheinen die Leute nicht zu sein.“

Danach will der Talkmaster die Mindestforderung von 500 Euro pro Nase prozentual einordnen: „Das Einstiegsgehalt von Tramfahrern liegt bei 2600 Euro“, beginnt er. „Wenn jetzt so einer 500 Euro mehr bekäme, dann wären das …“

Kurze Pause, dann siegt die Ehrlichkeit: „Ich rechne das nicht jetzt aus“, grient Klamroth mit Blick auf seinen Zettel. „Ich wollte erst so tun, aber ich hab’s hier schon stehen. 19 Prozent mehr Lohn …“

„Natürlich muss Arbeit sich stärker lohnen“, bestätigt Connemann. „Die Frage ist: Nehme ich ein ganzes Land in Geiselhaft?“

Auch Wissler hat sich was Prägnantes ausgedacht: „Die Beschäftigten streiken nicht gegen die Menschen, sondern im Interesse der Fahrgäste, der Kita-Kinder“, behauptet sie. „Die sagen vor allem: Wir wollen mehr Wertschätzung!“

ARD-Kohl lässt die Alarmglocken schrillen: „Absolut eklatanter Personalmangel! Wir kommen in die Großkatastrophe! Gewerkschaften und Arbeitgeber müssen schlauer werden!“

ARD-Kollege Klamroth will sie dafür gleich in die Tarifverhandlungen entsenden: „Sie müssen dahin als Vermittlerin!“

Ostermann schildert die unternehmerische Sicht: „Ich muss die Preise erhöhen, ich muss Gewinn erwirtschaften, ich möchte ja auch die Gehälter meiner Mitarbeiter erhöhen. Ich sehe die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale …“

Das muss sie allerdings gegen das verbale Sperrfeuer einer Zwischenrufer-Riege aus ARD, Linke und Gewerkschaften durchbringen, die ihr pausenlos Kraut und Rüben zwischen die Argumente werfen. Besonders laut pflegt Wissler ihre Konzern-Kritik: Die Lohn-Preis-Spirale sei wegen der Energiekosten eher eine „Profit-Preis-Spirale.“ Puh!

Danach wird minutenlang von allen Seiten volle Möhre losgepfeffert, angeschnauzt, gemotzt, gezetert, gepoltert, gewettert und gebrüllt. Uiuiui! Der Talkmaster ist dem wilden Treiben hilflos ausgeliefert.

Wissler war bei den Massenprotesten gegen die Rentenreform in Paris dabei. „Das sind ja politische Streiks“, stellt Klamroth fest. „Ihre Fraktion im Bundestag hat ein Recht auf solche politischen Streiks auch in Deutschland gefordert. Soll demnächst die Macht der Straße über Gesetze entscheiden?“

Die Linke will ein klares Nein vermeiden: „Aus guten Gründen sieht unsere Verfassung nicht nur ein Streikrecht, sondern auch ein Versammlungsrecht vor“, doziert sie stattdessen. „Natürlich ist es wichtig, dass sich Zivilgesellschaft artikulieren und ausdrücken kann!“

Der Talkmaster hebt mahnend die Zeigefinger: „Streik und Demos sind ja was anderes!“

Wissler hat inzwischen nachgedacht und sich zu einer offensiveren Antwort entschlossen: „Ich beantworte die Frage mit Ja“, sagt sie nun und schwurbelt sofort drauflos: „Jeder Streik ist irgendwie politisch …“

Empörte Gesichter! ARD-Kohl pustet die Backen auf. Connemann ruft nach dem ARD-Rechtsexperten: „Vielleicht kann Herr Bräutigam mal die Frage beantworten. Es geht nicht um die Rente, es geht um das Instrument des Staates!“

„Ich halte das Instrument des politischen Streiks für ein richtiges Instrument!“, beharrt die Linke.

„Dann kriegen wir Vollchaos in Deutschland!“, protestiert die Unternehmerin. „Wissen Sie, worüber Sie reden?“, ruft Connemann. „Gottseidank haben wir keine französischen Verhältnisse in Deutschland!“

Dann erklärt die CDU-Politikerin, was politischer Streik bedeutet: „Was Sie wollen, ist: Ich kann aus jedem Grund die Arbeit niederlegen mit allen Folgen für das Land, ohne einen Grund zu haben, der in Tarifverhandlungen festgesetzt worden ist.“

Aber, so Connemann weiter: „Wir haben in Deutschland ein anderes System. Der Streik muss bestimmten Gesetzen gehorchen. Nur Gewerkschaften können zu einem Streik aufrufen. Und das ist gut so, weil es dieses Land stark gemacht hat!“

Prompt steigt der ARD-Rechtsexperte in den Ring. „Es ist ein zweiter Mann im Studio!“, freut sich der Talkmaster. „Na immerhin!“, schallt es fröhlich aus der Damen-Runde.

Politischen Streik wie in Frankreich dürfte es in Deutschland nicht geben, erklärt Bräutigam dann. Hier sei „Bedingung, dass man für Ziele streikt, die man in einem Tarifvertrag regeln kann: Lohn, Arbeitszeit usw. Wenn es ein rein politischer Streik wäre, dann haben Gerichte in Deutschland immer gesagt: Das wäre nicht erlaubt.“ Punkt!

Zum Schluss beharken sich die Unternehmerin und die Linke lautstark über Bezahlung und Betriebsklima. Der Talkmaster eilt an den Tresen, um den Disput zu beenden: „Ich habe den Zuschauern versprochen …“

Doch nach Connemann müsste das gar nicht sein: „Es ist lebendig“, lobt die CDU-Politikerin und breitet die Arme aus, „also was wollen Sie?“ Gelächter und Applaus. Amen!

„Die Inflation greift in jeden Geldbeutel, und derzeit hat der Finanzminister die klebrigsten Finger.“ Gitta Connemann

Extreme Positionen, unbequeme Wahrheiten, hohes Redetempo, gnadenlose Kämpfe, eisenharte Einschläge: Das war eine Talkshow der Kategorie „Streikaxt“.