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"Ihr Trauma ist unsere Story": Harry und Meghan legen die Axt an die Monarchie

Vor der Veröffentlichung der Netflix-Doku von Harry und Meghan geht das große Bibbern um. Doch eine persönliche Abrechnung mit dem britischen Königshaus sind zumindest die ersten drei Episoden noch nicht. Das macht die Serie aber nicht weniger brisant.

Der Vorab-Wirbel um die Netflix-Dokumentation, in der Prinz Harry und Herzogin Meghan "die ganze Wahrheit" über ihr Leben im und mit dem britischen Königshaus auspacken wollen, hätte größer kaum sein können. Harrys Bruder William oder sein Vater Charles würden regelrecht vor den Enthüllungen zittern, hieß es da etwa. Oder aber: Nach dem Tod der Queen seien manche Sequenzen noch einmal mit heißer Nadel umgestrickt worden. Und natürlich sorgten auch die Trailer für helle Aufregung, scheinen sie doch effekthascherisch so manche Ungenauigkeit nur allzu großzügig in Kauf zu nehmen.

Immer wieder wurde der Start der Doku hinausgezögert. Nun allerdings ist sie da. Zumindest die ersten drei von insgesamt sechs Episoden. Mit den noch fehlenden Folgen soll am Donnerstag in einer Woche nachgelegt werden.

Im Großen und Ganzen zeichnet das Werk eine Chronologie nach, die vom Kennenlernen des britischen Prinzen und der US-Schauspielerin bis in die Gegenwart reichen dürfte. Episode drei stoppt am Vorabend der vermeintlichen Traumhochzeit des Paares am 19. Mai 2018 auf Schloss Windsor. Doch schon bis dahin wird die zeitliche Abfolge der Ereignisse immer wieder mit Vor- und Rückgriffen auf Geschehnisse rund um das Leben der beiden Protagonisten durchbrochen. Da wird dann ebenso in die Kindheitstage von Harry und Meghan zurückgesprungen wie ebenso nach vorne in die Gegenwart gespult, aus deren Perspektive "die ganze Wahrheit" dann letztlich aufgedröselt wird.

Therapiesitzung mit Harry

Mitunter ist das verwirrend. Und wie bereits in den Trailern lässt sich an der einen oder anderen Stelle bemängeln, dass im Sinne der Dramaturgie schon mal getrickst wurde. Dann etwa, wenn belegt werden soll, dass sich Meghan unmittelbar nach der Enthüllung ihrer Beziehung mit Harry im Oktober 2016 rassistischen Anfeindungen ausgesetzt sah - mit Tweets, die erkennbar erst Wochen später die Runde machten.

Auf das Wesentliche heruntergebrochen, lassen sich drei zentrale Motive der Dokumentation herausfiltern. Erstens gleicht das Ganze ein bisschen einer ausgedehnten Therapiesitzung mit Harry. Den frühen Unfalltod seiner Mutter, so viel wird klar, hat er bis heute nicht vollständig verwunden. Und, auch das wird deutlich: Harry sieht sich wie kein anderer in der Tradition von Prinzessin Diana. "Meine Mum hat die meisten, wenn nicht sogar alle ihre Entscheidungen mit dem Herzen getroffen - und ich bin nun mal ihr Sohn", hört man ihn zum Beispiel sagen. Doch Herzensentscheidungen sind nicht die Sache der britischen Königsfamilie, in der die Etikette über allem schwebt.

Mehr als alles andere hat für Harry das permanente Blitzlichtgewitter das Leben seiner Mutter zerstört. Und nicht nur das ihre: Auch er und sein Bruder entkamen schon in jungen Jahren den ständig und überall lauernden Fotografen nicht. "Es war nie fair", wirft Harry den Paparazzi vor, die nie genug bekamen und auch noch nach ausgedehnten Fototerminen die Familie immer weiter auf Schritt und Tritt verfolgten. Dianas Tod änderte daran nichts - im Gegenteil. "Großbritannien betrachtete uns als seine eigenen Kinder", erinnert er sich an die Zeit, in der er um seine Mutter trauerte und trotzdem ohne Unterlass in seiner Funktion als Royal funktionieren musste. "Von da an passierte das, was unserer Mutter passiert war, auch uns", fährt er fort.

"Es geht nur um Kontrolle"

Schließlich gerät mit zunehmendem Alter auch er immer stärker ins Visier von Paparazzi und Klatschpresse. "Nicht jede Geschichte war falsch. Aber vieles wurde übertrieben und immer wieder neu aufgewärmt", beklagt sich Harry über seine eigenen Erfahrungen, ehe er später in der Dokumentation zur Generalabrechnung mit den Medien ansetzt. "Es geht nur um Kontrolle. Diese Familie kann von uns ausgebeutet werden. Ihr Trauma ist unsere Story und wir kontrollieren das Narrativ", spricht er aus Sicht der mächtigen Boulevardpresse in Großbritannien.

Meghan wird an dieser Stelle für Harry zu einer Art Diana 2.0. "Ich habe einiges gesehen und erlebt von dem Leid der Frauen, die in diese Institution einheirateten", zieht er eine direkte Linie von ihr zu seiner Mutter, um es an anderer Stelle unumwunden auszusprechen: "In vielem ist Meghan meiner Mum so ähnlich." Letztlich, so schlussfolgert er aus alledem, sei ihm nur noch der Befreiungsschlag mit der Loslösung von der Königsfamilie und der Flucht aus England geblieben: "Ich verstehe, dass es viele Menschen gibt, die nicht damit einverstanden sind, was und wie ich es getan habe. Aber ich wusste, dass ich alles tun muss, um meine Familie zu schützen, besonders nach dem, was meiner Mum passiert ist. Das darf sich nicht wiederholen."

Zweitens wirft die Dokumentation ein Schlaglicht auf das Binnenverhältnis der Beziehung zwischen dem Prinzen und der Schauspielerin. Mit der Mär von dem vor allem von ihr initiierten "Megxit" soll aufgeräumt, das Paar als gleichberechtigte Einheit dargestellt und das angekratzte Image der Herzogin aufpoliert werden. "Die Blase in der Blase, in der er ich aufgewachsen bin", sei schon geplatzt, bevor er seine spätere Frau überhaupt gekannt habe, versichert Harry. Das Erlebnis ihres Kennenlernens wiederum sei auf beiden Seiten ein Erlebnis der puren Verliebtheit gewesen, räumt die Doku mit all den bösen Gerüchten auf, wonach sie sich ihn bewusst geangelt habe. Dabei verbinde die zwei natürlich nicht zuletzt ihr Herz für die Wohltätigkeit - eines größer als das andere.

Harry und Meghan in der Opferrolle

Auch ehemalige Grundschullehrerinnen, Freundinnen oder Meghans Ex-Kolleginnen und -Kollegen am Set der Serie "Suits" wissen selbstredend nur Gutes über die 41-Jährige zu berichten. Verwundern kann dies nicht, ist die Netflix-Doku doch ausdrücklich darauf angelegt, dass Harry und Meghan "unsere Version der Geschichte" erzählen. "Die Royal Family weigerte sich, den Inhalt der Serie zu kommentieren", heißt es ganz zu Beginn der ersten Episode. Aber auch Palastmitarbeiterinnen oder -mitarbeiter, die dann doch in bedenklicher Häufung über die angeblichen Allüren der US-Amerikanerin geklagt hatten, kommen nicht zu Wort. Das Thema bleibt - zumindest in den ersten drei Folgen der Doku - außen vor und damit ganz sicher ein Einfallstor für alle Kritikerinnen und Kritiker an der Herzogin.

Immerhin adressiert die Serie das schwierige Verhältnis Meghans zu ihrer Familie. Mit ihrem Vater Thomas oder ihrer Halbschwester Samantha, die nur allzu gerne öffentlich über sie herzieht, spricht sie dabei allerdings ebenfalls nicht, sondern nur über sie. Dafür darf Samanthas Tochter Ashleigh, die ein freundschaftliches Verhältnis zu ihrer Halbtante pflegt, sagen, was sie (Gutes) über Meghan und (Schlechtes) über ihre Mutter denkt.

Kurzum - und das führt zum dritten zentralen Punkt der Serie: Von irgendwelcher Selbstkritik sind Harry und Meghan weit entfernt. Ihre Version ist eine Version, in der sie die Opfer sind. Opfer ihrer royalen Rolle, Opfer der Medien - und Opfer von Rassismus. Der Vorwurf, den das Paar bereits in seinem Interview mit Talkmasterin Oprah Winfrey erhoben und damit das vielleicht größte Raunen beim Publikum ausgelöst hatte, wird auch in der Netflix-Doku zum Dreh- und Angelpunkt. Das jedoch abermals ohne dabei konkret Ross und Reiter zu benennen, gegen wen sich die Anschuldigung im Kreise der Senior Royals persönlich richtet.

"Hier geht es um Race"

"Meine Familie war damals der Ansicht, dass das, was Meg durchmachen musste, alle anderen auch mal durchmachen mussten. Beinahe wie eine Initiation. Einige meinten: 'Meine Frau musste das auch durchleben, warum sollte deine Freundin eine Sonderbehandlung bekommen und davor geschützt werden?' Ich sagte: 'Der Unterschied ist, hier geht es um Race'", beklagt Harry eher vage die mangelnde Unterstützung für Meghan durch seine Familie. An anderer Stelle kommt ein bereits bekannter Skandal um die Prinzessin Michael of Kent beim Weihnachtslunch im Buckingham-Palast 2017 zur Sprache. Die Ehefrau eines Cousins der Queen war damals mit einer sogenannten "Blackamoore"-Brosche - ein rassistisches Relikt der Sklaven- und Kolonialzeit - zu dem Essen erschienen. Darüber hinaus werden jedoch, anders als viele vielleicht vermutet oder gar gehofft hatten, in den ersten Episoden der Doku keine Namen genannt.

Was nicht heißt, dass die Netflix-Produktion nicht jetzt schon Brisanz hätte. Statt persönlich zu werden, legen Harry und Meghan mit ihr nämlich gleich mal die Axt an die komplette Monarchie. Queen Elizabeth II. wäre jedenfalls sicher nicht amused darüber gewesen, ihren beharrlichen Einsatz für das Commonwealth mit Ausführungen über die Geschichte der Sklaverei in den ehemaligen Kolonien kontrastiert zu sehen. Der Prinz und die Herzogin holen das ganz große Besteck raus, um aufzuzeigen, wie sehr Rassismus institutionell im britischen Königshaus verankert ist. Und nicht nur dort: Auch das fremdenfeindliche Klima in der britischen Gesellschaft wird thematisiert - auch und gerade im Zuge des Brexits, der mit der Ankunft Meghans im Königshaus zeitlich zusammenfiel.

"Als Argument für die Monarchie wird immer das Commonwealth angeführt." Diesen Satz lassen Harry und Meghan in ihrer Doku ebenso lieber einen Experten sprechen wie diesen: "Wenn man es genau betrachtet, dass man sagt, es gibt eine Familie, die von Gott gewählt wurde, um über dieses Land und über andere Länder auf der ganzen Welt zu herrschen, dann wird das eine schwierige Diskussion. Damit diese Institution überleben kann, muss sie moderner werden." In einem historischen Proseminar würde man für diese Ausführungen wohl kaum Widerspruch ernten. Dass der Prinz und die Prinzessin von Sussex sie jedoch mal eben nonchalant in ihre "ganze Wahrheit" einfließen lassen, birgt durchaus Zündstoff. Die Werbetrommel für die noch folgenden drei Episoden dürfte damit ausreichend gerührt sein.