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Immobilienmarkt: So gehen europäische Großstädte gegen die Wohnungsnot vor

Wohnungsnot herrscht nicht nur in deutschen Großstädten, auch andere europäische Metropolen sind davon betroffen. Mehr Bauen heißt überall die Devise, doch es gibt auch andere zum Teil drastische Maßnahmen gegen den Wohnraummangel

Bauen lautet die deutsche Lösung für den Wohnungsmangel. Auf dem Wohnungsbaugipfel diskutieren Spitzenpolitiker mit Verbänden, wie dies beschleunigt werden kann. Denn das Ziel der Bundesregierung, 400.000 Wohnungen pro Jahr zu bauen, ist sehr weit entfernt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden im vergangenen Jahr nur 295.300 Wohnungen fertiggestellt. Schätzungen zufolge fehlen aktuell 700.000 Wohnungen.

Deutschland ist bei Weitem nicht das einzige Land, das unter diesem Problem leidet. In den meisten europäischen Ballungsräumen herrscht ein Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Bauen allein scheint nicht mehr zu helfen, denn einzelne Städte setzten mittlerweile auf kreative Ideen.

Barcelona enteignet nach zwei Jahren

Das vielleicht drastischste Beispiel in Europa findet man in Barcelona. Die Stadt kämpft mit einem großen Leerstand, da Wohnungen oft als Investitions- und Spekulationsobjekte genutzt werden. 2019 ergriff die Region Katalonien, deren Hauptstadt Barcelona ist, per Dekret Maßnahmen gegen diesen Leerstand. Steht eine Wohnung zwei Jahre lang leer, sind die Eigentümer gezwungen, den Raum zu vermieten. Findet sich innerhalb eines Monats kein Mieter, kann die Stadt den Eigentümer für die Hälfte des Marktpreises der Immobilie enteignen.

Doch trotz dieser drastischen Entlastungsstrategie für Mieter hat Barcelona weiterhin mit hohen Preisen zu kämpfen. Wie eine EY-Studie zeigt, stiegen die Mieten dort im vergangenen Jahr stärker als in jeder anderen Stadt des Landes – um 36 Prozent im Vergleich zu 2021.

Wohnhäuser in Düsseldorf

Der Immobilienboom ist vorbei und die Kaufpreise sinken. Nun aber steigen die Mieten und zwar gewaltig. Beides hängt eng zusammen. Doch wie geht es weiter?

Wie „Bloomberg“ berichtet, will die Stadt deshalb noch weiter gehen und bereits nach sechs Monaten Leerstand enteignen. Dies müsste aber noch von der katalanischen Regierung durchgesetzt werden. Experten bezweifeln, dass das die richtige Entscheidung ist. Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau „hat das Gegenteil von dem bewirkt, was sie wollte“, sagte Juan Velayos, Investmentberater in Barcelona, dem „Handelsblatt“. „Statt mehr Angebot zu schaffen, hat es sich reduziert, weil Eigentümer jetzt lieber verkaufen, statt zu vermieten.“

Portugal schafft das goldene Visum ab

Ähnlich sieht die Wohnungslage in Portugal aus. Nach Angaben des portugiesischen Statistikamtes stehen mehr als 720.000 Wohnungen im Land leer. Gleichzeitig mangelt es aber an bezahlbarem Wohnraum. Die zahlreichen Ferienhäuser in dem beliebten Urlaubsland verzerren den Markt, sodass sich viele Menschen die Mieten in den Ballungszentren nicht mehr leisten können.

Das Krisenprogramm „Mehr Wohnraum“ soll dagegen ankämpfen. Neue Lizenzen für Ferienwohnungen in Lissabon, Porto und an der Algarveküste werden verboten. Mit Steuergeschenken sollen bisherige Ferienvermieter motiviert werden, ihre Ferienwohnungen wieder in normalen Wohnraum umzuwandeln. Zudem wird das Land das sogenannte goldene Visum abschaffen. Dieses erlaubt Ausländern, die in Portugal für mehr als 500.000 Euro in Immobilien investieren, visumfrei in den Schengen-Raum zu reisen.

Amsterdam kehrt zu den Genossenschaften zurück

In Amsterdam spitzte sich die Situation im vergangenen Jahr so zu, dass die niederländischen Universitäten ihre ausländischen Studenten auffordern, erst dann anzureisen, wenn sie ein Zimmer gefunden haben.

Studenten können sich im Notfall nicht einmal auf eine Woche in einem Hotel oder einer Ferienwohnung verlassen. Das liegt daran, dass die Hotels in Amsterdam nach London die höchste Zimmerbelegungsrate in Europa haben. Wie viele andere beliebte Reiseziele kämpft auch die kleine niederländische Stadt mit einem teuren und angespannten Wohnungsmarkt.

Wie Deutschland wollen auch die Niederlande eine Bauoffensive starten – 100.000 Wohnungen sollen pro Jahr gebaut werden –, aber auch gegen Ferienwohnungen und Leerstände vorgehen. In der niederländischen Hauptstadt stehen 19.000 Wohnungen leer. Dagegen sollen Bußgelder helfen – bis zu 9000 Euro muss ein Vermieter zahlen, wenn eine Wohnung länger als sechs Monate leer steht.

„Zu verkaufen" steht auf einem Schild vor einem modernen Wohnhaus

Bereits zum zehnten Mal hat Capital die besten Immobilienmakler Deutschlands ermittelt. Rund 900 Vermittler kommen in diesem Jahr auf eine Bewertung von vier oder fünf Sternen – das ist ein neuer Rekord

Strenge Vorschriften für Vermieter von Ferienwohnungen tragen dazu bei, die hohe Airbnb-Dichte zu bekämpfen. Die Wohnungskrise ist jedoch nicht nur auf die rund 20 Millionen Touristen zurückzuführen, die jedes Jahr nach Amsterdam reisen. Die liberalisierte Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre hat den hohen Anteil der Sozialwohnungen von 55 Prozent auf 40 Prozent reduziert. Nun will die Stadt verstärkt auf Genossenschaftswohnungen setzen, um diesen Anteil wieder zu erhöhen.

Wien baut seit 100 Jahren stadteigene Wohnungen

Wie sehr ein hohes Kontingent an Sozialwohnungen den Markt beruhigen kann, zeigt das Beispiel Wien. Die Stadt besitzt rund 220.000 Wohnungen, die seit 1920 gebaut wurden. Seither wurde keine einzige wieder verkauft. Rund 500.000 Menschen leben in den sogenannten Gemeindebauten - knapp ein Viertel der 1,9 Millionen Einwohner der österreichischen Hauptstadt.

Das Ganze wird auch als soziales Projekt gesehen, denn nur wer weniger als 53.340 Euro im Jahr verdient, bekommt eine Wohnung in den städtischen Gebäuden. Die meisten Bewohner verdienen viel weniger. Das System hat jedoch eine viel größere Wirkung, als nur Menschen mit geringem Einkommen eine Wohnung zu bieten. Da die Stadt einen so großen Anteil am Wohnungsmarkt hat, kann sie den Markt wirksam regulieren.

Der Beitrag ist zuerst bei ntv.de erschienen

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