Germany
This article was added by the user . TheWorldNews is not responsible for the content of the platform.

In 7 Minuten aufs andere Ufer: Pioniere entzücken Brückenbauer Charles

Dass Charles III ein Faible für Biolandbau hat - bekannt. Aber als Regent sieht er seine Verantwortung auch in Fragen von Krieg und Frieden. Mit seinem Besuch bei deutschen und britischen Soldaten sendet der König ein hübsches Signal.

Finowfurt heißt die kleine Gemeinde im Norden Berlins, deren Einwohnerschaft sich dem Augenschein nach annähernd komplett auf der Brücke über den Oder-Havel-Kanal eingefunden hat. Anwesende erklären, sie seien überwiegend gekommen, um König Charles III zu sehen, und bei den Nachbarn sei das auch so. Bestes Argument: Die britischen und deutschen Soldaten, die anlässlich des royalen Besuches ihre Fähigkeiten auf dem Wasser zur Schau stellen, seien ja schon seit einer Woche vor Ort. Der findige Finowfurter hat sich das längst am Dienstag oder Mittwoch bei einer der Proben angeschaut.

402160069.jpg
402160069.jpg

Die Finowfurter haben gute Sicht aufs Geschehen.

(Foto: picture alliance/dpa/AFP Pool)

Was der britische König auf der Wasserstraße präsentiert bekommen soll, ist ziemlich einzigartig und symbolstark: Das britisch-deutsche Pionierbataillon 130 aus Minden - die einzige so enge militärische Zusammenarbeit zwischen dem Königreich und Deutschland - wird mit Hilfe von sechs Amphibienfahrzeugen eine Behelfsbrücke über den breiten Kanal bilden.

Bataillon 130 ist sehr professionell im Brückenbau und hält mit einem Konstrukt, das im Jahr 2016 auf 360 Metern Länge ein Ufer der Weichsel mit dem anderen verband, den unangefochtenen Weltrekord im Behelfsbrückenbau. 38 Fahrzeuge hatte man dafür miteinander verzahnt. Fähigkeiten, aufgrund derer man den deutschen und britischen Pionieren zutraut, auch beim Bau von symbolischen Brücken erfolgreich mitzuwirken. Denn das ist, so hat es den Anschein, ein zentrales Ansinnen des britischen Monarchen bei seinem Besuch: Nach Brexit und schwerstem Regierungschaos in London eine Brücke nach Deutschland zu bauen, auf das zu verweisen, was beide Länder verbindet und stärken kann in schwierigen Zeiten.

Ausführungszeit: sieben Minuten

Doch um den symbolischen Brückenbau zu verkörpern, muss zunächst mal der konkrete über den Kanal bewältigt werden. Die Fahrzeuge, Modell "M3 Rig", liegen im Wasser bereit, Besatzung je Amphibie: 3 Mann, Ausführungszeit: sieben Minuten.

402152803.jpg
402152803.jpg

Die einzelnen Fahrzeuge werden auf dem Wasser miteinander verbunden.

(Foto: picture alliance/dpa/AFP-POOL)

So anspruchsvoll wie die Aufgabe klingt, würde man jeden Moment einen Wetten Dass-Außenreporter vor Ort erwarten, der vom König seinen Wetteinsatz verlangt, falls Bataillon 130 das Zeitlimit reißt. Aber die Bundeswehr klärt auf: Die Soldatinnen und Soldaten vollziehen diese Übung quasi täglich, normalerweise auf der Weser. "Üblicherweise schaffen wir einen solchen Brückenschlag in sieben Minuten", erklärt Oberstleutnant Stefan Klein, der den Bataillon kommandiert.

Und auch die laienhafte Annahme, dass der Behelfsbrückenbau über einen Kanal, also ein stehendes Gewässer ja vermutlich viel einfacher sei als über einen strömenden Fluss, korrigiert er. Denn in einem stehenden Gewässer entsteht ein ähnlicher Effekt wie in der Schwerelosigkeit, und das macht die Sache eher knifflig. "Wenn Sie uns in einem stehenden Gewässer antippen, dann schwimmen wir einfach weg", sagt der Kommandeur. "Wenn wir im Fließgewässer arbeiten, dann nehmen wir die Motorkraft weg, und dann drückt das Wasser uns wieder in die Ausgangsposition zurück."

402152857.jpg
402152857.jpg

Die Fahrzeuge klappen seitliche Rampen aus und verzahnen sich miteinander.

(Foto: picture alliance/dpa/AFP-POOL)

Um unter den erschwerten Bedingungen eine perfekte Show zu bieten, haben die Pioniere auf dem Kanal bereits reichlich geübt. Und als der britische Monarch beinahe pünktlich und begleitet von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sowie dem Ministerpräsidenten Dietmar Woidke sowie einem Tross weiterer Anzugträger das Kanalufer erreicht, beginnen die Besatzungen der Amphibien ihr Manöver.

Sieben Minuten? Eher sechs.

Jeweils drei der sechs Fahrzeuge klappen Rampen zur Seite aus, verzahnen diese miteinander und bilden so einen Verbund mit einer planen Oberfläche. Dann ordnen sich beide Verbünde nebeneinander an, verzahnen sich ebenfalls und bilden die Brücke zum anderen Ufer. Die letzten Bolzen werden lautstark eingehauen, dann steht ein ebener Übergang vom Nord- zum Südufer. Hat das sieben Minuten gedauert? Eher sechs, und das wissen auch die Finowfurter auf der echten Brücke mit Applaus zu würdigen.

402160192.jpg
402160192.jpg

Mission erfüllt.

(Foto: picture alliance/dpa/AFP Pool)

Nachdem ein gepanzertes Transportfahrzeug Modell "Boxer" das Konstrukt zunächst auf Stabilität getestet hat, betreten auch der britische König und sein Gastgeber Steinmeier die Stahlrampen. Sie lassen den Tross von Begleitern zurück und Charles wandert eine Fahrzeugfläche nach der anderen ab, schüttelt Hände, stellt Fragen, macht Anmerkungen und lässt keinen der beteiligten Soldaten aus. Mag der anschließende Besuch auf dem Ökohof seiner Leidenschaft für Biolandbau entsprechen - das Treffen mit den deutschen und britischen Soldaten ist weit mehr als ein Pflichttermin.

Schon in seiner Rede vor dem Bundestag hat Charles III am Morgen betont, dass Deutschland "das einzige Land weltweit" sei, mit dem das Vereinigte Königreich solch ein Brückenbaubataillon unterhält. Er selbst hat in der Marine gedient und schon als Prinz eine enge Beziehung zur britischen Armee gepflegt.

Charles III verortet seine Regentschaft in schwierigen Zeiten

Wie sehr aber der König seine Regentschaft mitten in geopolitisch schwierigen Zeiten verortet, wo Fähigkeiten von Armeen eine neue Wichtigkeit erlangt haben, macht Charles deutlich, wenn er Deutschland explizit für die militärische Unterstützung der Ukraine dankt. Im alten Berliner Flughafen Tegel besucht er ein Ankunftszentrum für ukrainische Flüchtlinge.

402140542.jpg
402140542.jpg

Mit vielen Soldaten sucht Charles III das Gespräch.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Der deutsch-britische Brückenschlag über den Oder-Havel-Kanal passt zu diesen Stationen des königlichen Besuchs - als Symbol für einen wichtigen Faktor im Bemühen um Frieden und Souveränität für die geschundene Ukraine und als Betonung der militärischen Partnerschaft zwischen den europäischen Demokratien.

Der eng getaktete Zeitplan zwingt zum baldigen Aufbrauch, doch auch diesen royalen Kurzbesuch wird der Bataillon 130 anschließend als sehr gelungen bilanzieren. Und auch wenn einem - ausgerechnet britischen - Armeeangehörigen bei seiner Erklärung zu Charles' Krawatte in den Farben der "Royal Engineers" versehentlich noch ein "Prince Charles" herausrutscht, ist das nach mehr als sieben Jahrzehnten voll verzeihbar. Trotzdem gut, dass der König da schon außer Hörweite war.