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Jacques Chiracs Erben stehen am Scheideweg

Die Partei der französischen Konservativen, mittlerweile seit zehn Jahren in der Opposition, kämpft ums Überleben. Es geht für Les Républicains (LR) um alles oder nichts, ums „Neuerfinden oder Verschwinden“, wie es Brice Hortefeux, Parteiurgestein und treuer Sarkozy-Gefärte, formuliert. Am Wochenende wählen die gut 80.000 Mitglieder ihren Vorsitzenden. Allein diese Zahl lässt tief blicken. Zu Glanzzeiten der Partei, als der charismatische Jacques Chirac Präsident war, hatte sie zehnmal mehr Mitglieder.

Die Diagnose ist düster: Die französischen Konservativen haben drei Präsidentschaftswahlen hintereinander verloren, ihre Fraktion im Parlament ist von 350 Abgeordneten auf 62 zusammengeschrumpft und keine größere Stadt im ganzen Land, in der einer der Ihren ein Rathaus führte. Der Bürgermeister von Toulouse, der letzte einer Metropole, hat gerade sein Parteibuch abgegeben und den „Rechtsruck“ beklagt.

Wie er sind in den letzten Jahren viele Parteikader zu Emmanuel Macron, andere zu Marine Le Pen übergelaufen. Zwischen den Populisten am rechten Rand und der liberalen Mitte scheint kein Platz mehr für eine weitere Partei zu sein. Im Parlament sind die Konservativen immerhin noch das Zünglein an der Waage. Macron hat keine Mehrheit mehr und ist auf sie angewiesen, um Gesetze durchzubringen. Mit jeder Abstimmung müssen die zerrissenen Républicains deshalb Farbe bekennen. Es ist ein unauflösbares Dilemma: Stimmen sie mit der Regierungsmehrheit, machen sie sich als Partei überflüssig. Verweigern sie Macron die Mehrheit, rücken sie unweigerlich weiter nach rechts.

Ist die Schwesterpartei von CDU/CSU, die jahrzehntelang die politische Landschaft Frankreichs dominierte und sich mit den Sozialisten an der Macht abwechselte, am Ende? Noch haben die Konservativen Hoffnung, weil Macron bei den Wahlen 2027 nicht mehr antreten kann. Bei der Frage nach der Zukunft von LR geht es auch darum, wer Macron beerbt. Anders formuliert: Wird Macrons politisches Konzept „sowohl rechts als auch links“ seinen Erfinder überleben?

Drei Männer treten an bei der Wahl um den Parteivorsitz von LR. Favorit ist Éric Ciotti, Abgeordneter aus dem südfranzösischen Nizza, ein Hardliner in Sachen Sicherheit und Migration, von dem sich die meisten fragen, warum er nicht längst bei Le Pen angeheuert hat.

FILE PHOTO: French lawmakers debate giving constitutional protection to abortion rights

Éric Ciotti

Quelle: REUTERS

Ciotti, ein kleiner Mann mit nasaler Stimme, aber scharfen Überzeugungen, will nicht nur die Partei retten, sondern am liebsten die Nation. Er will Einwanderungsgesetze verschärfen, Ausweisungen erleichtern und Sozialhilfen für Ausländer streichen. „Frankreich muss Frankreich bleiben“, ist seine Linie.

„2027 bin ich es – oder Marine“

Begriffe wie „Sozialtourismus“, den in den Mund genommen zu haben CDU-Mann Friedrich Merz längst bereuen dürfte, gehören bei ihm zum kleinen Einmaleins der Meinungsmache. Auf die Frage, was ihn von Le Pens RN unterscheidet, hat er der 57-Jährige unlängst geantwortet: „Nur unsere Fähigkeit zu regieren.“ Präsidentschaftsambitionen hat Ciotti nicht. Hinter ihm steht Hardliner Laurent Wauquiez, der bei der nächsten Wahl Macron beerben und Le Pen schlagen will: „2027 bin ich es – oder Marine“, so hat es der unbeliebte Ex-Parteichef dieser Tage formuliert.

Seitdem die moderate Präsidentschaftskandidatin Valérie Pécresse im Mai nicht einmal fünf Prozent der Stimmen holte, ist Mäßigung für die Republikaner offensichtlich keine Option mehr. Ciottis Konkurrenten wetteifern darum, wer die härtere Linie fährt. Bruno Retailleau, 62, Fraktionsvorsitzender im Senat, ist so bewährt wie blass, scheut sich aber nicht, „Ausländer wieder dahin zu schicken, wo sie herkommen“.

Bruno Retailleau

Bruno Retailleau

Quelle: REUTERS

Dritter im Bund ist Aurélien Pradié, 36, der gern wieder die Schuluniform einführen würde und für die sozial-konservative Linie der gaullistischen Partei steht. „Ich glaube nicht an eine bürgerliche Rechte der Kolloquien“, so Pradié. Er will eine Partei, „die zur Supermarktkassiererin“ spricht. Hinter ihm steht der einst glücklose Präsidentschaftskandidat Xavier Bertrand, der sich „populär, aber nicht populistisch“ gibt. Auch er will natürlich Präsident werden.

Aurélien Pradié

Aurélien Pradié

Quelle: AFP/GEOFFROY VAN DER HASSELT

Ciotti mag zwar klarer Favorit sein, doch kurz vor der Wahl kam heraus, dass er seine Ex-Frau jahrelang als Parlamentsassistentin beschäftigt und für diverse andere Dienstleistungen entlohnt hat. Das erinnert an die Affären von François Fillon, den 2017 alle schon als Präsidenten sahen. Sollte Ciotti im ersten Wahlgang nicht die klare Mehrheit haben, wird der Parteichef in einer Stichwahl nächste Woche ermittelt.

Ein Sieger steht allerdings schon jetzt fest. Es ist die Radikalität, die sich bei LR durchgesetzt hat. In der Heimat des modernen Konservatismus, dessen mutiges Denkmal das Pariser Centre Pompidou ist, reicht es nur noch für ideologische Schwarz-Weiß-Malerei, ohne Zwischentöne.

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