Der neue Honda CR-V ist so unscheinbar, dass er in der Masse der Fahrzeuge auf der Straße glatt untergeht. Mancher Kunde schätzt vielleicht genau das. ntv.de war mit dem konservativen Japaner unterwegs.
Wer oder was ist überhaupt Honda? So oder so ähnlich könnte eine Frage lauten, wenn man jüngere Menschen hierzulande mit dieser Marke konfrontiert. Nun, nicht weniger als einer der weltgrößten Motorenhersteller, könnte man erwidern - Boots- und Rasenmähertriebwerke selbstverständlich mitgezählt. Woher rührt bloß die heutige Unbekanntheit der Autosparte? Autos von Honda waren früher verbreitet auf Deutschlands Straßen, nun ist genau das Gegenteil der Fall. Vielleicht entwickelt der Hersteller seine vierrädrigen Produkte mittlerweile einfach am deutschen oder europäischen Markt vorbei mit betont konservativem Design und exotischen Antrieben.


Die Frontpartie dürfte der modernste Bereich am Honda CR-V sein.
(Foto: Patrick Broich)
Zunächst sah es so aus, als würden die europäischen Designer ihre Einstellung überdenken, brachten den HR-V mit progressiv-adretter Außenhaut von geradezu stylischer Natur. Der neue CR-V (der übrigens in anderen Märkten schon seit letztem Jahr angeboten wird) macht dagegen die Rolle rückwärts. Er wirkt konservativ, könnte auch schon fünf Jahre am Markt sein vom Stil her. Ist ja kein Problem, es dürfte Kunden geben, die so etwas schätzen. Um keinen Preis auffallen, lautet deren Devise.


Der Honda CR-V wirkt wie das Resultat einer Kreuzung aus Mazda CX-60 und Volvo XC60. Statt überbordende Moderne gibt es zurückhaltenden Konservatismus.
(Foto: Patrick Broich)
Der Preis fürs modernste Nichtauffallen beträgt bei Honda mindestens 51.400 Euro. Also, so viel kostet der jüngste CR-V mit Hybridstrang und vier angetriebenen Rädern. Von welcher Fahrzeuggattung ist überhaupt die Rede? Mit einer Länge von 4,71 Metern sortiert er sich irgendwo in der Mittelklasse ein. Und da der Radstand gegenüber dem Vorgänger um 3,8 Zentimeter wuchs und mittlerweile 2,70 Meter beträgt, macht sich der CR-V exzellent als Reisetool. Denn die Beinfreiheit im Fond fällt durchaus stattlich aus bei erster flüchtiger Betrachtung.
Komplexer Hybrid-Antriebsstrang


Mit 4,71 Längenmetern ist der neue Honda CR-V schon ein stattliches Fahrzeug. Die Silhouette erinnert an SUV der Marke Volvo.
(Foto: Patrick Broich)
Aber ich sitze hier und heute natürlich vorn, und zwar links. Dort sitzt es sich allerdings auch gediegen dank durchaus feiner Stühle. Also, dann kann es ja losgehen. Startknopf drücken und Stufe "D" einlegen, anschließend fährt der Honda geschmeidig an, setzt sich souverän, aber nicht hektisch (9,4 Sekunden auf 100 km/h und 187 Sachen Topspeed) in Bewegung. Und er federt herrlich komfortabel, bewahrt seine Fahrgäste selbst vor fiesen Beulen im Asphalt, indem er deren Auswirkung stark abmildert.
Es wummert unter Last energisch-vierzylindrig aus Richtung Motorhaube; ich habe in Erinnerung, dass auf dem Heckdeckel ein Emblem sitzt, das mich neugierig macht: e:HEV.


So kryptisch das Emblem "e:PHEV" ist, so komplex ist der Antriebsstrang unter dem Blech mit zwei Aggregaten, paralleler und serieller Arbeitsweise sowie zwei Übersetzungen.
(Foto: Patrick Broich)
Honda war immer schon ein Hersteller, der es mitunter ganz schön kompliziert mochte. Man denke an den Legend mit einem unglaublich komplizierten Allradantrieb samt mehreren elektronisch gesteuerten Differenzialen. Hier beim CR-V ist es auch wieder ein bisschen aufwendiger. Der nach dem Atkinson-Prinzip effizient laufende und direkteinspritzende Zweiliter-Otto mit 148 PS und 189 Newtonmetern Drehmoment erfüllt in der Hauptsache seine Generator-Aufgabe und speist eine Batterie, aus welcher wiederum der 184 PS starke E-Motor mit 335 Newtonmetern Drehmoment seinen Saft bekommt. Und der Stromer treibt an, das nennt sich serieller Betrieb. Allerdings gibt es auch eine Kupplung, die den Verbrenner am Antrieb beteiligt.
Während für diesen Modus in älteren Modellen bloß eine lange Übersetzung zur Verfügung stand, hat Honda jetzt erstmals für den CR-V ein Zweiganggetriebe vorgesehen. Als Fahrer merkt man gar nicht, was da unter dem Blech alles vonstatten geht. Dafür beschleunigt das 1,9 Tonnen schwere SUV aus jeder Lebenslage heraus prompt, spricht also schnell an, verzichtet auf Zugkraftunterbrechungen. Und es begnügt sich mit 6,6 Litern je 100 Kilometer nach gemittelter WLTP-Disziplin - geht für Gewicht und Leistung schon in Ordnung. Wer 8500 Euro mehr ausgibt, bekommt diesen Antriebsstrang auch mit größerem Akku zum externen Aufladen. Dann können knapp 18 kWh Strom gespeichert werden. Damit fährt der CR-V etwas mehr als 80 Kilometer rein elektrisch.
Der PHEV ist nur sinnvoll für Nutzer der Dienstwagensteuer


Ein bisschen Touchscreen und viele Knöpfchen sind die Devise von Hondas Interieur-Designern. Die Architektur wirkt ähnlich konservativ wie die Außenhaut.
(Foto: Honda)
Allerdings muss man sich schon die Frage stellen, warum man zum deutlich teureren Plug-in greifen sollte. Einfach weil es cool ist, den CR-V an die Steckdose anzuschließen? Weil man länger ohne Verbrenner fahren kann, was natürlich leiser ist? Schwache Argumente. Die Kraftstoffkosten sind es eher nicht - selbst wenn man komplett kostenlos laden könnte, müsste man über 70.000 Kilometer rein elektrisch zurücklegen, damit sich der Mehrpreis amortisiert.
Schon anders sieht es bei Dienstwagen-Fahrern aus. Schließlich gilt bei der pauschalen Steuerabgabe für private Fahrten bloß der halbierte Bruttolistenpreis als Berechnungsgrundlage. Natürlich probiere ich auch den PHEV - der allerdings grundsätzlich über das gleiche Antriebssystem verfügt, nur eben länger elektrisch fährt. Na ja, 100 Kilogramm schwerer ist er ja auch. Vielleicht mag er einen Zacken gediegener federn, aber wirklich drastisch bemerkbar macht sich das nicht.


Nanu, der PHEV-Kofferraum fasst mehr Gepäck (1710 Liter Volumen) als der des Vollhybrid-Modells mit 1632 Litern. Das Geheimnis liegt in der unterschiedlichen Unterbringung der Batterie. Als Praktiker gehen beide Varianten durch.
(Foto: Honda)
Und da wäre noch eine kleine Anomalie mit denkwürdigem Resultat: Der PHEV verfügt zwar über die größere Batterie. Die ist aber geschickter unterbracht, weshalb das Kofferraumvolumen beim Vollhybrid mit kleinerem Akku dennoch mickriger ausfällt (1632 zu 1710 Liter). Aber gut, das macht keinen großen Unterschied. Als praktisch kann er mit diesen Volumina indes durchgehen.
Unter dem Strich ist der Honda CR-V ein unscheinbares, komfortables und recht solide ausgestattetes Auto. Innen setzt sich die konservative Note übrigens fort. Nicht, dass im CR-V noch analoge Instrumente zu finden wären - aber die Architektur ist unauffällig-zurückhaltend gestaltet. Ihr Design-Höhepunkt besteht aus den markentypischen Wabengittern über den Luftausströmern. Der Touchscreen ist gerade so groß wie nötig.


Ein einfacher Automatikwählhebel reicht nicht. Es müssen schon extravagante Tasten sein.
(Foto: Honda)
Und technischen Firlefanz leistet sich der Honda auch nur an einer Stelle: Statt Automatik-Wählhebel gibt es eine dafür vorgesehene Tastenreihe in der Mittelkonsole. Aber das sind auch nicht einfach schnöde Tasten, sondern "D" und "P" wird gedrückt, während für den Rückwärtsgang eine Mulde eingerichtet wurde, in die man hineingreift, um den Schalter zu betätigen. Wenn sich beim CR-V doch bloß alles so einfach bedienen ließe. Denn um die Assistenten zu steuern (dazu gehört auch das Ausschalten von nervigem Gepiepse), müssen die Lenkradtasten herhalten, was mitunter etwas fummelig ist.
Wird man den neuen CR-V künftig häufiger auf der Straße sehen? Zu wünschen wäre es ihm, zumal er auch durch ein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis besticht. Features wie das volle Assistentenarsenal, elektrische Heckklappe, LED-Scheinwerfer, Navigationssystem, Panorama-Glasdach, Parkpiepser, Rückfahrkamera, Smartphone-Integration und adaptiver Tempomat sind nämlich frei Haus. Wenn das kein attraktives Angebot ist.