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Kindergarten-Katastrophe - Wehe, die Kita macht mittags dicht!

Nach der Kita-Katastrophe ist vor der Kita-Katastrophe!

Nach drei Jahren Corona mit Schließungen und Appellen, die Kinder bitte nicht zur Betreuung zu bringen, geht bei Eltern erneut die Angst um die Betreuung um!

Im bayerischen Rosenheim wurde Eltern kurzfristig der Krippenplatz gekündigt. In Karlsruhe dürfen Dreijährige nicht zum Mittagsschlaf bleiben, in Tettnang am Bodensee fällt die Nachmittagsbetreuung komplett weg.

Der Grund ist überall derselbe: Personalmangel – bundesweit fehlen circa 100.000 Erzieher. Besonders betroffen: Tübingen. Von 43 Kitas sollen nur noch neun bis 16.30 Uhr geöffnet haben. Und nur vier Kita-Gruppen bis 17.00 bzw. 17.30 Uhr. So will es die Stadtverwaltung.

Benjamin Seyfried (44, angehender Erzieher) mit Sohn Max (4), der bis 16 Uhr in einer Tübinger Kita betreut wird: „Meine Frau ist Ärztin in der Uni-Klinik und sollte eigentlich ihre 38-Stunden-Woche aufstocken, um Oberärztin werden zu können“

Foto: Michael Hahn

„Von Tübingen sind wir anderes gewöhnt“, sagt Maria Tiede (37) vom Gesamtelternbeirat zu BILD am SONNTAG: „Während der Corona-Zeit war Tübingen kreativ. Jetzt machen wir gewaltige Rückschritte.“

Oberbürgermeister Boris Palmer (50) wehrt sich: „Das ist keine Rolle rückwärts in ein altes Familienmodell, sondern eine pragmatische Anpassung an die Wirklichkeit.“ Eine Wirklichkeit ohne Erzieher. Die verkürzten Betreuungszeiten seien besser, als Kitas immer wieder kurzfristig zu schließen.

Der Experte für frühkindliche Bildung, Erik von Malottki (36, SPD), warnt vor einer „Kita-Katastrophe“. Fachkräftegewinnung müsse für Länder und Bund oberste Priorität haben. Der Engpass bei den Kitas sei ein „Brandbeschleuniger für weiteren Fachkräftemangel“.

Niemand wolle eine „Zwangsrückkehr zu alten Rollenbildern“. Die Löhne müssten spürbar angehoben werden, so von Malottki. Das Durchschnittsgehalt von Erziehern im öffentlichen Dienst beträgt 3305 Euro brutto. Die Gewerkschaften fordern 10,5 Prozent mehr.

Julian (35, kaufmännischer Angestellter) und Franziska Rust (34, Logopädin) holen ihre Tochter Ella (2) um 16 Uhr ab: „Sollte die Krippe künftig schon mittags schließen, könnte einer von uns nur noch halbtags arbeiten“

Foto: Michael Hahn

Die Bundestagsabgeordnete Heidi Reichinnek (34, Linke) stimmt zu: „Wir brauchen jetzt sofort einen Fachkräftegipfel, bei dem Bund und Länder gemeinsam mit Trägern und Gewerkschaften eine Strategie entwickeln, um die Fachkräfte, die den Beruf verlassen haben, zurückzuholen und neue zu gewinnen. Dafür brauchen wir bessere Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen und endlich auch bessere Bezahlung.“

Und was tut die Regierung? Bundesfamilienministerin Lisa Paus (54, Grüne) verweist darauf, dass Personal durch das auslaufende Bundesprogramm zur Sprachförderung („Sprachkitas“) frei wird.

Paus zu BILD am SONNTAG: „Mein Ministerium und ich haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, dass die Fachkräfte dem System erhalten bleiben.“ Die Rede ist von 6500 Fachkräften, es fehlen dann noch 93.500 – mindestens.

Foto: BILD

Dieser Artikel stammt aus BILD am SONNTAG. Das ePaper der gesamten Ausgabe gibt es hier.