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Klimageld: Die Ampel verschleppt ihr wichtigstes Projekt

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

noch mag es utopisch klingen, aber stellen Sie sich für einen kurzen Moment vor, dass Sie auf Ihren Kontoauszug gucken und sehen: Der Staat hat Ihnen Geld überwiesen. Vielleicht zunächst nur 100 Euro, aber immerhin. Verwendungszweck: "Ihr Klimageld ist da". Wäre das nicht ein gutes Gefühl? Geradezu eine PR-Maßnahme für den Klimaschutz?

Wie wichtig es ist, den sozialen Ausgleich bei der Energiewende mitzudenken, hat der Streit über das Heizungsgesetz eindrücklich gezeigt. Nur mit allergrößter Mühe scheinen sich SPD, Grüne und FDP nun zusammenzuraufen. Doch selbst wenn das gelingt, bleibt das Problem, dass die Bürger längst verunsichert sind. Manch einer mag sich angesichts des Hickhacks denken: Wenn Klimaschutz so aussieht, dann gerne ohne mich!

Höchste Zeit also für einen Motivationsbooster. Für ein Projekt, das nicht nur die Laune in der Bevölkerung heben, sondern auch der Ampelkoalition aus ihrem Zustimmungstief helfen könnte: das Klimageld eben.

Die Idee dahinter: Das Geld, das der Staat durch den CO2-Preis einnimmt, schüttet er in voller Höhe als Direktzahlung an die Bürger aus. Damit könnte der Markt weiter Anreize zum CO2-Sparen setzen und gleichzeitig würden diejenigen entlastet, die es am nötigsten haben. Denn bei einer Pro-Kopf-Pauschale, also der gleich hohen Erstattung für jeden Bürger, profitieren vor allem Geringverdiener. Schließlich verbrauchen sie vergleichsweise wenig CO2.

Warum also gibt es das Klimageld nicht längst? Warum zanken SPD, Grüne und FDP lieber wochenlang über Vorgaben zur energetischen Sanierung, wenn es doch längst eine viel bessere Idee gibt – noch dazu eine, die im Koalitionsvertrag verankert ist?

Die Antwort ist wie so häufig: weil sich die Ampel nicht einig ist. Zwar hatte sie im Koalitionsvertrag "angesichts höherer CO2-Preiskomponenten" ein Klimageld als "sozialen Kompensationsmechanismus" angekündigt, allerdings sagte das Bundesarbeitsministerium (BMAS) kürzlich dem "Tagesspiegel Background": "Die Meinungsbildung über die genaue Ausgestaltung einer solchen Leistung ist innerhalb der Bundesregierung noch nicht abschließend erfolgt."

Immerhin: Ein paar Schritte hat die Ampel bereits in Richtung Klimageld unternommen. So regelt das jüngste Jahressteuergesetz, dass beim Bundeszentralamt für Steuern die Datenbank mit den Steuer-IDs um die sogenannten IBANs ergänzt werden soll, also um die Bankverbindungen der Bürger. Das wird allerdings noch dauern und reicht alleine ohnehin nicht. Es muss auch jemanden geben, der das Geld auszahlt. Darüber soll sich nun eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe Gedanken machen, die das BMAS eingesetzt hat. Wann das Denken ein Ende haben soll, ist allerdings unklar.

Ideen für mögliche Auszahlungswege gibt es bereits viele: In einer Studie der Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer schlagen Forschende beispielsweise vor, das Klimageld über bestehende Systeme auszuzahlen – also etwa die Lohnsteuererstattung, die Grundsicherung, die Rente oder das Kindergeld. Das hätte den Vorteil, dass es Verwaltungskosten sparen würde. Auch das gerade im Kabinett auf den Weg gebrachte digitale Bürgerkonto könnte helfen (mehr dazu hier).

Genauso denkbar ist aber auch, dass das Klimageld noch komplett unter die Räder kommt. Denn die Einnahmen aus der nationalen und europäischen CO2-Bepreisung sind aktuell für ganz andere Dinge vorgesehen, zum Beispiel für den Austausch alter Heizungen. Eine Lösung könnte sein, den CO2-Preis stärker anzuheben. Klingt zunächst paradox und wenig förderlich für den sozialen Frieden, doch das ist ja gerade der Clou am Mechanismus: Je höher der CO2-Preis, desto höher ist auch die Rückzahlung. Und desto mehr unverplantes Geld käme überhaupt in die Kasse.

Auf dem Höhepunkt der Energiekrise hatte die Ampel die Steigerung des CO2-Preises von 30 auf 35 Euro pro Tonne noch verschoben, weil sie die soziale Sprengkraft fürchtete. Hätte es damals schon einen Ausgleichsmechanismus gegeben, wäre das nicht nötig gewesen. Ein ähnliches Dilemma droht der Regierung nun erneut. Denn an ihrem eigenen CO2-Preis kann sie drehen. Doch auch die EU will ihren Emissionshandel ausweiten. Verschleppt die Ampel das Klimageld weiter, könnten die Bürger schon bald eine böse Überraschung erleben. Und die Akzeptanz für den Klimaschutz wäre womöglich endgültig dahin.

Wenn's um Geld geht ...

"... Sparkasse!" Vielleicht geht es nur mir so, aber bis heute trällert mein Kopf den Werbejingle zuverlässig zu Ende; die PR-Agentur der Finanzgruppe scheint ganze Arbeit geleistet zu haben. Dass Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck den Markenclaim heute im Duett singen, darf allerdings bezweifelt werden. Zwar sind beide Gäste beim Deutschen Sparkassentag in Hannover, aber der steht ohnehin unter dem völlig anderen Motto "Weil's um mehr als Geld geht".

Konkret soll darüber diskutiert werden, wie wir unsere Gesellschaft krisensicher machen, wie sich der Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben lässt und wie man verhindert, dass die Inflation die soziale Spaltung vertieft. Wie man Letzteres nicht schafft, hat die Sparkasse praktischerweise schon vorgemacht. Mit einem weiteren ikonischen Werbespruch von 1995: "Mein Haus, mein Auto, mein Boot".

Das geht besser

Hand aufs Herz: Haben Sie sich den roten Brief genauer angeschaut, der vor einigen Wochen in Ihrem Postkasten landete? Oder wanderte er direkt in den Papierkorb? Dann wird es reichlich eng mit Ihrer Stimmabgabe bei der Sozialwahl. Denn nur noch bis heute können Versicherte und Rentner darüber entscheiden, wer in den höchsten Gremien der Kranken-, Pflege-, Renten- und Unfallversicherung sitzt. Bei einigen Krankenkassen ist das immerhin online möglich, für den Postweg ist die Kutsche bereits abgefahren.

Allerdings dürfen Sie sich glücklich schätzen, wenn Sie überhaupt die Wahl hatten. Bei den meisten Sozialversicherungen wird nämlich eine sogenannte Friedenswahl abgehalten. Klingt angenehm, ist aber nur eine Demokratiesimulation. Dabei steht nämlich schon vorab fest, wer in die Gremien einzieht. Kandidieren nur so viele Menschen wie es Plätze gibt, wird gar nicht mehr abgestimmt. Und dort, wo gewählt werden kann, ist unklar, wofür die Bewerber überhaupt stehen.

Bis zur nächsten Sozialwahl in sechs Jahren täte man also gut daran, an Transparenz und echten Wahloptionen zu arbeiten. Denn unwichtig sind die Gremien keineswegs. Immerhin entscheiden sie über Kassenleistungen, Bonusprogramme, Wahltarife und stellen die Widerspruchsausschüsse zusammen. Warum also nicht wie bei anderen Wahlen auch einen Wahl-O-Mat einführen, wie die Kollegen vom Politik-Podcast "Lage der Nation" vorschlagen? So wüsste man wenigstens, welche Liste den eigenen Interessen am ehesten entspricht. Und vielleicht landen dann auch weniger Wahlunterlagen im Papierkorb.