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Klimawandel: Wegen einer Dürre steht Somalia vor der Hungersnot

Globale Gesellschaft

In Reportagen, Analysen, Fotos, Videos und Podcasts berichten wir weltweit über soziale Ungerechtigkeiten, gesellschaftliche Entwicklungen und vielversprechende Ansätze für die Lösung globaler Probleme.

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Es sind hohe Gäste gekommen, mal wieder. Mit blauen kugelsicheren Westen laufen sie durch das Flüchtlingslager, werden sofort umringt von Dutzenden Bewohnerinnen und Bewohnern. Nein, Hilfe sei hier noch nicht angekommen, die Lage sei dramatisch, erzählt ihnen ein älterer Mann.

Die Delegation der Vereinten Nationen macht sich Notizen. Ein lokaler Mitarbeiter räumt ein, dass es schlicht zu viele Neuankömmlinge seien, um alle zu versorgen. Im Hintergrund bauen Frauen aus dünnen Zweigen, Tüchern und Plastikplanen improvisierte Zelte auf, sie werden für die meisten hier auf Monate – wenn nicht Jahre – ihr Zuhause sein.

»Somalia steht am Abgrund«, sagt Mohammed Abdiker, Regionaldirektor der Uno-Migrationsorganisation IOM. Mehr als sieben Millionen Menschen seien vom Hunger bedroht, fast die Hälfte der Bevölkerung. »Unsere Antwort reicht nicht aus«, ergänzt der Uno-Verantwortliche. Immerhin kommen langsam mehr Gelder der internationalen Gemeinschaft an, doch es fehlt immer noch an allen Ecken und Enden. Auch, weil der Krieg in der Ukraine viele Ressourcen der reichen Länder bindet.

Die Vertreter der Uno konnten schon aus der Luft das Ausmaß der Katastrophe erkennen. Die Stadt Baidoa in Zentralsomalia ist inzwischen ein einziger Flickenteppich aus orangefarbenen Punkten, in alle Himmelsrichtungen breiten sich die Flüchtlingszelte aus, selbst der Flughafen ist umringt von den notdürftig zusammengezimmerten Unterkünften der Dürrevertriebenen. Jeden Tag kommen mehr als tausend Geflüchtete hinzu.

In einem dieser Zelte, direkt hinter dem Zaun des Flughafens, wohnt Naima Mohammed. Im Hintergrund landen die großen weißen Hubschrauber und Flugzeuge der Uno und des Roten Kreuzes, oft mit Hilfsgütern an Bord. Es dröhnt dann laut, doch niemand schenkt dem mehr Beachtung. Sie habe sich neulich angestellt, um von einer Hilfsorganisation mit Essen versorgt zu werden, sagt Mohammed. Doch sie kam nicht dran, die Rationen waren schnell alle. Zu groß ist die Not, um jeder und jedem zu helfen.

Die siebenfache Mutter sitzt auf einer Bastmatte, ihr jüngstes Kind auf dem Arm, es ist ein Jahr alt und wirkt abgemagert. Immer wieder schreit das Mädchen, Mohammed versucht sie abzulenken, ohne Erfolg. »Dein eigenes Kind weint vor Hunger und du kannst rein gar nichts machen, das ist ein furchtbares Gefühl«, sagt sie. Die alleinerziehende Mutter und ihre Kinder überleben dank Essensspenden der Nachbarn.

Als Mohammed in Bush Medina, ihrer Heimat, aufgebrochen war, hatte sie noch acht Kinder – und einen Esel, der das wenige Hab und Gut der Familie transportierte. Bis zuletzt hatte sie versucht zu bleiben, auch als die zehn Ziegen schon gestorben waren, weil es kein Weideland mehr gibt. Sie hatte versucht noch etwas Hirse anzubauen, eine der dürreresistentesten Sorten. Doch auch das scheiterte: »Keiner kann dort mehr etwas anpflanzen, es gibt kein Leben mehr in dieser Gegend.« Also brachen sie auf, vier Wochen ist das her.

Naima Mohammed hat auf der Flucht eines ihrer Kinder durch den Hunger verloren

Foto: Brian Otieno / DER SPIEGEL

Der Esel starb zuerst auf dem mehrtägigen Fußmarsch, danach mussten sie ihre Sachen selbst schleppen. Am zweiten Tag wurde auch die vierjährige Tochter immer schwächer, konnte irgendwann vor Erschöpfung und Hunger nicht mehr laufen. Sie überlebte die Flucht nicht. »Ich musste sie unterwegs begraben«, sagt Mohammed, Zeit zum Trauern hatte sie nicht. Schließlich musste die Mutter das rettende Flüchtlingslager erreichen, bevor auch die anderen Kinder in Lebensgefahr gerieten. Sie schaffte es, doch nun leiden sie weiter Hunger.

Istanbul Abi hat draußen vor den Zelten ein kleines Feuer gemacht, darauf köchelt ein Topf mit Linsen. Sie ist Campmanagerin für einen kleinen Abschnitt der Zeltstadt, die Bewohnerinnen und Bewohner haben sie zu ihrer Anführerin gemacht. Die 40-Jährige ist vor fünf Monaten in Baidoa angekommen, sie wirkt energetisch, läuft rastlos umher und redet viel, anders als die meisten hier, die den Hunger im Liegen ertragen. »Meine Aufgabe ist es, Hilfe zu mobilisieren«, sagt Abi, »die Leute sterben doch hier.«

Sie will endlich Hilfe mobilisieren: Camp-Anführerin Istanbul Abi

Foto: Brian Otieno / DER SPIEGEL

Regelmäßig bringt ein Lastwagen Wasser, die Bewohnerinnen und Bewohner füllen dann ihre Kanister auf

Foto: Brian Otieno / DER SPIEGEL

Doch meist reicht meist das Wasser nicht sehr lange, die Helfenden kommen kaum hinterher

Foto: Brian Otieno / DER SPIEGEL

Abi redet auch mit der Uno-Delegation, erzählt ihnen, was dringend gebraucht wird. Wasser zum Beispiel, viel zu selten kommt der Lastwagen vorbei, um die gelben Kanister der Bewohnerinnen und Bewohner aufzufüllen. Und Essen natürlich. Abi ist nur für einen kleinen Abschnitt verantwortlich, ein paar Dutzend Zelte vielleicht, doch allein in diesem Bereich kommen täglich 15 neue Menschen an.

Mindestens 600.000 Vertriebene leben mittlerweile in Baidoa, deutlich mehr als die Stadt Einwohner hat. Somalia verzeichnet eine der höchsten Urbanisierungsraten der Welt, und manche bezeichnen Baidoa als die am schnellsten wachsende Stadt Afrikas – wegen der Dürre.

Die Stadt Baidoa ist mit der Menge an Neuankömmlingen überfordert, und jeden Tag werden es mehr

Foto: Brian Otieno / DER SPIEGEL

Auch die Sicherheitslage ist nach wie vor angespannt, al-Schabab kontrolliert die Landstriche um Baidoa, die Stadt selbst ist unter staatlicher Kontrolle

Foto: Brian Otieno / DER SPIEGEL

Istanbul Abi selbst hatte gehofft, nie wieder auf der Flucht zu sein. Sie hat sechs Jahre ihres Lebens in Dadaab im Norden Kenias verbracht, einem der größten Flüchtlingslager der Welt. Doch 2017 beschloss sie, in ihre Heimat Somalia zurückzukehren, einen Neuanfang zu wagen. Sie bekam Startkapital von der Uno, machte einen Laden auf, verkaufte dort alles von Klamotten bis Lebensmitteln. Doch bald kam die islamistische Miliz al-Schabab und verlangte Steuern von ihr, bis zu tausend Euro pro Monat. »Das hat mich ruiniert«, sagt sie.

Sie versuchte mit dem Verkauf von Khat, einer Pflanze mit aufputschender Wirkung, ihr Einkommen etwas aufzubessern. Doch al-Schabab stellt den Handel mit der Droge unter strenge Strafe, und Abi wurde erwischt. »Sie haben mich ins Gefängnis gesteckt und gedroht, mich zu töten«, sagt sie. Als dann noch wegen der Dürre und der Inflation niemand mehr Geld hatte, um in ihrem Laden einzukaufen, gab sie ihren Traum auf. Sie packte zusammen und floh ein zweites Mal in ihrem Leben, diesmal nach Baidoa. Nun kümmert sie sich im Camp um die Mitbewohnerinnen und – bewohner.

Abis Geschichte zeigt, wie in Somalia gleich mehrere Krisen zusammenkommen und eine toxische Mischung erzeugen: Verursacht durch den Klimawandel sind ganze Teile des Landes unbewohnbar geworden, seit Jahren bleibt der Regen aus, nichts wächst mehr, die Tiere sterben. Gleichzeitig steigen, auch verursacht durch Coronapandemie und den Ukrainekrieg, die Preise; Nahrungsmittel werden unerschwinglich.

Und in Somalia kommt noch ein dritte giftige Zutat hinzu: Al-Schabab kontrolliert weite Teile des Landes, die Sicherheitslage ist katastrophal. Die Miliz schnürt den Zugang zu internationaler Hilfe ab, sodass vielen Menschen nicht vor Ort geholfen werden kann. All das führt zu einem beispiellosen Massenexodus aus den Dörfern in die Städte, wo die Menschen ihre letzte Hoffnung sehen. Neben der Hauptstadt Mogadischu verzeichnet Baidoa den größten Zustrom. Es ist eine Hungerkrise, aber auch eine der größten Migrationskrisen des Kontinents.

Der Bürgermeister Baidoas, Abdullahi Watiin, wirkt in diesen Tagen eher wie ein hochrangiger Diplomat. Er steht in seinem besten Anzug und mit akkurat sitzender Krawatte auf dem Rollfeld des heruntergekommenen Provinzflughafens, um den Botschafter von Katar zu begrüßen. Watiin hofft auf einen großzügig gefüllten Geldkoffer für seine Gemeinde. Am Tag zuvor hat er die Uno-Delegation empfangen und ihnen mit ernster Mine berichtet, wie die Dürre seine Stadt an den Rand des Zusammenbruchs bringt. Besserung sei nicht in Sicht, im Gegenteil, die Situation verschlechtere sich täglich. Im Oktober wird mit großer Wahrscheinlichkeit offiziell eine Hungersnot für die Gegend um Baidoa ausgerufen. In Wirklichkeit ist die längst da, aber die Regierung in Somalia ringt noch um die Wortwahl, es geht auch darum, das eigene Versagen zu schmälern.

Bürgermeister Abdullahi Watiin jagt in diesen Tagen von einem hochrangigen Meeting zum nächsten

Foto: Brian Otieno / DER SPIEGEL

Dann fährt Bürgermeister Watiin mit dem SPIEGEL in die Außenbezirke der Stadt, hier dürfen die internationalen Delegationen mit ihren Schutzwesten nicht hin, zu gefährlich. Vor einem Monat hat al-Schabab einen Minister der Lokalregierung in die Luft gesprengt, samt mehrerer seiner Kinder. »Meine Familie habe ich in Sicherheit gebracht«, erzählt Watiin. Er sitzt auf der Rückbank seines gepanzerten Geländewagens, vor und hinter ihm fahren Pick-ups, auf denen Polizisten mit schweren Maschinengewehren sitzen.

Der martialische Konvoi hält im Bayhaaw-Krankenhaus, die Ärzte und Pfleger wirken etwas überrumpelt. Dann wird der Bürgermeister durch alle Zimmer geführt, selbst auf den Gängen stehen Betten. Darauf liegen oder sitzen Mütter mit ihren ausgehungerten Kindern, der Anblick ist schwer zu ertragen. »Jeden Monat werden es mehr«, erzählt die leitende Krankenschwester, dann bleibt sie am Bett des 18 Monate alten Hussein stehen. Der Junge liegt apathisch auf seiner Matratze, er starrt ins Leere, kann kaum seine Arme heben. Hussein wiegt inzwischen fünf Kilogramm, nachdem die Ärzte ihn mit spezieller kalorienreicher Milch aufgepäppelt haben. Als er ins Krankenhaus eingeliefert wurde, brachte er gerade einmal drei Kilogramm auf die Waage, so viel wie ein neugeborenes Baby. Es war Rettung in letzter Minute.

»Er wird überleben«, sagt der behandelnde Arzt, auch wenn bleibende Schäden wahrscheinlich sind. Denn durch den Hunger kann sich das Gehirn nicht richtig entwickeln, viele betroffene Kinder sind ein Leben lang gezeichnet. Immerhin ist seit vier Tagen kein Patient mehr im Krankenhaus gestorben, das ist schon ein Erfolg. Vor einigen Wochen kam zum Hunger noch ein Masern- und Choleraausbruch hinzu, die Ärzte waren in vielen Fällen machtlos.

Hawa Abdullag ist mit ihrem Sohn Hussein schon zum zweiten Mal hier, bei der Einlieferung wog er nur drei Kilogramm

Foto: Brian Otieno / DER SPIEGEL

Husseins Mutter Hawa Abdullah ist mit den Abläufen auf Station inzwischen gut vertraut, kennt die Namen der verschiedenen therapeutischen Milchsorten, F75 und F100. Ihr Sohn ist bereits zum zweiten Mal hier. Vor drei Monaten musste er schon einmal behandelt werden, auch damals wegen akuter Unterernährung. Als die Ärzte ihn schließlich entließen, ging es Hussein wieder besser, er konnte sogar selbst laufen. Doch zu Hause wartete nur wieder der Hunger: »Es gibt keine Hoffnung in dieser Gegend, unsere Tiere sind tot«, sagt Husseins Mutter Abdullah. Aus Verzweiflung hat sie ihrem Sohn Zucker ins Wasser gerührt, doch auch das konnte eine Mahlzeit nicht ersetzen.

Mit therapeutischer Milch werden die unterernährten Kinder aufgepäppelt

Foto: Brian Otieno / DER SPIEGEL

Vor allem aus den Dörfern kommen immer mehr Kinder im Krankenhaus an, die Eltern können dort nichts mehr zu essen auftreiben

Foto: Brian Otieno / DER SPIEGEL

Zunächst werden die Kinder gewogen, dann wird über das weitere Vorgehen entschieden

Foto: Brian Otieno / DER SPIEGEL

Nun will auch Hawa Abdullah mit ihren Kindern einen Neuanfang versuchen, wenn möglich in Baidoa. Bürgermeister Watiin nickt, er kennt diese Geschichten, doch sie bereiten ihm große Sorgen: »Früher sind die Betroffenen in die Stadt gekommen, haben sich hier Hilfe abgeholt und sind dann in ihre Dörfer zurückgekehrt. Das müssen wir wieder forcieren, um Baidoa zu entlasten«, fordert der Politiker. Verschiedene Organisationen versuchen, den Menschen auf dem Land per Handyüberweisung Geld zu schicken, doch den Regen bringt das auch nicht zurück.

Dann hält der Konvoi des Bürgermeisters unvermittelt auf einer staubigen Straße, das Stadtoberhaupt springt aus seinem Auto, läuft in Richtung eines hübsch dekorierten Eingangstors. Ein Ort der Hoffnung, so scheint es. Das Tor führt zu einem einstöckigen Farmhaus, daneben ein großer Wassertank, eingerahmt von grünen Bäumen, ein starker Kontrast zum rotbraunen Staub der Umgebung. Farmer Derow Adam kommt dem Bürgermeister entgegen, Hände werden geschüttelt, dann gibt es eine Führung über den Hof. Schnell wird klar, dass der schöne Schein trügt.

Aus dem Wasserhahn kommt kein Tropfen, obwohl Adam seinen Brunnen fast 15 Meter tief gebohrt hat. Das hat auch mit den Zelten auf der anderen Seite der Straße zu tun, selbst hier vor den Toren der Stadt haben sich die Vertriebenen inzwischen niedergelassen. »Manchmal klopfen sie um Mitternacht verzweifelt an meine Tür, weil sie solchen Durst haben«, erzählt der Bauer.

Sobald Wasser da ist, öffnet er den Hahn dann für die Geflüchteten, sie kommen mittlerweile jeden Tag und füllen ihre Kanister auf. Adam ist selbst vor Jahren vom Land in die Stadt gekommen, hat auch einmal in einem der Rundzelte gehaust. Für ihn ist Teilen Ehrensache, das gilt für viele in Somalia. Ohne die gegenseitige Unterstützung wäre die Katastrophe längst viel größer, auch weil die internationale Hilfe bis vor Kurzem so zögerlich anlief.

Doch Adam muss nun immer länger warten, bis sich sein Brunnen wieder auffüllt, und immer schneller trocknet er wieder aus. Vom großen Tank aus führen mehrere Rohre in Richtung der Felder, Wasser fließt keines mehr hindurch. 1000 US-Dollar hat der Bauer vor vier Monaten in modernes Saatgut investiert, in dürreresistente Hirse, Kraut und Mais. Vor einem Monat hätte er geerntet, hätte seine Ware auf dem Markt von Baidoa verkauft, es wäre sein Beitrag im Kampf gegen den Hunger gewesen.

Landwirt Derow Adam hat Saatgut im Wert von 1000 US-Dollar verloren, es ist eingegangen – jetzt hat er Schulden

Foto: Brian Otieno / DER SPIEGEL

Doch nichts ist mehr normal hier in Zentralsomalia, die komplette Ernte ist eingegangen, aus dem Acker ragen nur verdorrte Pflänzchen. Wenn der Bauer seine Harke in die Erde schlägt, bläst heißer Wind den trockenen Staub über die Felder. Auch ohne das Camp gegenüber hätte das Wasser nicht gereicht, wieder einmal ist der Regen ausgeblieben, im dritten Jahr in Folge. »Jedes Jahr sagen wir: Diese Saison war die schlimmste. Und dann wird es im nächsten Jahr doch noch übler. Der Klimawandel zerstört unsere Existenz«, sagt Adam.

Dann fährt der Konvoi weiter, die Häuser und Zelte werden immer weniger, links und rechts nur noch staubige Steppe. Nach ein paar holprigen Kilometern taucht aus dem Nichts eine Siedlung auf, silberne Wellblechhäuser reflektieren das Sonnenlicht, der gepanzerte Wagen des Bürgermeisters biegt auf eine nagelneue breite Straße ab. Der hier entstandene Stadtteil Barwaaqo ist eines der Vorzeigeprojekte in Baidoa, 3.000 Haushalte aus den Flüchtlingscamps wurden hierher umgesiedelt, unterstützt von der Uno.

Hassan Ismail und seine achtköpfige Familie sind vor zwei Jahren hergezogen, sie haben jetzt zwei Hütten mit richtigen Betten, in einer wohnt seine Frau mit den Kindern, in der anderen hat der 30-Jährige einen Laden aufgebaut. Er hat in eine Nähmaschine investiert, in eine Autobatterie, an der die Nachbarn gegen Gebühr ihre Handys laden können. Die genähten Klamotten verkauft er als fliegender Händler in der Stadt, außerdem bekommt die Familie etwa 40 US-Dollar pro Monat von Hilfsorganisationen. »Zum Leben reicht es trotzdem nicht, der Hunger ist geblieben«, sagt Ismail. Doch es geht ihnen besser als den meisten anderen Vertriebenen.

Mit Nähmaschine und Autobatterie in eine bessere Zukunft: Hassan Ismail hat es aus dem Flüchtlingscamp herausgeschafft

Foto: Brian Otieno / DER SPIEGEL

Die knapp 20.000 Bewohnerinnen und Bewohner der neuen Siedlung haben das Land übereignet bekommen, sie können nicht mehr zwangsgeräumt werden – anders als die Hunderttausenden in den Zeltstädten, die auf privatem Land nur temporär geduldet werden.

Der Bürgermeister hofft, dass sich die Umgesiedelten in Barwaaqo irgendwann selbst versorgen können, dass die Abhängigkeit von der humanitären Hilfe endlich endet. Die Parzellen sind groß genug, um etwas anzubauen, an der breiten neuen Straße haben private Investoren eine Markthalle errichtet. »Sobald der Regen kommt, werden wir pflanzen«, sagt auch Hassan Ismail hoffnungsfroh. Hilfsorganisationen haben vor Kurzem zwei Brunnen bohren lassen, ein kleiner Hoffnungsschimmer.

Dann muss Bürgermeister Watiin weiter, das nächste Meeting mit internationalen Geldgebern wartet. Er wird wieder seinen Vortrag halten, über langfristige Lösungen, über den Kampf gegen den Klimawandel. Und über all die Leben, die nicht gerettet werden konnten.

Dieser Beitrag gehört zum Projekt Globale Gesellschaft