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Kommentar zum Verbrenner-Kompromiss: Minimaler Gewinn, maximaler Flurschaden

Protest-Aktion in Berlin: Zweifel an den E-Fuels

Protest-Aktion in Berlin: Zweifel an den E-Fuels

Foto: Paul Zinken / dpa

»Unser Vorschlag an die EU-Kommission ist das Aus für das Verbrenner-Aus.«

Dieser Satz, den Bundesverkehrsminister Volker Wissing am Freitag twitterte, sagt viel über das absurde FDP-Theater der vergangenen Wochen. Zum einen verdeutlicht er die ganze Hybris der Liberalen: Als ob eine Fünf-Prozent-Partei in einem von 27 EU-Staaten darüber entscheidet, ob der Verbrenner in Europa stirbt oder weiterlebt.

Zum anderen ist der Satz die finale Nebelkerze in einer an Nebelkerzen nicht armen Veranstaltung. Denn ob der jüngste FDP-Vorschlag, den die Kommission nun weitgehend angenommen hat, den Verbrenner wirklich retten wird, steht in den Sternen.

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Dass Wissing sich jetzt verbal auf die Brust trommelt, ist verständlich. Doch bei Lichte betrachtet hat er fast nichts erreicht. An dem geplanten EU-Gesetz, laut dem neu zugelassene Pkw und leichte Nutzfahrzeuge ab dem Jahr 2035 keine Treibhausgase mehr ausstoßen dürfen – vulgo »Verbrennerverbot« – ändert sich nichts. Nebenbei erwähnt: Das Wort »Verbrenner« kommt in den Rechtsvorschriften der Verordnung kein einziges Mal vor, »Verbot« erst recht nicht. Noch so eine Nebelkerze.

Wissing und sein Verkehrsministerium hatten zwar versucht, die Verordnung neu zu verhandeln, sind aber an den Realitäten in der EU zerschellt. Denn die EU-Kommission, die große Mehrheit der EU-Staaten und vor allem das Europaparlament waren keine Sekunde dazu bereit, den Kompromiss wieder aufzuschnüren, den sie über viele Monate ausgehandelt hatten – damals übrigens mit ausdrücklicher Billigung auch von Wissings Verkehrsministerium.

Viel versucht, wenig erreicht

Das Ansinnen des Verkehrsministeriums, neu zugelassene Verbrenner nach 2035 auch mit Benzin und Diesel weiter betreiben zu können, lief ins Leere. Im aktuellen Kompromiss sollen neue Verbrenner nach diesem Zeitpunkt ausschließlich mit synthetischen, klimaneutralen E-Fuels betankt werden dürfen. Sensoren sollen verhindern, dass diese Fahrzeuge weiter mit konventionellem Kraftstoff betrieben werden können.

Ob die E-Fuels aber jemals in ausreichender Menge und zu konkurrenzfähigen Preisen angeboten werden, darf bezweifelt werden. Darüber entscheiden vor allem die globalen Märkte, nicht die deutsche FDP.

Wissings Versuch, in Brüssel eine rechtsverbindliche Lebensversicherung für den Verbrenner zu ertrotzen, wirkte vor diesem Hintergrund beinahe tragikomisch.

In der Verordnung zu den CO2-Grenzwerten stand auf Wunsch Wissings bereits ein Passus, laut dem die EU-Kommission einen Vorschlag zur Zulassung von E-Fuel-Autos nach 2035 vorlegen werde. Allerdings handelt es sich dabei um einen sogenannten Erwägungsgrund, eine rechtlich unverbindliche Absichtserklärung.

Wissing hat nun erreicht, dass Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans öffentlich erklärt hat, dieses Versprechen »zügig« zu realisieren – und sich offenbar auf einen Zeitplan verpflichtet hat. Aber ein Zeitplan wofür?

EU-Kommissionsvizepräsident Timmermans

Foto: STEPHANIE LECOCQ / EPA

Im Gegenteil: Ein Gesetzesvorhaben zu torpedieren, dem man in monatelangen Verhandlungen bereits zugestimmt hatte, ist in der EU nahezu unerhört – und es ist brandgefährlich, dass dies nun ausgerechnet die Bundesregierung getan hat. Denn an ihrem Tun orientieren sich in Brüssel noch immer viele andere Mitgliedsländer. Wenn die Deutschen sich nicht mehr an Zusagen halten, warum sollten andere es tun?

Der Flurschaden für die EU und für Deutschlands Glaubwürdigkeit ist riesig, Wissings Gewinn dagegen ist winzig – und alles offensichtlich nur für die vage Hoffnung, dass das Verbrenner-Drama der FDP hilft, bei den kommenden Wahlen über die Fünfprozenthürde zu kommen.

Kanzler Olaf Scholz (SPD) muss sich zu Recht fragen lassen, ob es das wert war – und falls nicht, warum er dem Treiben seines kleinsten Koalitionspartners so lange zugesehen hat.