Taylor Swift sorgt mit ihrer US-Tour für Umsätze, die höher sind, als das BIP in etlichen Bundesstaaten. Allein ihre Anwesenheit bei NFL-Spielen von Travis Kelce lässt die Tickets teurer werden. Doch wie wichtig sind Superstars tatsächlich für die Volkswirtschaft?
In ihrem vielleicht bekanntesten Song „Run the world“ besingt US-Superstar Beyoncé, wie stark Frauen seien, wie unabhängig und selbstbestimmt. Frauen regieren die Welt, meint die Pop-Sängerin. Und was sie selbst angeht, hat sie damit keineswegs grob unrecht. Beyoncé, oder bürgerlich Beyoncé Giselle Knowles-Carter, bewegt mit ihren Megakonzerten derzeit ganze Volkswirtschaften. Allein ihr Tourauftakt in Stockholm sorgte dafür, dass die schwedische Inflationsrate im Mai statt um 0,4 nur um 0,2 Prozentpunkte zurückging.
Beyoncé ist nicht das einzige Beispiel dafür, wie Popstars die Ökonomenszene zuletzt beeindruckten. In den USA blicken Volkswirte vor allem auf Taylor Swift, die durch ihre US-Tour allein Konsumausgaben von geschätzt 4,6 Mrd. Dollar ausgelöst haben könnte – mehr als die Wirtschaftsleistung von 35 der 50 US-Staaten. 1300 Dollar geben Besucher im Schnitt für Tickets, Hotels und Restaurants aus – und das trotz grassierender Inflation. Jetzt steigen sogar die Ticket-Preise bei den NFL-Spielen ihres angeblichen neuen Freundes und Football-Spielers Travis Kelce. Ökonomen sprechen von den „Swiftonomics“. Einzelne Stars bewegen ganze Volkswirtschaften.
Auch in Deutschland könnte Taylor Swift bald das BIP bewegen. Im kommenden Jahr wird die US-Sängerin für sieben Konzerte in Deutschland gastieren. Und schon jetzt zeigen sich ähnliche Entwicklungen wie in den USA: hohe Hotelpreise, astronomische Ticketpreise auf dem Zweitmarkt und erste ausgebuchte Restaurants – ein Jahr im Voraus.
Effekt in Deutschland kaum messbar
Droht Deutschland also dieselbe Entwicklung wie Schweden? Steigt die Inflation, weil Taylor Swift ins Land kommt? Ökonom Felix Herrmann hat darauf eine klare Antwort: „Ganz eindeutig: nein“, sagt der Chefvolkswirt des Vermögenverwalters Aramea. Die Situation von Schweden und Deutschland ließen sich gar nicht vergleichen. „Schweden ist viel kleiner als Deutschland. Etwaige Events wie der Tourstart von Beyoncé wären in unseren Zahlen nicht messbar.“
Ohnehin werde das Thema etwas größer gemacht als es sei, meint Herrmann. Die „Swiftonomics“ seien in Wahrheit sogenannte „displacement spendings“ – eine zeitliche und regionale Häufung von Konsumausgaben. Menschen zögen also ihren Konsum zeitlich vor, wenn sie mehrere hundert Euro für Tickets, Hotel und Restaurants zahlen. Dafür gäben sie den Rest des Jahres über weniger aus. Einen Effekt auf die Inflationsrate sei daher allenfalls vorrübergehend und würde nur einen Basiseffekt erzeugen. Praktisch ausgedrückt heißt das: In Schweden dürfte die Inflation im kommenden Mai auf Jahressicht um genau den Beyoncé-Effekt von 0,2 Prozentpunkten geringer ausfallen.

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Damit strukturschwache Regionen wie das Ruhrgebiet – gleich drei Swift-Konzerte werden in Gelsenkirchen stattfinden – aber dauerhaft profitieren, müssten Investitionen vor Ort getätigt werden. Wenn Gelsenkirchener ihre Einnahmen selbst für Konsum ausgeben, was die Regel ist, dann ist nichts gewonnen. Letztlich wäre dies also nur eine regionale Häufung von Konsumausgaben – die dann an anderer Stelle fehlt. Das gelte auch für ausländische Besucher, deren Konsumausgaben immerhin die deutsche Außenhandelsbilanz beeinflussen. Dafür würden die Konsumausgaben dann in ihrer Heimat ausfallen. Letztlich sei das global betrachtet daher auch ein Nullsummenspiel.
„Diese zeitliche und regionale Umverlagerung von ökonomischen Effekten ist nichts, wo man als Ökonom drauf schaut, und sagt: Oha, hier spielt sich etwas ganz Besonderes ab“, sagt Hermman. „Das ist allenfalls ein nettes Partythema.“
Wachstum durch Investitionen, nicht durch Konsum
Worauf er und andere Ökonomen allerdings sehr wohl schauen würden, seien die Effekte rund um die Veranstaltungen. Schaffe es beispielsweise ein Standort, dauerhaft bekannte Künstler anzuziehen – oder steige zum Beispiel ein Fußballverein in die Bundesliga auf und müsse sein Stadion vergrößern, seien Investitionen notwendig. Neue Hotels siedelten sich an, Straßen und Bahnhöfe würden gebaut, Arbeitsplätze geschaffen. All das führe zu mehr Produktivität in einer Region und letztlich zu einem steigenden Wachstumspfad. „Langfristig steigert man das Wachstum also nicht durch Konsum, sondern durch Investitionen“, sagt Hermann.

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Dass die Konzerte von Beyoncé oder Taylor Swift überhaupt so signifikante Umsätze für das BIP erzielen, liegt auch an einem Effekt, den Ökonomen als „Funflation“ bezeichnen. Viele Menschen kämpfen mit steigender Inflation und Reallohnverlusten. Gleichzeitig sitzen sie auch anderthalb Jahre nach den gröbsten Corona-Beschränkungen auf Ersparnissen aus dieser Zeit. Diese wollen sie allerdings nicht für Lebensmittel oder Miete ausgeben, sondern für Dinge, die sie in dieser Zeit vermisst haben – wie zum Beispiel Konzerte oder Reisen. Auf dem Zweitmarkt kosteten Beyoncé-Tickets bis zu 30.000 Dollar, und trotzdem fanden sich Käufer. Veranstalter haben die höhere Zahlungsbereitschaft der Kunden längst registriert und die Preise deshalb erhöht. Weil die Absatzmenge aber gleichzeitig stabil bleibt, erzielen sie höhere Umsätze.
Aramea-Volkswirt Herrmann hält diesen Effekt zwar für real, allerdings auch für vorübergehend. „Die Exzesse verwachsen sich über die Zeit, bis die Überschussersparnisse aufgebraucht sind.“ Die Studienlage sei hier sehr interessant. Letztlich wechseln die Ersparnisse lange Zeit einfach die Hände, bis sie irgendwann beim reichsten Prozent der Bevölkerung landen. „Die können mit den letzten tausend Euro auch nicht mehr viel anfangen und legen das Geld zur Seite.“ Dann ende auch die Funflation.
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