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Krankheitswelle bringt Kinderarzt-Praxis in Karlstadt an ihre Grenzen: "Das ist kaum noch zu handhaben"

Als "eine Katastrophe" fasst Kinderarzt Dr. Bernd Chittka die momentane Situation in seiner Gemeinschaftspraxis in Karlstadt zusammen. "Wir haben einen riesigen Ansturm bei uns. Das ist kaum noch zu handhaben." Sowohl die Ärzte als auch ihre Angestellten hätten ihr Limit überschritten. Sie könnten gerade rund um die Uhr arbeiten. Um Abhilfe zu schaffen, verschiebe man aktuell schon "wichtige Vorsorgeuntersuchungen".

Heftige Infektionswelle in diesem Herbst, Corona spielt kaum eine Rolle

Die Krankheitswelle unter Kindern falle in diesem Herbst ungewöhnlich heftig aus. Außerdem habe sie früher als sonst begonnen. Spätestens seit November herrsche massiver Andrang. Deutlich über 100 Kinder und Jugendliche versorge man an einem Tag. Ansteckungen mit Influenza, Streptokokken und RSV seien in den Vordergrund gerückt; das Coronavirus spiele aktuell weniger eine Rolle.

Zur Ursache dieser Krankheitswelle vermutet Chittka, dass "die Kontaktbeschränkungen" der vergangenen Jahre damit zusammenhängen könnten. Der Arzt spricht von einer "Verschiebung der Immunitätslage". Daran würden aktuell aber noch Epidemiologen forschen. 

Grundschule Himmelstadt Bis zu sieben Kinder krank in jeder Klasse

Die Nachfrage bei Kindertagesstätten und Grundschulen im Landkreis Main-Spessart zeigt, dass diese unterschiedlich stark betroffen sind. "Auch bei uns schlägt die Krankheitswelle zu Buche. In jeder Klasse sind seit zwei Wochen bis zu sieben Kinder krank", berichtet die Leiterin der Grundschule Himmelstadt, Tanja Schaub-Gütling.

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Für die Lehrkräfte bedeute das einen enormen Zeit- und Verwaltungsaufwand, da sie täglich zum Beispiel an alle Kinder „Krankenpost“ mit Arbeitsblättern rausgeben müssen. Für die verbleibenden Schülerinnen und Schüler müsse das Lerntempo gesenkt werden, da sonst ein Großteil der Klasse wichtigen Stoff versäume.

An kleinen Schulen sei es "besonders bitter", wenn sich auch Lehrkräfte anstecken. Denn das bedeute häufig, dass die verbliebenen Lehrerinnen und Lehrer für mehrere Klassen zuständig sind. In der Grundschule in Gössenheim "fehlen ebenfalls ganz viele Kinder", bestätigt Rektorin Sabine Vogel am Telefon.

Vermutung: Es fehlt an der Immunisierung gegen Krankheiten

Währenddessen halte sich der Krankenstand in der Friedrich-Fleischmann-Grundschule Marktheidenfeld noch in Grenzen, so Rektorin Andrea Dürr. Immerhin seien aber zehn Prozent aller Schülerinnen und Schüler krank zu Hause – Tendenz steigend. Die meisten hätten Atemwegsinfekte. Aktuell wirke sich die Krankheitswelle noch nicht auf den Unterricht aus, sagt Dürr. "Wir hoffen, dass das möglichst lange so bleibt, jedoch können wir natürlich keine Vorhersage treffen und beobachten die Entwicklung genau."

"Wenn ich dem Kind ein Medikament gebe, ist der Zeitpunkt gekommen, wo es zu Hause bleiben sollte."

Karina Kübert, Leitung des des Kindergartens Karlburg

Für die städtischen Kindertagesstätten in Marktheidenfeld berichtet Pressesprecher Marcus Meier: "Es handelt sich um eine – aus unserer Sicht – normale Erkältungs- oder Krankheitswelle. Mal sind mehr, mal weniger Kinder betroffen." Es bestehe kein allzu großer Unterschied zu den Vorjahren. Trotzdem fehle den Kindern aktuell generell die Immunisierung gegen Krankheiten. "Wir vermuten, dass die Kinder aufgrund der Pandemie und der damit verbundenen Isolation in den letzten Jahren weniger Abwehrkräfte bilden konnten."

Kitas in Karlstadt: Kinder kriegen oft nicht genug Zeit, um sich zu regenerieren 

In den Kitas der Stadt Karlstadt wird ebenfalls eine Infektionswelle beobachtet. "Ja, es ist auffällig, dass derzeit viele Kinder erkranken. Es gab zwar auch in der Vergangenheit schon immer wieder mal wellenartige Häufungen erkrankter Kinder", sagt Pressesprecher Uli Heck. Auffällig in diesem Herbst sei jedoch, dass viele Kinder von heute auf morgen stark erkrankten.

Kitaleitungen seien keine Mediziner, so Heck. Ihre "laienhafte" Vermutung sei aber, dass in den vergangenen Jahren Infektionen vermieden wurden und die Kinder sowie deren Eltern seltener Kontakt zu Viren und Bakterien hatten. Dazu komme, dass viele Kinder keine Zeit haben, ordentlich zu regenerieren. "Eltern müssen häufig schnell wieder arbeiten gehen und bringen ihre Kinder bereits wieder in die Einrichtung, während diese noch unter deutlichen und starken Symptomen leiden."

Chefin des Kindergartens Karlburg: Kranke Kinder bitte zu Hause lassen

Die Chefin des Kindergartens Karlburg, Karina Kübert, berichtet, dass sich die Situation in ihrer Einrichtung wieder beruhigt habe. In den vergangenen Wochen sei aber von ungefähr 120 Kindern teilweise nur noch die Hälfte da gewesen.

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Sie wünscht sich von Eltern, dass sie ihren Nachwuchs nicht in die Kita bringen, wenn dieser krank ist. "Wenn ich dem Kind ein Medikament gebe, ist der Zeitpunkt gekommen, wo es zu Hause bleiben sollte." Das Mittel lasse schließlich im Laufe des Vormittags nach und dann werde es anstrengend für das erkrankte Kind. Außerdem bestehe natürlich Ansteckungsgefahr für die anderen Kinder und das Personal.

Kinderarzt empfiehlt Hartnäckigkeit und Geduld am Telefon

Keineswegs ist nur Main-Spessart von der Infektionswelle betroffen. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte meldet, dass sich die Situation in Deutschland mit jedem Tag mehr zuspitzt: Kinderkliniken würden Patientinnen und Patienten wegen Überbelegung abweisen, Praxen würden Aufnahmestopps verhängen. Aus Sicht des Verbands hat die Politik die aktuelle Lage mit verursacht, "indem sie die Pädiatrie seit Jahren aushungert".

Dr. Chittka aus Karlstadt fügt hinzu, dass es eine Bedarfsplanung für Fachärzte und Allgemeinärzte gebe, die uralt sei. Diese bilde nicht immer die Realität ab. Was er nun den Eltern empfiehlt, die dringend eine Untersuchung für ihr krankes Kind brauchen? "Hartnäckigkeit und Geduld" am Telefon, sagt der Arzt. Die Telefonleitungen seien permanent am Glühen, seine Praxis aber erreichbar.

Gleichzeitig bittet Chittka darum, "Dampf" nicht an den medizinischen Fachangestellten abzulassen; es treffe die Falschen. In lebensbedrohlichen Situationen sei der Rettungsdienst zuständig. Und ansonsten könnte man es auch beim Hausarzt versuchen. Ab dem Grundschulalter sei das kein Problem, so Chittka.