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Krieg in der Ukraine | Entscheidende Offensive? Putins perfider Plan

Ungeklärt sind außerdem andere logistische Fragen. Neben dem Munitionsnachschub geht es dabei vor allem um Ersatzteile für Reparaturen – und darum, wie sich die Panzer in der Ukraine überhaupt bewegen lassen. Denn: Die Panzer sind mit einem Gewicht von mehr als 60 Tonnen extrem schwer – womöglich zu schwer für die ukrainischen Brücken, wie t-online mehrfach aus Sicherheitskreisen erfuhr.

Neben dem Material muss sich die ukrainische Armee auch Sorgen um personellen Nachschub machen. Mittlerweile gibt es im Land die sechste Mobilisierungswelle, sogar Männer, die 60 Jahre und älter sind, werden eingezogen. Das zeigt: Auch der Ukraine gehen die Soldaten aus, was angesichts der extrem langen Frontlinie schon bald ganz neue Herausforderungen darstellen kann.

Denn schon jetzt haben russische Truppenstationierungen in Belarus dafür gesorgt, dass auch die Ukraine Truppen im Norden lassen muss, um die Flanke und Kiew im Notfall abzusichern. Da die westlichen Verbündeten keine Bodentruppen in die Ukraine schicken werden, wird ein langer Abnutzungskrieg für die Verteidiger immer schwieriger zu gewinnen.

Lösen kann die ukrainische Führung diese vielschichtigen Problem auf zwei Arten: Entweder sie erobert in einem möglichst kurzen Zeitraum ihr besetztes Staatsgebiet zurück – oder sie zieht sich auf weniger Landfläche zurück, die einfacher zu verteidigen ist.

Letzteres ist für Kiew natürlich undenkbar, denn Präsident Wolodymyr Selenskyj möchte nach den russischen Massakern in Butscha und Irpin keinesfalls einen Teil seiner Bevölkerung diesem Schicksal aussetzen.

Deshalb soll auch Bachmut nicht fallen. "Wir werden so lange kämpfen, wie wir können", sagte Selenskyj am Freitag zum Abschluss eines EU-Ukraine-Gipfels in Kiew. Bachmut sei eine "Festung". Selenskyj forderte vom Westen erneut mehr Waffen, um Russlands Angriffe abwehren zu können. "Je weitreichendere Raketen wir haben, je besser unsere Artillerie ausgerüstet ist, desto schneller endet die Aggression Russlands und um so garantierter wird der Schutz der europäischen Sicherheit und Freiheit."

Doppelstrategie der russischen Armee

Unklar ist dagegen, wie die Situation momentan auf russischer Seite aussieht. Putin scheint jedenfalls kaum Probleme damit haben, die eigenen mobilisierten Truppen zu opfern – das zeigen die aktuellen Kämpfe im Osten der Ukraine. Kiew geht davon aus, dass derzeit mehr als 420.000 russische Soldaten in der Ukraine kämpfen.

Das deckt sich mit den Schätzungen der US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW), die in einem Bericht davon ausgeht, dass die russische Armee 150.000 der mobilisierten Kräfte noch gar nicht eingesetzt habe. Andere Experten denken außerdem, dass die Mobilisierung in Russland nicht aufgehört hat und dass weiterhin verdeckt Männer eingezogen werden.

Zwar gibt es deutliche Anzeichen dafür, dass Russland Nachschubprobleme bei moderner Technologie, Halbleitern und gelenkten Raketen hat, aber konventionelle Munition müssten Putins Truppen eigentlich noch ausreichend in ihren Depots haben.

Russland scheint momentan eine Doppelstrategie zu fahren: Einerseits könnte nun eine weitere Offensive beginnen, um den Rest der völkerrechtswidrig annektierten ukrainischen Gebiete zu erobern. Andererseits haben russische Truppen Verteidigungslinien angelegt, um zu verhindern, dass die Ukraine wie im Spätsommer schnelle Geländegewinne erzielen kann.

Aber ist die russische Armee in der Lage, eine weitere Offensive zu fahren, oder hat diese bereits begonnen? Diese Frage ist schwer zu beantworten. Einerseits möchte Putin wahrscheinlich wieder in die Offensive kommen, bevor die westlichen Schützen- und Kampfpanzer auf den Gefechtsfeldern erscheinen. Anderseits sieht er sich mittelfristig im Vorteil, weil er glaubt, über mehr Soldaten und Material zu verfügen.

Kaum Erfolge für Russland: Blufft Putin?

Für eine geplante russische Offensive spricht, dass laut ukrainischen Angaben russische Kriegsschiffe im Schwarzen Meer Stellung beziehen. Außerdem haben die russischen Behörden im besetzten ukrainischen Oblast Luhansk den Internet-Mobilfunkdienst blockiert, wahrscheinlich um eigene Truppenbewegungen zu kaschieren, meinen Experten. Denn immer wieder melden ukrainische Partisanen russische Stellungen und Konvois.

Defensiv hat der Kreml aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Auf den von Russland besetzten Gebieten – auch auf der Krim – geht die russische Armee gegen ukrainische Spione vor. Außerdem legt die russische Armee ihre Munitionsdepots nun weiter weg von der Front an, um ukrainischen Angriffe mit dem US-System Himars zu entgehen. Deswegen bittet Kiew nun auch um Raketen mit größerer Reichweite.

Letztlich jedoch kann niemand ernsthaft sagen, wie gut die russischen Truppen aktuell in der Ukraine aufgestellt sind. Die Drohungen mit einem Großangriff könnten ein erneuter Bluff sein. Offen ist damit auch die Antwort auf die Frage, ob die westlichen Panzer zu spät ankommen, oder ob sie noch gerade rechtzeitig eintreffen.

Fest steht, da sind sich Militärexperten einig: Die ukrainische Armee braucht eigentlich eine eigene Angriffswelle, um einen langfristigen starren Stellungskrieg zu vermeiden. Russland nutzt dagegen die Zeit, um immer weitere Verteidigungslinien anlegen zu können. Trotz der westlichen Waffenlieferungen läuft die Zeit also gegen die Ukraine – und für Wladimir Putin.

Putin setzt darauf, dass Russland die Ukraine mit noch mehr Soldaten bezwingen kann. Geht sein Kriegsplan auf – oder kommen die Leopard-Panzer gerade noch rechtzeitig?

Es ist die Hölle auf Erden: Die ukrainische Stadt Bachmut gehörte in den vergangenen Monaten zu den am stärksten umkämpften Orten in der Ukraine. Viele Häuser sind zerstört, ganze Straßenzüge zerbombt, die meisten Bewohner haben die Stadt längst verlassen.

An vielen Straßen haben die ukrainischen Verteidiger Schützengräben ausgehoben und Verteidigungslinien errichtet. Die Stadt ist mittlerweile eine Festung, die die Ukraine erfolgreich verteidigen kann. Noch.

Denn Russland schickt sich erneut an, die Stadt in den kommenden Wochen einzunehmen. Spätestens mit Beginn der erwarteten Frühjahrsoffensive dürfte sich Putins perfider Plan zeigen: Er will die ukrainischen Verteidiger überrennen, sie durch die schiere Größe der Armee ersticken, solange die Ukraine ihm noch kein schweres Kampfgerät entgegensetzen kann.

Hat der Westen, hat auch Deutschlands Kanzler Olaf Scholz (SPD) also zu spät reagiert, die Lieferung von Panzern zu lange hinausgezögert?

Schon jetzt ist der Blutzoll auf beiden Seiten hoch, Bachmut gilt schon lange als Fleischwolf in diesem Krieg. Militärexperten berichten von Kämpfen wie im Ersten Weltkrieg. Die Ukrainer harren in Schützengräben aus, Anfang Januar bei bis zu minus zwölf Grad, in einer Mischung aus Matsch und Schnee.

Die russische Armee schickt immer wieder neue Angriffswellen von Soldaten dagegen, die in das Sperrfreuer der Ukrainer rennen, und nahm die ukrainischen Stellungen mit Artillerie unter Feuer. Bachmut ist längst zu einem schrecklichen Symbol für das Grauen des russischen Angriffskrieges geworden.

Hat der Westen zu lange gezögert?

Doch die kommenden Wochen dürften noch schlimmer werden – und zwar auch deshalb, weil die Ukraine Putin nicht viel entgegensetzen kann. Zwar sollen die Kampfpanzer westlicher Bauart nun geliefert werden. Allerdings ergeben sich daraus für die Ukraine gleich mehrere mögliche Probleme:

Hoffnung macht lediglich, dass die vorher kalkulierten Liefertermine vom Westen oft unterboten wurden. Möglich ist also, dass die Panzer doch früher ankommen. Genaue Termine sind nicht bekannt, nicht zuletzt, weil das westliche Bündnis Moskau keinen taktischen Vorteil verschaffen will. Doch selbst dann gilt: Die ukrainischen Soldaten müssten erst einmal an den Waffensystemen ausgebildet werden – was abermals wertvolle Zeit kostet.

Es braucht dringend Munition

Damit allein jedoch enden die Probleme für die Ukraine nicht. Denn neben den viel diskutierten Panzern selbst braucht das Land in seinem Verteidigungskampf vor allem eines: Munition.

Was bringt es der ukrainischen Armee, wenn sie die modernsten Waffensysteme im Land hat, aber gleichzeitig auf nichts schießen kann? Deutlich wird das schon jetzt beim Flugabwehrpanzer Gepard. Die Versuche der Bundesregierung, etwa in Brasilien und in der Schweiz um Munition zu werben, blieben ohne Erfolg.