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Lausitzer Trinkwasserskandal: "Das Dementi der LEAG ist voller Fehler"

Für den Braunkohleabbau in der Lausitz pumpt die LEAG viel Grundwasser ab. Zugleich flutet der Kohlekonzern derzeit den früheren Tagebau Cottbus-Nord wieder mit Grund- und Spreewasser, um ihn in einen riesigen See zu verwandeln. Bei diesen Prozessen werden Sulfate freigesetzt, die im Spreewasser landen - und unter anderem in Frankfurt (Oder) das Trinkwasser belasten. Doch darüber darf die Stadt nicht mehr sprechen: Das Recherchezentrum Correctiv berichtet, dass Frankfurt (Oder) sowie die städtische Wassergesellschaft FWA von der LEAG ein Schweigegeld erhalten haben. Der Konzern habe fünf Millionen Euro für die Aufrüstung eines Wasserwerks geboten, um das Wasser trinkbar zu machen, erzählt Correctiv-Reporterin Annika Joeres im "Klima-Labor" von ntv.de. "Man hat sich auf die einfachste Variante geeinigt: Das Spreewasser wird verdünnt. Das ist die Lösung."

ntv.de: Frankfurt (Oder) darf sagen, dass das Trinkwasser der Stadt verschmutzt ist, aber nicht, warum. Haben wir die Lage korrekt zusammengefasst?

Annika Joeres: Es gibt eine Vereinbarung zwischen der Stadt, ihrem Wasserversorger FWA und der LEAG, dem Bergbaukonzern. Darin steht, dass die Stadt und ihr Versorger künftig nicht einmal den Anschein erwecken dürfen, die LEAG könnte das Trinkwasserangebot gefährden oder mindern. Das ist eine Schweigevereinbarung, die ein sehr wichtiges Thema betrifft. Die Qualität von Trinkwasser geht alle Bürgerinnen und Bürger etwas an.

Die Stadt Frankfurt (Oder) und die LEAG weisen die Behauptung allerdings zurück: Der Vorwurf sei abstrus, sachfremd und widersinnig, heißt es beim RBB. Es gebe keine Schweigegeldvereinbarung, sondern lediglich eine "Loyalitätsverpflichtung". Das Unternehmen erklärt in einer Pressemitteilung, es gebe weder "Zahlungen von Schweigegeld noch eine unzulässige Belastung des Wasserhaushaltes durch die LEAG".

Wir haben mit heftigen Reaktionen gerechnet, denn natürlich ist das ein harscher Vorwurf, aber dass sie so viele falsche Informationen verbreiten, kommt überraschend. Denn wir haben es schwarz auf weiß vor uns liegen. Es steht so drin, wie wir es zitiert haben, wird aber von der Stadt umgemünzt: Sie spricht von Loyalität. Ist es loyal, wenn eine Stadt, die den Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet ist, einem Konzern ihr Schweigen zu einem Gesundheitsproblem zusichert? Das finde ich fragwürdig.

Und was die LEAG treibt, ist aberwitzig, denn auf unsere Anfragen hat sie monatelang gar nicht geantwortet. Aber kaum ist der Artikel veröffentlicht, gibt es ein Dementi voller faktischer Fehler. Denn vom Umweltbundesamt sowie dem Landesbergbauamt (LBGR) ist bewiesen, dass Bergbau sehr wohl zu höheren Sulfatwerten im Trinkwasser führen kann. In dieser Pressemitteilung steht auch, dass es angeblich keinen Grenzwert gibt. Das ist falsch. Es gibt laut Trinkwasserverordnung einen Grenzwert und der wurde in Frankfurt (Oder) bereits erreicht.

Der Begriff "Schweigegeld" überstrahlt diesen Streit, aber der eigentliche Skandal ist doch, dass das Trinkwasser in der Lausitz nicht mehr so ist, wie es sein sollte: sauber und trinkbar. Wie ist es denn dazu gekommen?

Richtig, die Flutung des Cottbusser Ostsees durch die LEAG hätten nicht genehmigt werden dürfen. Es waren fatale Auswirkungen auf das Trinkwasser absehbar, denn die Sulfate werden fast überall im Boden ausgespült. In der Lausitz werden wie im rheinischen Braunkohlegebiet hektarweise Erdschichten mit riesigen Schaufelbaggern abgebaut und große Mengen Grundwasser abgepumpt, um an die Kohle zu kommen. Jetzt wird der frühere Tagebau Cottbus-Nord wieder mit Wasser geflutet, auch dabei werden Sulfate ausgespült. Die finden sich jetzt im Spreewasser wieder und belasten die Trinkwasserversorgung. Wir zitieren in unserem Artikel eine Generalanwältin der EU, die in einem Gutachten sagt: Diese Genehmigung hätte nie erteilt werden dürfen, denn es gibt EU-weite Vorgaben, wonach industrielle Projekte die Trinkwasserqualität nicht mindern dürfen. Das hat das Brandenburger Landesbergbauamt aber in Kauf genommen, das ist der eigentliche Schuldige. Die Wasserwerke müssen damit irgendwie zurechtkommen und Auskunft zur Trinkwasserqualität geben, ohne zu benennen, warum die nicht so toll ist.

Ist Cottbus auch betroffen?

Wir haben mit sehr vielen Menschen vor Ort gesprochen und können sicher sagen, dass Frankfurt nicht die einzige Stadt mit problematischen Sulfatwerten ist. Das Vorgehen hat offenbar System, aber wir können nicht beweisen, welche anderen Städte betroffen sind, weil uns die Schriftstücke fehlen. Bei so schweren Vorwürfen wollten wir uns nicht auf einzelne Aussagen verlassen, aber eigentlich ist die gesamte Region gepeinigt von diesem Bergbau.

Wie viele Kommunen oder Gemeinden in der Lausitz sind es denn insgesamt?

Wir gehen von acht bis zehn Schweigevereinbarungen im östlichen Raum an den großen Kohlegruben aus, aber wie erwähnt: Das können wir nicht belegen, man kann sich aber ausmalen, wer betroffen ist. Wer etwas dazu weiß, bitte melden. Dann können wir die Berichterstattung vielleicht ausdehnen, denn das sind mafiöse Strukturen zwischen Gutachtern, die Bergbaugenehmigungen ermöglichen, Politikern, Bergbauleuten und den Bürgermeistern. Die EU-Gutachterin hat sogar festgestellt, dass die Sulfatwerte nicht an den richtigen Stellen genommen wurden. Sie bemängelt das Gutachterwesen.

Wann wurden diese Genehmigungen erteilt?

Das war 2019. Die Stadt Frankfurt (Oder) hatte sich ursprünglich dagegen gewehrt und die Entscheidung später auch vor Gericht angegriffen. Sie hätte die Klage aller Voraussicht nach auch gewonnen, aber es dauerte der Stadt zu lange und sie wurde - so haben wir es mehrfach gehört - unter Druck gesetzt, diesen Deal anzunehmen. Denn wenn die Stadt gewonnen hätte, wäre der gesamte Bergbau in der Region in Gefahr gewesen. Das wäre gut für Klima und Trinkwasser, aber natürlich ein ziemlicher Hammer gewesen, wenn plötzlich gesagt worden wäre: Die Genehmigung für die LEAG ist illegal erteilt worden.

Weil dieses Unternehmen mit seinen Arbeitsplätzen wichtig für die Lausitz ist?

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So viele sind es gar nicht mehr, aber das ist eine Traditionsfirma - so ähnlich wie RWE im Rheinland und Ruhrgebiet. Das hätte politische Folgen gehabt, denn das Landesbergbauamt hat den Bergbau zugelassen, obwohl er mit der EU-Wasserrichtlinie nicht im Einklang stand. Insofern hat dieser Deal ein richtiges Urteil verhindert. Und eine Niederlage des Bergbauamts hätte am Ende natürlich die LEAG getroffen. Stattdessen hat sie fünf Millionen Euro für die Aufrüstung eines Wasserwerks geboten und im Gegenzug eine Schweigeklausel in die außergerichtliche Einigung reingeschrieben.

Aufrüsten bedeutet, dass die Sulfate im Grundwasser jetzt herausgefiltert werden?

Das wäre schön, aber sehr aufwendig. Deswegen hat man sich auf die einfachste Variante geeinigt: Das Spreewasser wird mit Grundwasser verdünnt. Das ist die Lösung. Das ist gutes Trinkwasser, das kann man sagen. Es entspricht der Norm. Der Deal hat auch verhindert, dass die Gebühren gestiegen sind. Die Kosten mussten nicht von den Bürgerinnen und Bürgern getragen werden, auch das ist ein Argument der Stadt: Wir hätten den Prozess wahrscheinlich gewonnen, aber das hätte lange gedauert und wir hätten aus eigener Tasche kein Geld für eine Lösung gehabt. Daher gab es einen Hinterzimmerdeal statt einer politischen Debatte.

Das gehört doch aber zu den Kernaufgaben von Wasserbetrieben: Die Bevölkerung informieren, wie es mit der Trinkwasserversorgung aussieht?

Einst ein Tagebau, bald ein riesiger See: Der Cottbusser Ostsee läuft langsam voll.
Einst ein Tagebau, bald ein riesiger See: Der Cottbusser Ostsee läuft langsam voll.

Einst ein Tagebau, bald ein riesiger See: Der Cottbusser Ostsee läuft langsam voll.

(Foto: picture alliance / Andreas Franke)

Absolut. Sie müssen weiterhin über bestimmte Belastungen informieren, dürfen aber nicht mehr sagen, warum bestimmte Sulfatwerte steigen oder einen Zusammenhang zwischen Kohleabbau und der Qualität ziehen. Das ist tragisch, denn das Problem wird durch die vollständige Flutung der Tagebaugrube Cottbus-Nord größer werden. Dieser Cottbusser Ostsee ist ein gigantisches Projekt, er soll der größte künstliche See Deutschlands werden. Noch ist aber sehr wenig Wasser drin. Die Flutung dauert Jahre.

Und je voller der Ostsee wird, desto problematischer wird die Trinkwasserversorgung von Brandenburg, aber auch Berlin?

Die Belastung wird in den kommenden Jahren steigen, denn bei der Flutung werden wieder neue Sulfate ausgespült. Und es ist wissenschaftlicher Konsens, dass das durch die Spreeverbindung auch zu einer Belastung in Berlin führen wird. Man könnte den Tagebau theoretisch auch mit Abraum oder Erde auffüllen, aber das kostet unendlich viel mehr als einfach das Grundwasser steigen zu lassen. Die Flutung ist für die LEAG die günstige Lösung, führt aber zu großen Trinkwasserproblemen.

In einer Region, in der es ohnehin Schwierigkeiten bei der Wasserversorgung gibt

Ja, Brandenburg trocknet aus und gerade dieser Landstrich leidet unter Dürren und sinkenden Grundwasserpegeln. Das sind arme Städte, die mit Geldmangel, Tagebau und Grundwasser allein gelassen und in solche Deals getrieben werden.

Mit Annika Joeres sprachen Clara Pfeffer und Christian Herrmann. Das Gespräch wurde zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet.

Klima-Labor von ntv

Was hilft gegen den Klimawandel? "Klima-Labor "ist der ntv Podcast, in dem Clara Pfeffer und Christian Herrmann Ideen und Behauptungen prüfen, die toll klingen, es aber selten sind. Klimaneutrale Unternehmen? Gelogen. Klimakiller Kuh? Irreführend. Kunstfleisch? Das Grauen 4.0. Aufforsten im Süden? Verschärft Probleme. CO2-Preise für Verbraucher? Unausweichlich. LNG? Teuer.

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