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Markus Lanz: Erfan Ramizipours Geschichte löst bei Sigmar Gabriel Demut aus

Was die Ampelregierung noch zusammenhält? Der Mangel an Alternativen, befindet Sigmar Gabriel. Ein Iraner berichtet indes, wie seine Regierung mit Oppositionellen umgeht.

Der ehemalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel nahm bei "Markus Lanz" die Ampelkoalition vor übertriebener Kritik in Schutz. Angesichts der vielen zeitgleichen Krisen habe wohl noch keine andere Bundesregierung von Anfang an so viel zu bewältigen gehabt, sagte er am Mittwochabend im ZDF. Allerdings zeigte auch Gabriel sich unzufrieden mit der Art, wie Konflikte in der Koalition geregelt würden. Es dauere zu lange und stehe in keinem Verhältnis zu dem, was in der Welt los sei.

Ein eindrückliches Beispiel für die großen Krisen, auf die der Ex-Vizekanzler damit anspielte, lieferte in der Sendung der iranische Oppositionelle Erfan Ramizipour. Der junge Mann berichtete, wie ihm Milizen bei einer friedlichen Demonstration gezielt ins Gesicht schossen.

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An ein vorzeitiges Ende der Ampel-Regierung aufgrund der gegenwärtigen Krisenstimmung wollte Gabriel bei seinem Auftritt schon gar nicht glauben. "Wer ein bisschen was von Koalitionsdynamiken weiß, der weiß: Natürlich hält das bis zum Ende", zeigte er sich überzeugt. Die Alternative sei, dass es zu einer großen Koalition, also einem Bündnis aus der SPD und den Unionsparteien, komme. Das Risiko, den Weg in die Opposition antreten zu müssen, würden FDP und Grüne aber sicher scheuen. "Und deswegen halten die auch zusammen und werden auch noch ein paar Dinge beschließen, da habe ich keine Sorge", resümierte das ehemalige Regierungsmitglied.

Regierung zerfleischt sich laut ZDF-Reporter selbst

Dieses eher beschwichtigende Urteil stieß in der Talkrunde allerdings auf Widerspruch. "Man braucht ja eigentlich gar keine Opposition mehr, weil die Regierung dabei ist, sich selbst zu zerfleischen", kritisierte etwa der ZDF-Reporter Kamran Safiarian. Eine Mehrheit der Bevölkerung sei inzwischen nicht zufrieden mit der Arbeit der Bundesregierung. Als Konsequenz daraus forderte Safiarian: "Der Kanzler müsste mal ein Machtwort sprechen und sagen, wo es langgeht."

Ein Appell, dem sich die Journalistin Kristina Dunz anschloss. Die Regierungsparteien hätten laut Umfragen alle stark an Zustimmung eingebüßt und aktuell zusammen keine Mehrheit. "Wir sehen, wer davon profitiert: Es ist die AfD", führte die Politikexpertin des "RedaktionsNetzwerk Deutschland" weiter aus. Dafür, dass die Sozialdemokraten im Koalitionsstreit rund um die Wärmewende eher zur FDP tendierten, hatte Dunz ebenfalls eine Erklärung. "Ich glaube, das machen sie deshalb, weil sie die Prügel, die der Grünen-Politiker Habeck und seine Partei gerade beziehen, ganz gerne da lassen wollen und nicht selbst abkriegen wollen", vermutete die Journalistin.

Gabriel prognostiziert Wahl zwischen zwei Koalitionen

Ob und wie sich die Politik zusammenraufe, habe tatsächlich Auswirkungen auf das Wahlverhalten, gestand Gabriel ein. Dass von dem Ärger innerhalb der Ampelregierung eher die AfD als die Union profitiere, könnte nach Ansicht des ehemaligen Wirtschafts- und Außenministers die Koalitionsverhandlungen nach der nächsten Bundestagswahl beeinflussen. Dadurch blieben nur wenige Optionen übrig, erläuterte er. Der Ex-Vizekanzler ließ sich von seinen eigenen Ausführungen sogar zu einer Vorhersage hinreißen. "Es wird wieder so sein, ich prognostiziere das mal, dass das Wahlergebnis arithmetisch am Ende zwei Möglichkeiten bietet: Diese Koalition und eine große Koalition", führte er aus.

Gabriels Worten war zu entnehmen, dass er in diesem Fall fest mit einer Fortsetzung der Ampelkoalition rechnet. Eine Option, die in seinem Szenario keine Rolle spielte, war eine sogenannte Jamaikakoalition aus CDU/CSU, Grünen und FDP. Immerhin führen die Unionsparteien aktuell alle Meinungsumfragen deutlich an und würden bei einem entsprechenden Wahlergebnis sicher einen Regierungsauftrag daraus ableiten.

Trotz seiner Vorhersage beschrieb Gabriel das Ampelbündnis als "komplizierte Koalition aus drei Parteien, die eigentlich miteinander nichts zu tun haben wollen". Erschwerend käme die sogenannte Zeitenwende hinzu. "Zeitenwende ist, wenn Politiker das Gegenteil von dem machen müssen, was sie wollen. Die SPD muss Waffen kaufen, die Grünen suchen auf der Welt überall nach fossilen Brennstoffen und die FDP muss jeden Tag höhere Staatsdefizite unterschreiben." Dafür, dass die beteiligten Parteien das alles gar nicht wollten, machten sie es eigentlich ganz gut, fasste der Ex-Vizekanzler wohlwollend zusammen.

Iranischer Oppositioneller berichtet von Gewalt gegen Demonstranten

Wie es aussieht, wenn eine Regierung mit Gewalt versucht, die Kontrolle über die Bevölkerung zu behalten, schilderte Erfan Ramizipour. Als er in der südiranischen Hafenstadt Bandar Abbas an einer Demonstration gegen das autoritäre Mullah-Regime teilnahm, schossen die Milizen ihm in die Augen. Dabei handele es sich um eine besonders grausame Methode, Demonstranten ein Leben lang als Regimegegner zu brandmarken, erklärte "heute journal"-Redakteur Safiarian.

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Ramizipour überlebte den Angriff schwer verletzt und konnte nach Europa entkommen. Was der Geflüchtete von seinen Schmerzen, aber auch von der Solidarität mit den Demonstranten innerhalb der iranischen Gesellschaft berichtete, half dem Talk dabei, sich von den kleinlichen Koalitionsstreitigkeiten zu lösen. Oder um es mit Gabriels Worten zu sagen: "Gemessen an dem, was gerade so los ist in der Welt, ist das echt ein Nebenkriegsschauplatz."