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„Mir wurde der Besuch der Meisterfeier vom Klub untersagt“

Die Übergabe der Meisterschale hatte etwas Pikantes. Denn der verletzte Bayern-Kapitän Manuel Neuer hatte die Schale um 17.41 Uhr von seinem neuen Chef im Empfang genommen – wenn auch nur die Kopie. Nach dem elften Titel in Folge bekam die Münchener Mannschaft sie ausgerechnet von Jan-Christian Dreesen ausgehändigt. Der wurde in seiner Funktion als DFL-Funktionär tätig – und war da noch Finanzvorstand und stellvertretender Vorstandsvorsitzender des FC Bayern.

Um 18.25 aber wurde offiziell, was im Verlauf des 2:1 der Münchener beim FC Bayern schon die „Bild“ berichtete: Dreesen wird neuer Klubchef des FC Bayern. Die Münchener vermeldeten, „dass Oliver Kahn ist nicht mehr Vorstandsvorsitzender der FC Bayern München AG ist. Auch die Position von Sportvorstand Hasan Salihamidzic wird neu besetzt. Dies hat der Aufsichtsrat des deutschen Rekordmeisters beschlossen. Für Kahn übernimmt der bisherige stellvertretende Vorstandsvorsitzende Jan-Christian Dreesen. Die Nachfolge von Hasan Salihamidzic wird noch geregelt“.

Ursprünglich waren Zukunfts-Entscheidungen erst auf der auf den kommenden Dienstag verschobenen Aufsichtsratssitzung erwartet worden. Es hat nun aber schon zuvor eine außerordentliche Sitzung des Gremiums um Ehrenpräsident Uli Hoeneß gegeben. Kahn fehlte am Samstag bereits im Kölner Stadion, eine Grippe wurde aus Vereinskreisen als Grund genannt.

„Ich freue mich auf die nächste Saison“, twitterte Kahn

Doch um 18.23 Uhr twitterte Kahn – und ließ da schon tief blicken. Erst schwelgte er: „Unglaublich! Ein ganz großes Kompliment und Gratulation Jungs! Ich hab‘s euch immer gesagt! Immer bis zum Schluss alles geben und niemals aufgeben. Ich bin unheimlich stolz auf euch und diese Leistung!“

Dann schrieb er. „Ich würde gerne mit euch mitfeiern, aber leider kann ich heute nicht bei euch sein, weil es mir untersagt wurde. Ich freue mich auf die nächste Saison. Da werden wir nicht nur zum 12. mal deutscher Meister werden! Lasst euch feiern!“

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Doch dazu wird es nun nicht mehr kommen. Denn die Reise zum Saisonfinale nach Köln hatte ihm nicht sein Arzt untersagt, sondern sein bisheriger Arbeitgeber. So schilderte es Kahn im Gespräch mit der „Bild“ gegen 18.45 Uhr. „Mir wurde die Reise zum Spiel nach Köln und der Besuch der Meisterfeier vom Klub untersagt“, offenbarte Kahn.

Der FC Bayern hat eine sehr unruhige Saison hinter sich, in der mit dem teuersten Kader sportliche Erfolge ausblieben. Zeitpunkt, Abwicklung und Kommunikation des vor zwei Monaten vollzogenen Trainerwechsels von Julian Nagelsmann zu Thomas Tuchel sorgten intern und extern für Debatten. Kahn und Salihamidzic gaben kein gutes Bild ab. Tuchel hatte erst am Freitag angemahnt, dass das Vereinsgelände an der Säbener Straße in München wieder zu einem „Ruhepol“ für die Mannschaft werden müsse.

Der ehemalige Nationaltorhüter und Bayern-Kapitän Kahn war Anfang 2020 zum FC Bayern zurückgekehrt. Er wurde Vorstandsmitglied mit einem Fünfjahresvertrag. Vor zwei Jahren löste er den langjährigen Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge ab. Salihamidzic war auch ein erfolgreicher Bayern-Profi. 2017 wurde er überraschend Sportdirektor, drei Jahre später wurde er zum Sportvorstand befördert.

Tuchel konsterniert. Macht er weiter?

„Wir sind aufgrund der Gesamtentwicklung zu dem Entschluss gekommen, eine Neubesetzung an der Spitze des Vorstands vorzunehmen. Wir möchten Oliver Kahn für sein Engagement, seine Ideen und für alles danken, was wir gemeinsam erreicht haben. Er wird immer eine große Persönlichkeit des FC Bayern bleiben. Wir wünschen ihm für seinen weiteren Weg alles Gute“, teilte Vereinspräsident und Aufsichtsratschef Herbert Hainer mit. Der hatte sich kurz nach dem Schlusspfiff auf dem Platz vor den TV-Kameras ein Wortgefecht mit Sportvorstand Salihamidzic geliefert.

Salihamidzic und Hainer kurz nach Spielende der Partie des FC Bayern beim 1. FC Köln

Salihamidzic und Hainer kurz nach Spielende

Quelle: Sky

Trainer Thomas Tuchel berichtete dann kurz vor 19.00 Uhr, wie er vom Beben in der Führung hatte. Demnach hatte er es am Tag vor dem Köln-Duell erfahren, die Mannschaft erfuhr es kurz nach dem Spiel beim FC in der Kabine. „Ich weiß nicht“, sagte der konsternierte Tuchel, „der Hasan hat mich vor acht Wochen angerufen, überredet und überzeugt, dass wir das zusammen machen. Ich habe auch meine Co-Trainer überredet und überzeugt. Da ziehen Familien um. Die (Salihamidzic und Kahn, Anm. d. Redaktion) waren maßgeblich dafür verantwortlich, dass wir auf die Reise gehen und sie es uns zugetraut haben. Deshalb muss ich das jetzt auch erst verarbeiten. Statt jetzt zu feiern haben wir nun das nächste politische Thema.“

Dabei hätte es nach diesem Drama so ein rauschendes Fest geben können. Zum ersten Mal seit 23 Jahren entschied die Tordifferenz über den Meistertitel: 1999/00 holten die Bayern den Titel vor den punktgleichen Leverkusenern. Und erstmals seit 1999/2000 gab es auch einen Führungswechsel am letzten Spieltag. Ob er seinen Weg denn fortsetze, wurde Tuchel von Sky-Moderator Sebastian Hellmann gefragt. Da gehe er „jetzt mal von aus“, antwortete Tuchel. Richtig überzeugend klang das nicht.

„Das ist an Respektlosigkeit nicht zu überbieten“

Bei der anschließenden Pressekonferenz war es nicht anders. Es sein nun zwar „nicht der Moment, um wegzufahren“, sagte er: „Nach den Entscheidungen von gestern muss ich da sein, muss Verantwortung übernehmen, muss meine Meinung sagen und muss darüber nachdenken, weil ich natürlich Verantwortung für die sportliche Weiterentwicklung der Mannschaft habe. Mehr kann ich nicht dazu sagen, weil ich nicht weiß, wie es genau inhaltlich weitergeht. Aber klar ist, dass ich erst mal dableibe.“

Die Art und Weise und die mitten im Spiel durchgesickerte Meldung von der Ablösung der beiden werfen natürlich kein gutes Bild auf die Strippenzieher im Hintergrund des FC Bayern. Deren ehemaliger Spieler Dietmar Hamann zeigte sich jedenfalls entsetzt. Im Studio von Sky monierte er: „Ich muss ich mich fragen, welche Leute da in der Verantwortung sind. Das haben ein Hasan Salihamidzic und ein Oliver Kahn nicht verdient. Du kannst über die Arbeit der beiden denken, was du willst, aber das sind zwei so verdiente Spieler und auch Funktionäre. Das nach dem Gewinn der Meisterschaft eine Minute oder fünf Minuten später durchzustecken, das ist unwürdig. Und wenn die Bayern denken, dass wenn ein Kahn weg ist und ein Salihamidzic, dass das besser wird, dann werden sie sich mal anschauen. Denn das, was sie heute gemacht haben, das ist an Respektlosigkeit nicht zu überbieten.“

Einmal in Rage war er kaum noch zu bremsen: „Es gab wohl eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung, wo das beschlossen wurde. Und da muss ich sagen, da habe ich überhaupt kein Verständnis dafür. Egal, wer jetzt übernimmt, da müssen die Bayern wirklich aufpassen. Weil das was sie jetzt machen, das ist dem FC Bayern unwürdig. Ich glaube, dass sie aufpassen müssen, dass sie sich nicht auseinanderdividieren lassen oder auseinanderfallen, weil das, was sie heute gemacht haben mit dieser Mitteilung, ist eine Frechheit.“

Vereinspräsident Hainer verteidigte dagegen die Dramaturgie weit nach Schlusspfiff. „Es war uns unheimlich wichtig, das erst nach dem Spiel bekannt zu geben, weil wir immer gesagt haben, wir wollen uns zu hundert Prozent auf den Sport konzentrieren. Wie man sieht, hat das auch geklappt. Wir haben es jetzt der Mannschaft gesagt“, berichtete er.