Es sollte ein „Megastreik“ werden, der den ganzen Verkehrssektor einen Tag lang lahmlegt, doch am Ende hielten sich die Folgen des Ausstands von Ver.di und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) in Grenzen. Die meisten Reisenden hatten sich offensichtlich rechtzeitig darauf eingestellt, dass der Bahnverkehr eingestellt wurde und auch an vielen Flughäfen kein Weiterkommen war. Verkehrschaos auf den Straßen blieb jedenfalls weitgehend aus, viele entschieden sich am Montag wohl einfach für einen Tag im Homeoffice.
Doch in den Ostertagen könnte das ganz anders aussehen, wenn viele in den Urlaub aufbrechen wollen. Deshalb stellt sich die Frage: Ist nach dem Streik vor dem Streik?
Zuletzt hatte die EVG bewusst offengelassen, ob sie über Ostern zu einem weiteren Ausstand aufrufen könnte. „Wir wollen keine weitere Eskalation, aber wir brauchen ein verbessertes Angebot“, hatte EVG-Chef Martin Burkert noch am Freitag gesagt. „Weitere Streiks über Ostern kann und will ich nicht vollständig ausschließen, aber wir haben immer gezeigt, dass wir verantwortungsbewusst mit dem Mittel des Streiks umgehen.“
Zumindest für die kommenden Wochen gab sein Stellvertreter jedoch am Montag Entwarnung: „Das können wir klar mit einem Nein beantworten“, sagte EVG-Tarifvorstand Kristian Loroch auf die Frage, ob es vor oder während Ostern zu Warnstreiks kommen wird. Man wolle nicht die Reisenden bestreiken, sondern die Arbeitgeber.
Es wäre ohnehin eine außergewöhnliche Eskalation eines schon ohnehin extrem scharf geführten Tarifkonflikts gewesen. Denn ein Streik über Ostern hätte bedeutet, dass die Gewerkschaft die nächste Verhandlungsrunde mit der Deutschen Bahn gar nicht erst abwartet, bevor sie ein zweites Mal in den Ausstand tritt. Denn der nächste Verhandlungstermin zwischen der EVG und der Deutschen Bahn ist erst in vier Wochen am 25. April geplant.
Die Wirkung des Warnstreiks am Montag dürfte bis dahin längst verpufft sein – zumal die Folgen überschaubar blieben. Dass sich die EVG überhaupt zu einem so frühen Streik entschied, hatte vor allem mit dem Terminkalender der deutlich größeren Gewerkschaft Ver.di zu tun, die parallel für den öffentlichen Dienst um Lohnerhöhungen verhandelt.
Da sie am Montag ihre dritte Verhandlungsrunde abhielt, entsprach der gleichzeitige Warnstreik im öffentlichen Dienst viel mehr den üblichen Mustern in Tarifkonflikten. „Es ist ein historisches Momentum, dass sowohl Ver.di als auch die EVG gleichzeitig in Auseinandersetzungen stecken“, hatte EVG-Chef Burkert am Freitag gesagt. „Dieses Momentum wollen wir nutzen.“
Doch die Auseinandersetzung zwischen der EVG und den Eisenbahnunternehmen unterscheidet sich von denen vieler anderer Gewerkschaften. Denn die EVG muss keineswegs nur mit der Deutschen Bahn allein verhandeln, sondern führt gleichzeitig rund 50 Verhandlungen mit anderen privaten Eisenbahn-Unternehmen. Das liegt daran, dass es im Gegensatz zu vielen anderen Branchen keinen gemeinsamen Arbeitgeberverband gibt, der auf der anderen Seite mit der EVG verhandeln könnte.
Um so viele Tarifverhandlungen gleichzeitig unter einen Hut zu bekommen, haben sich die EVG und die Arbeitgeber im Vorfeld auf einen Terminplan verständigt. An dem will die EVG nun trotz der Eskalation durch den Warnstreik festhalten. Während die Deutsche Bahn immer wieder betont, dass sie zu sofortigen Verhandlungen über ihr bisheriges Angebot bereit sei, will sich die EVG nicht zu einem früheren Termin drängen lassen.
EVG und Bahn liegen bei Tarifverhandlungen noch weit auseinander
Bislang liegen die Positionen weit auseinander: Die EVG hatte zwölf Prozent mehr Gehalt, jedoch auch mindestens 650 Euro mehr monatlich für alle Beschäftigten gefordert. Die Deutsche Bahn bietet derzeit eine Erhöhung in zwei Schritten um fünf Prozent und eine steuerfreie Einmalzahlung in Höhe von 2500 Euro als Inflationsausgleich an.
Allerdings habe der Arbeitgeber auch Gegenforderungen mit dem Angebot verknüpft, heißt es bei der Gewerkschaft, so wolle man die großzügige Urlaubsregelung heran. Die EVG bezeichnet das Angebot deshalb als „nicht verhandlungsfähig“ und fordert eine neue Offerte innerhalb weniger Tage.
Es ist daher keineswegs ausgeschlossen, dass es zwischen Ostern und dem nächsten regulären Verhandlungstermin zu erneuten Arbeitskampfmaßnahmen kommt, sollte die Bahn kein verbessertes Angebot vorlegen.
Doch der Staatskonzern äußerte am Montag heftige Kritik am Streik der Gewerkschaft: „An diesem überzogenen, übertriebenen Streik leiden Millionen Fahrgäste, die auf Busse und Bahnen angewiesen sind“, sagte ein Bahnsprecher. „Nicht jeder kann vom Homeoffice aus arbeiten.“
Es ist extrem ungewöhnlich, dass der Tarifkonflikt mit der EVG so schnell eskaliert ist. Eigentlich gilt sie als die zahmere der beiden Bahngewerkschaften. In den vergangenen Jahren fiel vor allem die konkurrierende Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) durch harte Arbeitskämpfe und Streiks bei der Bahn auf.
Der GDL-Chef Claus Weselsky warf EVG und Deutscher Bahn sogar vor, dass sie insgeheim kooperieren. Es handle sich bei dem Warnstreik um „eine Schmierenkomödie, ein abgekartetes Spiel“, sagte Weselsky WELT AM SONNTAG. „Die Deutsche Bahn hält als Arbeitgeber die Züge an, damit der Streik ihrer Lieblingsgewerkschaft EVG überhaupt Wirkung zeigt.“ Diesem Vorwurf widersprechen sowohl Deutsche Bahn als auch EVG.
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Doch der Konkurrenzkampf der beiden Gewerkschaften ist laut Experten einer der Gründe, warum auch die EVG nun so schnell auf Streiks setzt. Bei der vergangenen Tarifrunde sei es der GDL gelungen, mehr rauszuholen als der EVG.
Die größere Gewerkschaft habe wohl auch deshalb Mitglieder an die kleinere Lokführer-Gewerkschaft verloren. Die Streiks dienen daher auch als Signal nach innen an die eigenen Mitglieder, dass man mindestens so hart verhandele wie der Wettbewerber.
Für die Reisenden bedeutet das in diesem Jahr nichts Gutes: Selbst, wenn der Tarifkonflikt zwischen Bahn und EVG beigelegt werden kann, drohen schon in wenigen Monaten weitere Bahnstreiks – dann von der GDL. „Ich befinde mich derzeit in den Vorbereitungen unserer eigenen Auseinandersetzung mit der Deutschen Bahn im Herbst“, sagte Weselsky. „Unsere Friedenspflicht endet am 31. Oktober und die EVG macht sich in die Hose, wenn sie vor uns einen Tarifvertrag unterschreiben soll.“
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