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Nach peinlichen Pannen: Verfassungsrichter verhandeln Berliner Wahl-Chaos

Zahlreiche Wähler warten im Prenzlauer Berg in einer langen Schlange vor einem Wahllokal.

Vor zahlreichen Wahllokalen bildeten sich in Berlin lange Schlangen, viele Wähler konnten ihre Stimme erst Stunden verspätet abgeben.

(Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa/Arc)

Im Rahmen der Bundestagswahl kommt es im September 2021 in Berlin zu peinlichen Pannen: fehlende und falsche Stimmzettel, Chaos bei der Stimmabgabe, Ärger in den Wahllokalen. Die juristische Aufarbeitung beginnt nun vor Gericht, das Verfahren kann auch Einfluss auf die Bundestagswahl haben.

Gut ein Jahr nach der von Pannen überschatteten Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus überprüft der Verfassungsgerichtshof (VerfGH) deren Gültigkeit. Die mündliche Verhandlung am heutigen Mittwoch ist ein wichtiger Schritt bei der politischen und juristischen Aufarbeitung der Versäumnisse am 26. September 2021, die bundesweit für Schlagzeilen sorgten. Es wird erwartet, dass Berlins oberstes Gericht eine vorläufige Einschätzung dazu abgibt, ob die Wahl wiederholt werden muss. Möglich ist, dass dies zumindest in einigen der 78 Wahlbezirke nötig wird. Die Meinungen darüber gehen weit auseinander.

Eine Entscheidung des Gerichts wird nicht am selben Tag erwartet, ist aber theoretisch möglich. Am 26. September 2021 wurden in Berlin der Bundestag, das Berliner Abgeordnetenhaus und die zwölf Bezirksverordnetenversammlungen gewählt. Dazu kam noch ein Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungskonzerne. Dabei waren massive Probleme aufgetreten: Dazu zählten falsche oder fehlende Stimmzettel, die zeitweise Schließung von Wahllokalen und lange Schlangen davor mit teils stundenlangen Wartezeiten. Außerdem hatten etliche der 2257 Wahllokale teils noch weit nach 18 Uhr geöffnet.

Größte Gerichtsverhandlung dieser Art

Insgesamt liegen dem Gericht 35 Einsprüche gegen die Wertung der Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und den zwölf Bezirksparlamenten vor, über vier davon soll zunächst verhandelt werden. Dabei geht es um die Beschwerden der Landeswahlleitung, der Innenverwaltung sowie der Parteien AfD und Die Partei. Alle Verfahrensbeteiligten können dazu Stellung nehmen. Entscheidend bei dem Wahlprüfungsverfahren ist die Frage, ob Fehler am Wahltag mandatsrelevant waren - ob sie also Auswirkungen auf Mandatsverteilung und Zusammensetzung des Parlaments hatten.

Das Verfahren gilt als eines der wichtigsten in der Geschichte des höchsten Berliner Gerichts und sprengt alles bisher Dagewesene. So tagen die Richterinnen und Richter erstmals außerhalb ihres Domizils im Kammergerichtsgebäude. Wegen der ungewöhnlich großen Zahl von Verfahrensbeteiligten und des immensen öffentlichen Interesses kommen sie in einem großen Hörsaal der Freien Universität zusammen, wo bis zu 570 Teilnehmer Platz finden. Nach Angaben von Sprecherin Lisa Jani handelt sich um die bislang größte Gerichtsverhandlung dieser Art in Berlin.

Nach der Verhandlung haben die Richterinnen und Richter laut Gesetz drei Monate Zeit für ein Urteil, also bis Ende des Jahres. Im politischen Raum wird ihre Entscheidung im November oder Dezember erwartet.

Parallel zu dem Berliner Verfahren steht auch im Hinblick auf den Bundestag die Möglichkeit einer Wahlwiederholung im Raum. Darüber befindet - womöglich im Oktober - zunächst der Bundestag selbst auf Basis einer Empfehlung seines Wahlprüfungsausschusses. Erwartet wird, dass dann Klagen dagegen beim Bundesverfassungsgericht eingehen und dieses das letzte Wort hat.