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Nach Rückzug aus Lyman: In Moskau gärt die Wut

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Auch er soll verantwortlich sein für die Niederlage: Generaloberst Alexander Lapin.

(Foto: picture alliance/dpa/TASS)

Es ist eine weitere schwere Niederlage für den Kreml: Die strategisch wichtige Stadt Lyman ist wieder unter ukrainischer Kontrolle - und die russische Armee muss sich weiter zurückziehen. Der Unmut in Moskau über die militärische Führung wächst. Erste Schuldige werden benannt.

Auf den Rausch der Annexion folgt die Ernüchterung in Russland: Nach der bitteren Niederlage in der Schlacht um die strategisch wichtige Stadt Lyman im Osten der Ukraine wird in Moskau nach Schuldigen gesucht. Mehrere hochrangige russische Politiker fordern ein Köpferollen bei der Militärführung - und gar den Einsatz von Atomwaffen.

Die einflussreiche Bloggerin und ehemalige PR-Chefin des Duma-Vorsitzenden Wjatscheslaw Wolodin, Anastassija Kaschewarowa, forderte Antworten von Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow: "Weiß der Präsident von den Vorfällen? Wer berichtet ihm? Wo ist die Ausrüstung? Wo sind die (Panzer) Armata? Wo ist alles? Wie konnte das passieren? Eingesackt? Verkauft? Wo ist es hin? Gab es das überhaupt?"

Der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow wiederum verlangte, den für den Frontabschnitt verantwortlichen Generaloberst Alexander Lapin abzusetzen, zu degradieren und als einfachen Soldaten an die Front zu schicken. Die Probleme in Lyman seien schon vor zwei Wochen gemeldet worden. "Eine Woche später verlegt Lapin seinen Stab nach Starobilsk, mehr als 100 Kilometer von seinen Untergebenen entfernt, und verdrückt sich selbst nach Luhansk. Wie kann man operativ seine Einheiten befehligen, wenn man sich 150 Kilometer entfernt befindet", echauffierte sich Kadyrow. Er forderte, den Einsatz von Atomwaffen mit geringer Reichweite in Betracht zu ziehen.

Ziel ist Befreiung von ganz Luhansk

Auch im Staatsfernsehen sind plötzlich kritische Töne zu hören. So erklärte Maxim Yusin, ein Experte für Außenpolitik, es sei leicht, darüber zu sprechen, was nach der "Liberalisierung der Region Saporischschja" passiere. Aber es schwer mit "Träumern zu streiten, die in ihrer eigenen Welt leben", so Yusin. "Ich sehe, was an der Front nahe Lyman passiert, die Dinge laufen nicht sehr gut." Niemand könne wissen, ob die Mobilisierung wirklich etwas bringen werde oder nicht.

Moskau hatte am Samstag die strategisch wichtige Stadt Lyman im östlichen Gebiet Donezk aufgegeben. Die Streitkräfte seien wegen der Gefahr einer Einkesselung abgezogen worden, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, in Moskau. Zuvor hatten ukrainische Behörden von mehr als 5000 eingekesselten russischen Soldaten gesprochen. Über die Anzahl der Gefallenen und Gefangenen gibt es bislang keine Angaben.

Mit dem Fall Lymans öffnet sich für die ukrainischen Truppen der Weg Richtung Kreminna und Swatowe. Beide Städte liegen im Gebiet Luhansk und gelten - speziell Swatowe - als wichtige Verkehrsknotenpunkte. Der ukrainische Verwaltungschef für Luhansk, Serhij Hajdaj, teilte mit, sobald die russischen Soldaten aus Lyman verschwunden seien, werde die Befreiung der gesamten Region Luhansk beginnen. "Wir haben darauf gewartet, wir sind vorbereitet", so Hajdaj.

Verheerendes Signal für den Kreml

Für den Kreml wäre dies ein verheerendes Signal. Anfang des Sommers hatte die russische Armee das Gebiet Luhansk für "befreit" erklärt. Mehr als sieben Monate nach Kriegsbeginn hatte Russlands Präsident Wladimir Putin am Freitag neben Donezk auch die ukrainischen Gebiete Luhansk, Cherson und Saporischschja annektiert. International wird dieser völkerrechtswidrige Schritt nicht anerkannt.

Trotz der jüngsten russischen Annexionen versucht die Ukraine weiter, den besetzten Teil ihres Landes zu befreien. Nach der Rückeroberung Lymans dürfte sie den Fokus auf einen weiteren Vormarsch im nördlichen Donbass legen und versuchen, im Gebiet Luhansk in Richtung der wichtigen Verkehrsknoten Swatowe und Kreminna vorzustoßen.