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Nationalisten tief zerstritten: Putin steckt laut ISW-Experten in einem Dilemma

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Russlands Präsident Wladimir Putin kann es laut ISW nicht allen Interessengruppen Recht machen.

(Foto: via REUTERS)

Die Rückschläge für die russische Armee in der Ukraine sorgen inzwischen für reichlich Streit zwischen Putin-Unterstützern: Militärs, Hardliner und Propagandisten sind sich uneinig, wie die Kriegsstrategie optimiert werden soll. Laut Experten könnte das auch Putins Machtbasis schaden.

Nach den militärischen Fehlschlägen in Lyman und Charkiw sowie der chaotisch verlaufenden Mobilisierung ist unter russischen Militärs, Hardlinern und Propagandisten offenbar ein Machtkampf ausgebrochen. Russlands Präsident Wladimir Putin habe es laut dem US-Thinktank Institute for the Study of War (ISW) bisher aus gutem Grund vermieden, sich auf eine Seite zu schlagen. Der Kreml-Chef befinde sich in einem Dilemma, so die Experten. Er könne keine der Gruppen verprellen, ohne seine Machtbasis zu gefährden.

Wie der ISW berichtet, gebe es inzwischen drei Lager: einerseits die Hardliner der Silowiki-Gruppe um den tschetschenischen Machthaber Ramsan Kadyrow und den Chef der Wagner-Söldner, Jewgeni Prigoschin, die vor allem die Militärführung um General Alexander Lapin für die Niederlage in Lyman verantwortlich machen. Zum Zweiten das militärische Establishment um Verteidigungsminister Sergej Schoigu, das die institutionalisierte Grundlage für die Fortsetzung des Krieges bilde. Und drittens die Milblogger, die in der russischen Öffentlichkeit für den Krieg trommeln.

Während die Silowiki und die Mehrheit der Milblogger laut den Experten eine radikalere Kriegsführung fordern, drängen Militärvertreter und Kriegsveteranen auf eine Umstrukturierung von Militärkommando und Verteidigungsministerium hin auf eine konventionelle und traditionelle Kriegsbasis. Der Führung um Schoigu die Befugnisse zu entziehen, könne sich Putin allerdings nicht leisten - ohne zu riskieren, dass sich die Militärs gegen ihn wenden. Zugleich wolle er die Hardliner nicht verprellen, denn er brauche die "Kadyrovites" und die Wagner-Söldner, um in der Ukraine zu kämpfen.

Abgesetzter General als Sündenbock

Diese Fragmentierung unter Putin-Unterstützern könnte "innenpolitische Auswirkungen haben und sogar die Stabilität von Putins Regime beeinträchtigen", schreiben die Experten. "Putin wird die sich gegenseitig ausschließenden Forderungen der verschiedenen Gruppen nicht erfüllen können." Auch deshalb versuche der Kreml derzeit, die Verantwortung für die Niederlage in Lyman auf das Kommando des westlichen Militärbezirks und den bereits abgesetzten Generaloberst Alexander Zhuravlev abzuwälzen. Zhuravlev soll bereits durch Roman Berdnikow ersetzt worden sein.

Russische Milblogger haben die durch den Kreml eingesetzten Kommandanten zwar verteidigt und Lapin gegen die Angriffe von Kadyrow in Schutz genommen, berichtet der ISW. Doch auch in dieser durchaus einflussreichen Community herrsche inzwischen Uneinigkeit über die richtige Kriegsstrategie. "Milblogger haben damit begonnen, zunehmend die militärischen Qualifikationen der anderen in Frage zu stellen, um Empfehlungen für die russischen Streitkräfte abzugeben", so die Experten. Im Fokus ihrer Kritik stehe aber nach wie vor das Verteidigungsministerium - also die politischen Entscheidungsträger.

"Putin kann es sich nicht leisten, die Unterstützung einer dieser Gruppen zu verlieren, noch kann er sie alle zufriedenstellen, während der Krieg weitergeht und die russischen Truppen weiterhin Verluste erleiden", fasst das ISW seinen Bericht zusammen. Die Risse innerhalb der Unterstützerkreise Putins seien inzwischen für alle Russen offen sichtbar. Es sei nicht ausgeschlossen, dass sich bei einigen der Eindruck festsetze, Putin habe seine eigene Basis nicht mehr vollständig unter Kontrolle - "mit schwer vorhersagbaren Folgen für sein Regime", so die Experten.